Kritik des «SNB-Obervatory»
Geht es nach den Ökonomen Stefan Gerlach, Yvan Lengwiler und Charles Wyplosz, soll die Vakanz im Direktorium der SNB mit einer externen Person besetzt werden.
5. März 2024 • Beat Schmid

Thomas Jordan werde zweifellos als «herausragende Figur» in die Geschichte der Schweizerischen Nationalbank eingehen, schreiben die Ökonomen des «SNB Obervatory» in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Die Inflationsbilanz unter Jordans Präsidentschaft sei «bemerkenswert gut». Die Teuerung in der Schweiz sei meist tiefer gewesen als in der Eurozone und «mit Sicherheit» tiefer als in den USA. «Zeitweise war sie sogar zu niedrig», urteilen die Ökonomen.

Der «konservative Ansatz» der SNB, im Notfall Liquiditätshilfe zu leisten, habe sich bei der Pleite der Credit Suisse nicht als vorteilhaft erwiesen. Das Fehlen einer öffentlichen Liquiditätsgarantie («Public Liquidity Backstop», PLB) machte eine Notstandsgesetzgebung notwendig, die es der SNB erlaubte, Kredite ohne Sicherheiten zu vergeben. Die Ökonomen vermuten, dass die SNB vor der CS-Krise der Einführung des PLB «offenbar» skeptisch gegenüberstand.

Heute ist bekannt, dass die SNB den PLB unterstützt. «Es ist erfreulich, dass die Institution aus früheren Fehlern lernen und sich anpassen kann», heisst es im Bericht. Das «SNB Obervatory» besteht aus den Ökonomen «SNB Obervatory» Stefan Gerlach, Chefökonom von EFG International, Yvan Lengwiler von der Universität Basel und Charles Wyplosz, emeritierter Professor des Genfer Graduate Institute.

SNB muss transparenter werden

Die Ökonomen machen auf einen feinen Unterschied aufmerksam, der von der SNB gerne unter den Tisch gekehrt wird. «Die Geldpolitik zu führen ist nicht dasselbe wie eine Zentralbank zu führen», schreiben sie. Dieser Unterschied werde in der Schweizer Debatte oft nicht erkannt. Laut Gesetz geniesst die SNB bei der «Gestaltung der Geldpolitik völlige Unabhängigkeit». Dennoch bleibe sie eine staatliche Institution, die «unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet wird», wie es in der Verfassung heisst.

Als solche müsse sie sich um Transparenz bemühen, schreibt das SNB Observatory. Die Öffentlichkeit müsse verstehen können, wie sie funktioniere. «Schliesslich betreffen die Entscheidungen der Zentralbank jeden von uns. Doch bis heute wissen wir fast nichts darüber, wie die SNB ihre Entscheidungen trifft.» Ist die SNB ein Ort, der eine lebhafte interne Debatte über die Politik fördert, oder werden alle wichtigen Entscheidungen an der Spitze getroffen? «Wir wissen es nicht, aber wir sollten es wissen.»

Gerlach, Lengwiler und Wyplosz kritisieren nicht nur das Direktorium, sondern auch den Bankrat, der noch intransparenter sei. Damit meinen sie, dass die SNB mit Zustimmung des Bankrats darauf besteht, ihr Kapital jährlich um 10 Prozent zu erhöhen, was zu Lasten der Gewinnausschüttung an Kantone und Bund geht. Die «Kapitalakkumulation» sei zwar aus Sicht der SNB wünschenswert, diene aber nicht dem «Gesamtinteresse des Landes», wie es das Gesetz verlange.

Kein automatisches Erbrecht

Auch zur Nachfolge von Thomas Jordan gaben die Ökonomen ihre Einschätzung ab. Martin Schlegel sei «ein Insider». Antoine Martin komme von der Federal Reserve und sei ein «Aussenseiter». Daher sollte ein weiterer Aussenstehender nominiert werden. Die Frage des Präsidiums solle geklärt werden, wenn das neue Mitglied feststehe. «Unserer Meinung nach sollte es kein automatisches ‘Erbrecht’ des Vizepräsidenten geben». Mit Martin Schlegel, der 2022 ernannt wurde, und Antoine Martin, der dieses Jahr ernannt wurde, sei das Direktorium im historischen Vergleich «unerfahren», es fehle dem Gremium an «Gravitas», schreiben sie.

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