Benko-Debakel
Die Finanzmarktaufsicht fordert schärfere Instrumente gegen Bankmanager. Sie sind gar nicht nötig: Die Behörde könnte schon heute hart durchgreifen, tut es aber nicht, wie der Fall Julius Bär zeigt.
30. Januar 2024 • Beat Schmid

Es ist ein Versagen auf der ganzen Linie. Die Kredite für René Benko und sein Signa-Immobilienimperium wurden nicht von einem untergeordneten Team klandestin abgewickelt. Alle relevanten Abteilungen waren involviert: Die Finanzchefin, der Chief Risk Officer, der CEO und der Verwaltungsratspräsident.

Die Finma muss also nicht mit der Lupe nach einem Schuldigen suchen, dem sie den Schaden zuschieben und den sie mit einem Berufsverbot bestrafen könnte. Die Finanzaufsicht konnte dem Verwaltungsratspräsidenten Romeo Lacher einen Besuch abstatten und ihm mitteilen, dass er als oberster Verantwortlicher der Bank versagt habe.

Die Behörde könnte ihm vorwerfen, er habe es versäumt, ein adäquates Risikorahmenwerk für das Geschäft mit komplexen strukturierten Krediten zu schaffen. Dadurch habe er die Reputation der Bank geschädigt. Er erfülle somit das «Gewährserfordernis» nicht mehr. Lacher müsste seine Demission einreichen.

Kein harmloser Paragraph

Das Bankengesetz schreibt in Artikel 3 vor, dass eine Bank zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit eine Bewilligung der Finma benötigt. Diese Bewilligung wird unter anderem erteilt, wenn «die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten».

Artikel 3 des Bankengesetzes ist kein harmloser Paragraph, sondern ein Schwert. Man muss es nur führen können. Genau auf diesen Punkt weist die Basler Governance-Expertin Monika Roth im Zusammenhang mit der Credit Suisse hin. Sie kritisiert, dass die Finma das Mittel der Gewährsanforderung «nicht genutzt hat und die Möglichkeit, konsequent darauf gestützte Wertungen, Empfehlungen und Urteile zu formulieren», wie sie jüngst in einem Gastbeitrag in den CH-Media-Zeitungen schrieb.

Sie weist darauf hin, dass die Vorgängerbehörde der Finma, die EBK, genau dies ab 2001 bei Einzelpersonen getan habe. Prominentester Fall war Marcel Ospel, dem die Behörde 2008 in einem Gespräch erklärte, er erfülle die Gewähr nicht mehr. Ospel musste als Chef der UBS zurücktreten. Bei der Credit Suisse seien alle Verantwortlichen in ihren Sesseln geblieben, schreibt Roth. Niemand sei von der Finma zum Rücktritt aufgefordert worden.

Die Behörde habe «unverständlicherweise» auf die Instrumente, welche die Gewährsnorm bietet, verzichtet und sie nicht genutzt, schreibt Monika Roth. Die Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder der CS hätten dies dank jahrelanger Erfahrung bereits in ihr Verhalten «einpreisen» können.

Das Versäumnis der Finma, gegen die obersten Verantwortlichen vorzugehen, hat die Toleranzschwelle für Interventionen erhöht. Davon profitiert das Management der Bank Julius Bär, das trotz Benko-Debakel das Schwert der Finma nicht fürchten muss. Sie werden ihre Jobs behalten können. Ob neue Instrumente wie die Bussenkompetenz und das Senior Managers Regime daran etwas ändern werden, ist fraglich.

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