Geldpolitik
Die Notenbank habe mit ihrem «Vorpreschen» die Märkte verschreckt und lasse eine Politik der ruhigen Hand vermissen. Das ist Unsinn.
22. März 2024 • Beat Schmid

Der Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank sei eine «grosse Überraschung», so oder ähnlich urteilen die meisten Kommentatoren über die Senkung des SNB-Leitzinses um 25 Basispunkte auf 1,5 Prozent. Überraschend ist der Entscheid vor allem, weil die SNB als erste Notenbank der zehn grössten Währungsräume die Zinsen senkt.

Allerdings gab es durchaus Stimmen, die eine Senkung erwarteten. Barclays, Citigroup oder Julius Bär etwa lagen richtig. Sie waren der Meinung, dass die SNB eine Senkung vornehmen würde, um die Wirtschaft vor einer möglichen Währungsstärke zu schützen. Zudem ist SNB-Kennern auch nicht entgangen, dass es Thomas Jordan war, der vor mehr als zwei Jahren die Zinsen vor der Europäischen Zentralbank angehoben hat.

Eine Hierarchie, wer zuerst die Zinsen senken oder erhöhen darf, gibt es natürlich nicht, auch wenn einige Kommentare dies vermuten lassen. Die NZZ sprach vor einem «Vorsprechen», dass einem «ratlos» zurücklasse. Es sei gut möglich, dass die SNB ihren «Coup» als Signal der Unabhängigkeit verstehe.

Die Curveballs von Thomas Jordan

Weniger überrascht zeigten sich die Profis. «Wenn ich diese Woche versuchen würde, gegen eine Währung long zu gehen, dann gegen den Schweizer Franken», sagte Samuel Zief, Leiter der globalen Devisenstrategie bei der JP Morgan, im Vorfeld der Entscheidung. Die SNB sei bekannt dafür, «Curveballs» zu werfen. Damit sind Würfe im Baseball gemeint, die mit viel Spin ausgeführt werden und schwer zu berechnen sind.

Gut möglich, dass hinter der Senkung auch eine banale Logik steckt. Die SNB gibt ihren Zinsentscheid einmal pro Quartal bekannt. Damit kann sie weniger häufig auf eine veränderte Ausgangslage reagieren als andere Zentralbanken, die ihre Zinsentscheide häufiger fällen. Die FED trifft sich in der Regel achtmal im Jahr, um ihre geldpolitischen Entscheidungen zu überprüfen. Die EZB trifft sich monatlich.

Die SNB muss also relativ lange bis zur nächsten Zinssenkungsmöglichkeit warten, wenn die anderen grossen Zentralbanken die Zinsen vor ihr senken. Der Schweizer Franken könnte dann unter starken Aufwertungsdruck geraten. Mit ihrem gestrigen Entscheid scheint es die SNB vorzuziehen, an der Zinsschraube zu drehen als am Devisenmarkt zu intervenieren. Auch wenn man dabei vielleicht den einen oder anderen Beobachter verschreckt.

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