Digital Assets Briefing
Diese Woche gab Bitcoin Suisse die Emission einer tokenisierten Anleihe bekannt, vor wenigen Wochen feierte die SIX-Tochter SDX ein Anleihen-Token-Volumen von 1 Milliarde. Sind Bonds auf der Blockchain bald die neue Normalität – oder geht es ihnen ähnlich wie den Aktien-Token?
15. Juni 2024 • Werner Grundlehner

Erfolgs-Storys werden gerne kopiert. Nachdem sich Kryptowährungen trotz zahlreicher Unkenrufe durchgesetzt haben und sich in den Vermögen vieler Anleger und den Produkten zahlreicher Banken und Finanzdienstleister etabliert haben, sollen auch andere Vermögenswerte auf der Blockchain lager- und handelbar gemacht werden. Weine, Kunstwerke, Occasionen, Schuldzertifikate, Unternehmensbeteiligungen – die Liste der tokenisierten Werte ist in den vergangenen Jahren lang geworden.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Trump: Make Bitcoin American again
• «Dreckiger» Übernahmekampf unter Minern


Nun drängen auch festverzinsliche Werte auf die Blockchain. In dieser Woche verkündete die Capital-Markets-Plattform Obligate, die erste tokenisierte Anleihensemission für Bitcoin Suisse. «Die Emission zielt darauf ab, die Wachstumsmassnahmen von Bitcoin Suisse im Lending-Geschäft voranzutreiben», heisst es in der Pressemitteilung der beiden Unternehmen. Die Transaktion soll institutionellen Anlegern Zugang zu neuen Kapitalquellen zu verschaffen.

Transaktionen mit «atomic settlement»

Gemäss Emittenten ist die Anleihe überbesichert und bietet Investoren damit eine zusätzliche Sicherheitsebene. Die Verwendung des Stablecoin USDC von Circle als Abwicklungswährung ermögliche eine «atomare» Abwicklung der emittierten Anleihen und eine erhöhte Transaktionseffizienz. Unter atomaren Settlement versteht die Branche ein Abwicklung in viel weniger Abwicklungsschritten und ohne Verzögerungen wie T+1 oder T+2 (Transaktion plus ein oder zwei Abwicklungstage).

Die Anleihensobligation von Bitcoin Suisse wurde über die Obligate Plattform als eNote auf der öffentlichen Polygon-Blockchain ausgegeben. Sie ist als ERC-20 Token ausgestaltet und die Emissionsdetails und Transaktionen sind auf der Blockchain hinterlegt und einsehbar. Die eNote ermöglicht direkte Transaktionen zwischen Emittenten und Investoren und bietet einen flexiblen und kosteneffizienten Zugang zum Kapitalmarkt.

«Da es sich bei der ersten Emission primär um einen technischen Prototyp handelt, können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht genauer über das Volumen und die Verzinsung äussern», antwortet der Sprecher von Bitcoin Suisse auf die Frage, wie die Konditionen der Anleihen aussehen würden. Die Transaktionen finden auf der Plattform vorerst nur zwischen Emittenten und Käufer statt. Obligate ist derzeit auf den Primärmarkt fokussiert und bietet keinen organisierten Sekundärmarkt an, wobei die meisten Anleihen auf der Plattform kurzlaufend sind. Das heisst also, dass wer die Anleihen zeichnet, diese vorerst nicht weiterverkaufen kann und sie deshalb bis Laufzeitende hält.

SDX erreicht 1-Milliarden-Marke

Schon seit längerem beschäftigt sich die digitale Börse SDX, eine Tochtergesellschaft der Schweizer Börse SIX, mit tokenisierten Anleihen. Vor wenigen Wochen verkündete die SDX, dass die über ihre Plattform abgewickelten Emissionen von digitalen Vermögenswerten die Marke von 1 Milliarde Franken überschritten hätten. Dabei handelt es sich fast ausschliesslich um herkömmliche, tokenisierte Anleihen auf der Blockchain.

Die SIX betreibt seit September 2021 eine vollständig regulierte Plattform für die Emission von sowie den Handel mit digitalen Vermögenswerten. Unter den Emittenten befinden sich die Weltbank, die UBS, die Stadt Lugano, die Kantone Zürich und Basel-Stadt, die Stadt St. Gallen sowie die SIX Group selbst.

Einen Meilenstein erreichte die SDX durch die Emission einer Anleihe der Weltbank mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einem Volumen von 200 Millionen Franken. Das war die erste digitale Franken-Anleihe eines internationalen Emittenten, die mit der von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bereitgestellten digitalen Zentralbankwährung (wCBDC) in Schweizer Franken abgerechnet wurde.

Ein Teil des E-Franken Projekts der SNB

Zahlreiche digitale Anleihen an der SDX waren Teil des SNB-Projekts Helvetia Phase III, das Abwicklungen in Schweizer Franken (CHF) als digitale Zentralbankwährung (wCBDC) ermöglicht – wCBDC sind Wholesale-Central-Bank-Digital-Currencies. Dabei handelt es sich um einen E-Franken, der nur zwischen Finanzinstitutionen verwendet werden kann. Die Phase III des Projekt Helvetia endet Ende dieses Monats.

Wie es mit dem E-Franken weitergeht, ist noch nicht klar. Zudem fällt auf, dass die Emittenten von tokenisierten Bonds aus dem staatlichen Bereich kommen oder zu den Besitzern der SIX gehören – diese gehört den Schweizer Banken. «Die Pipeline ist gut gefüllt und umfasst weitere Akteure auch ausserhalb öffentlicher Schuldner und Finanzinstitutionen», antwortet der SIX-Sprecher auf die Frage, ob weitere Emissionen erfolgen und auch neue Emittenten auftauchen werden. Konkrete Namen möchte er aber noch nicht nennen.

Auch hier kein Sekundärhandel

Auch bei der SDX findet kein Sekundärhandel statt, die Anleihen sind gleichzeitig auf der SIX kotiert, ein allfälliger Handel wird über die Mutterplattform abgewickelt. «An der SDX sind ausschliesslich andere Banken angebunden, keine Endkunden. Die Liquidität von Anleihen kann je nach Art der Anleihe und den Marktbedingungen variieren und kann von sehr liquide bis wenig liquide sein», führt der SIX-Sprecher aus. Details zu den bei SDX kotierten und handelbaren Bonds können auf der Website (Link) abgefragt werden.

Dem aussenstehenden Marktteilnehmer stellt sich nun die Frage, sind tokenisierte Bonds nun die Zukunft des Anleihenmarktes? Alles ist im Moment noch wenig konkret. Zwar jagen sich die Studien, die der Tokenisierung eine grosse Zukunft voraussagen, wie etwa diese von Boston Consulting Group (Link zum PDF). Beim Nutzen bleibt der Research meistens schwammig. Effizienzgewinne, Fraktionalisierung und hohe Kosteneinsparungen als Argumente müssen dem Interessierten genügen.

«Ein guter Test»

«Diese Projekte sind ein guter Test und er funktionierte einwandfrei. Auch die Zusammenarbeit mit der Nationalbank scheint gut geklappt zu haben. Das Projekt Helvetia III verlieh der SDX einen rechten Schub. Aber ob der aktuelle Stand der Umsetzung die traditionellen Börsen ernsthaft bedrängen kann, muss sich noch zeigen», sagt Pascal Egloff, Dozent und Zentrumsleiter Banking & Finance an der Ostschweizer Fachhochschule. Eine wichtige Voraussetzung, damit tokenisierte Assets ein Erfolg würden, sei ein etablierter Wholesale CBDC. Es wird also spannend sein, zu beobachten, ob es ein Nachfolgeprojekt von Helvetia III geben wird. Momentan seien zudem auch verschiedene, sich konkurrenzierende Stablecoin- bzw. E-Franken-Projekte am Start.

Für Egloff ist nicht nur die Liquidität entscheidend, ob und welche Tokensierungslösung für Anleihen sich durchsetzt. Als erstes müssten sich für Finanzdienstleister und Investoren klare Effizienzgewinne bzw. ein wirtschaftlich attraktiver Business Case zeigen. So müssten zum Beispiel Corporate Actions wie etwa die Couponzahlungen einfach über die Blockchain möglich sein. Auch das Atomic Settlement, die Abwicklung der Transaktion ohne Zwischenschritte und Zeitverzögerung sei wichtig.

Vorerst sind viele Schritte noch nicht geklärt. Es stellt sich auch die Frage, ob die Banken bereit sind T+1 oder T+2 aufzugeben. Ohne diese «Pause» müssten die Banken immer unmittelbar über die den Transaktionen unterlegten Gelder verfügen, bisher hatten sie für die Bereitstellung ein oder zwei Tage Zeit. Ausser während der Zeit der Negativzinsen generieren die Finanzinstitute auf diesen Beträgen innerhalb dieser Frist jeweils auch Zinserträge. Eine Änderung bringt zudem auch nicht zu unterschätzende prozessuale Umstellungen für die Banken mit sich.

Handel ist bereits effizient

Egloff sieht für tokenisierte Anleihen das klassische Huhn-Ei-Problem. Die Plattformen müssten ein breites Angebot bieten, damit ein grosse Investorenmasse angezogen werde. Die Emittenten kommen aber erst, wenn sie den Nachfragedruck der Anleger spürten oder die Konditionen sehr vorteilhaft sind. «Viele Bonds werden ausserbörslich gehandelt und dieser Handel ist bei Staatsanleihen absolut effizient. Bei Unternehmensanleihen mit kleineren Emissionsgrössen ist die Effizienz tiefer. Privatanleger suchen zudem nur selten einzelne Bondtickets, sondern investieren gerne in Kollektivanlagen. Der Schweizer Bondmarkt ist daher mehrheitlich ein Markt für institutionelle Anleger», so der Dozent.

Ein Vermögenswert auf die Blockchain zu bringen ist noch keine Garantie für den Markterfolg. Es braucht, attraktive Assets, Liquidität und einen funktionierenden Sekundärhandel. Das zeigt sich am Beispiel der tokenisierte Aktien, die verschiedene Schweizer Anbieter seit Jahren mit überschaubarem Erfolg anbieten. Der Anleihen-Markt würde zumindest in Sachen Volumina wahrscheinlich besser dastehen als der Aktienmarkt, da Corporate Bonds meistens eine Mindestemissionsgrösse von 100 Millionen aufweisen. Erst ab dieser Schwelle qualifiziert sich eine Anleihe für den Swiss Bond Index der SIX.

Ob einer der neuen Player am Bondmarkt mittel- bis langfristig gegen die bewährten Kräfte durchsetzt und welche Lösung es am Ende konkret sein wird, lässt sich gemäss Egloff nur beschränkt vorhersagen. Die SDX habe den Vorteil, dass hinter ihr als regulierter Finanzmarktinfrastruktur mit einer Börsenlizenz eine potente Gruppe sowie die Schweizer Banken als Aktionäre mit langem Atem und viel Finanzkraft stehen. Für das Angebot von Obligate spricht, dass die eNotes auf ERC-20-Token der Polygon-Blockchain emittiert werden und damit innerhalb eines globalen erweiterten Ethereum-Ökosystems zwischen Anbietern transferierbar und kompatibel sind. Der Einsatz einer Public Blockchain ist nicht nur innovativ, sondern mittel- bis langfristig gesehen auch für eine erweiterte Interoperabilität interessant. Die Blockchain-Technologie bleibt gemäss Egloff auf jeden Fall ein spannender Treiber in der Finanzwelt.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Make Bitcoin American again

«Wir wollen, dass alle verbleibenden Bitcoin in den USA hergestellt werden!!!», postete Trump in dieser Woche auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Das scheint ein wahltaktisch ein kluger Schachzug zu sein, zeugt aber von wenig Kenntnis der Kryptobranche. Vielleicht ignoriert der ehemalige US-Präsident und erneute Kandidat für dieses Amt wie so oft die Realität. Der Bitcoin sei «unsere letzte Verteidigungslinie gegen eine digitale Zentralbankwährung», schrieb Trump weiter. Er wettert schon seit längerem gegen die Idee des «digitalen Dollars». Seit einigen Woche ist klar geworden, dass Trump den Bitcoin als neue Angriffslinie gegen Joe Biden, den amtierenden Präsidenten und Konkurrentn im Wahlkampf nutzt.

Kryptowährungen haben in den USA gegen die Aufsichtsbehörden der Regierung momentan einen schweren Stand. Viele junge, männliche Wähler halten aber Kryptos und die Skepsis gegen digitale Notenbankwährungen ist weit verbreitet, da diese Überwachung und Kontrolle der Geldflüsse durch die Regierung möglich machen würde. Dass der Bitcoin dezentral organisiert ist, und sich auch das Mining nicht steuern lässt, blendet Trump aus. «Das Mining von verbleibendem Bitcoin in den USA wird dem Land helfen, energiemässig dominant zu sein», meinte Trump weiter. Auch diese Aussage ist schwer zu verstehen, da das Bitcoin-Mining erhebliche Mengen an Energie verbraucht, was immer wieder Anlass zu Kritik gibt. Was man dem Mining in gewissen Energiestrukturen mit hohen Unterschieden in der Produktionsmenge zugute halten kann, ist, dass die Netzwerke stabilisiert werden.


«Dreckiger» Übernahmekampf unter Minern

Zwischen zwei grossen Mining-Unternehmen ist ein Übernahmekampf entbrannt. Der kanadische Bitcoin-Miner Bitfarms wehrt sich gegen ein nicht erwünschten Kaufangebot durch den US-Konkurrenten Riot Platforms. Im April hatte Riot ein «unfreundliches» Übernahmeangebot über 950 Millionen Dollar für Bitfarm unterbreitet. Der anvisierte Miner lehnte das Angebot als zu tief ab. In den vergangenen Wochen hatte Riot über Käufe an der Börse eine Beteiligung von über 13 Prozent aufgebaut. Nun haben die Kanadier eine «Poison Pill» aktiviert. Mit dieser Massnahme wird eine grosse Menge von Aktien an aussenstehende Aktionäre ausgegeben, falls ein Unternehmen zwischen dem 20. Juni und dem 10. September eine Beteiligung von mehr als 15 Prozent an Bitfarm erwirbt.

Bitfarms betreibt zwölf Bitcoin-Mining-Zentren in Kanada, den USA, Paraguay und Argentinien und hat bereits mit Problemen zu kämpfen. Im Mai gab Bitfarms bekannt, dass der CEO, Geoffrey Morphy, zurücktreten werde und durch einen Interimspräsidenten ersetzt werde. Morphy reichte in der Folge eine Schadenersatzklage über 27 Millionen Dollar ein. Der CEO von Riot fordert nun den Bitfarms-Vorstand auf, den Interimspräsidenten zu entlassen und behauptet, diese trage «direkte Verantwortung für die schlechte Corporate Governance-Praktiken des Unternehmens». Beide Miner sind kotiert. Ihre Aktien werden von Investoren gerne als indirektes Engagement für den Kryptobereich genutzt.

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