Digital Assets Briefing
So ziemlich alle Zentralbanken arbeiten an eigenen digitalen Landeswährungen. Diese CBDC haben aber wenig mit Bitcoin & Co. gemeinsam – und stellen in gewissen Ausprägungen für den Bürger eine Bedrohung dar.
10. Mai 2024 • Werner Grundlehner

Anfang Woche sagte Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), anlässlich des Innovationsgipfels der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS), die Schweiz habe sich zu einem der führenden Zentren bei der Einführung der Tokenisierung im regulierten Finanzsystem entwickelt (Link zum Dokument).



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Und täglich grüsst die ETF-Verschiebung
• Kraken kommt nach Deutschland


Die Tokenisierung von Vermögenswerten ist noch ein Nischenphänomen. Sie gewinnt aber zunehmend an Dynamik. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, befasst sich die SNB im Rahmen des Projekts Helvetia III mit der Frage, wie Transaktionen mit tokenisierten Vermögenswerten mit Zentralbankgeld abgewickelt werden können. «Die digitale Abbildung von Vermögenswerten eliminiert das Kreditrisiko und minimiert das Liquiditätsrisiko bei der Abwicklung», meinte dazu Jordan. Für eine Umsetzung dieses Projekts arbeitet die SNB seit Jahren auch an einer CBDC (Central Bank Digital Currencies) oder umgangssprachlich – an einer digitalen Notenbankwährung.

Braucht es noch private Kryptowährungen?

Aber nicht nur die SNB, fast alle Zentralbanken weltweit – über 90 Prozent – arbeiten an CBDC. Braucht es also noch eine Vielzahl von «privaten» Kryptowährungen, die von Unternehmen, Stiftungen und Interessensgruppen betrieben werden, wenn die etablierten «Währungsanbieter» in Bälde digitale Versionen der Landeswährung auf der Blockchain anbieten werden?

Ja, denn die CBDC weisen die Vorteile von Kryptowährungen nicht auf. Das wird hier am Beispiel des Bitcoins gezeigt. Bereits die Blockchain unterscheidet sich. Digitale Zentralbankwährungen werden auf einer privaten Blockchain betrieben, die vom Institut kontrolliert wird. Die Bitcoin-Blockchain ist öffentlich und für jedermann zugänglich. Zudem ist die Bitcoin-Blockchain ein dezentrales Computernetzwerk, das aus einer Vielzahl von Nodes (Knotenpunkten) besteht und nicht manipuliert werden kann. Jeder Node hat die Kopie der Transaktionshistorie gespeichert, verifiziert Transaktionen und kontrolliert, ob die Netzwerkregeln von allen Teilnehmern eingehalten werden. Je mehr Nodes ein Netzwerk hat, desto dezentraler ist es.

Ein Franken entspricht einem CBDC-Franken

Keine Person, keine Gruppe und keine Institution kontrolliert beim Bitcoin das Netzwerk. Die Coins können nicht physisch gedruckt werden und die Anzahl ist limitiert – es werden letztendlich nur 21 Millionen Bitcoins ausgegeben. Wegen dieser Knappheit wird der Bitcoin als teuerungsresistent und als geeignetes Wertaufbewahrungsmittel wahrgenommen. Eine digitale Notenbankwährung hat dagegen den gleichen Wert wie eine Einheit der Landeswährung und ist den gleichen Einflüssen von Geldpolitik, Inflation etc. ausgesetzt. Mit dem Bitcoin können ohne Intermediäre, schnelle Zahlungen auch über Landesgrenzen vorgenommen werden, ohne dass diese zensuriert werden können. CBDC unterliegen dagegen den Transaktionsregeln der Notenbanken.

Bei den CBDC gilt es noch zwischen den sogenannten Wholesale-CBDC und den Retail-CBCD zu unterscheiden. Erstere wird von der entsprechenden Zentralbank nur an Geschäftsbanken und Nichtbank-Finanzinstitutionen ausgegeben, die Retail-Version ist auch Privathaushalten zugänglich. Wenn Vermögenswerte tokenisiert werden, kann es effizient sein, wenn die Abwicklung nach dem Prinzip Lieferung gegen Zahlung über Wholesale-CBDC-Token erfolgt.

Am KommNet-Unternehmer-Podium sagte Alexandra Janssen, Ökonomin und CEO von Econfin, diese Woche Wholesale CBDC könnten – sehr vereinfacht – als Software-Update für die Finanzinfrastruktur bezeichnet werden; sie könnten das System effizienter machen. Aus Sicht von Janssen bieten sie einen klaren Anwendungsfall.

Mit Stablecoins vergleichbar

Am ehesten sind CBDC in der Wholesale-Ausprägung mit Stablecoins zu vergleichen. Diese Kryptowährungen zielen darauf ab, die hohen Preisschwankungen die Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether, Cardano etc. aufweisen, zu vermeiden, indem sie den Wert von etablierten Vermögenswerten, in der Regel Fiat-Währungen, nachbilden. Der wichtigste Stablecoin ist der Tether USDT, mit einer Marktkapitalisierung von rund 100 Milliarden Dollar. Was den «Dollar-Klon» zur drittgrössten Kryptowährung insgesamt macht.

Es gibt verschiedene Gründe, Stablecoins zu verwenden. Krypto-Anleger nutzen diese, um in verschiedene digitale Währungen ein- und auszusteigen und dabei innerhalb der Krypto-Welt zu bleiben. Menschen in Ländern mit hoher Inflation schützen den Wert ihrer Ersparnisse durch den Kauf eines Stablecoins, der eine stabilere Währung – etwa den Dollar – abbildet. Für Überweisungen über Landesgrenzen bieten diese Coins zudem eine schnelle Abwicklung zu tiefen Gebühren ohne den Einfluss von Währungsumrechnungen.

Meist eine Retail-Version in Planung

Die Mehrheit der weltweiten Notenbanken, die an einer digitalen Landeswährung arbeiten, planen gemäss Informationen der BIS sowohl die Einführung von Retail- als auch Wholesale-CBDC-Versionen. Mit Retail CBDC könnte jeder Bürger bei der Notenbank ein Konto unterhalten und direkt mit jeder anderen Partei Geld austauschen. Der Vorteil dieser digitalen Notenbank-Währung für Private wäre, dass sie nicht mehr dem Gegenparteirisiko bei Geschäftsbanken ausgesetzt wären – also mit Bargeld zu vergleichen wäre. Die Nachteile sind jedoch zahlreicher und gewichtiger.

Die offensichtlichen Nachteile wären die totale Transparenz und der Umstand, dass die Notenbanken die Kunden-Identifizierung übernehmen und ein komplexes Transaktionssystem selbst aufbauen und betreiben müssten. In Ländern wie China, Nigeria oder den Bahamas, in denen bereits Retail CBDC eingeführt sind, reagiert die Bevölkerung vorsichtig und zurückhaltend – die digitalen Notenbankwährungen werden im täglichen Gebrauch kaum verwendet. Die Konsumenten wenden es nicht an, die meisten Geschäfte akzeptieren CBDC nicht.

Nur noch gläserne Vermögen und Transaktionen

Die Einführung von Retail-CBDC würde den Notenbanken und damit den Staaten eine grosse Macht einräumen. Nach einer Volleinführung gäbe es nur noch «gläserne Vermögen». Der Staat hätte Einblick in jede Transaktion. Doch nicht nur das, technisch wäre es auch möglich, dass der Kauf von gewissen Produkten verboten – oder mit Sonderabgaben versehen – würde. Guthaben könnten durch den Staat umfassend und innert Sekunden blockiert oder teilweise abgewertet werden. Was wie eine Fantasie aus einem Science-Fiction-Film anmutet, könnte schnell Realität werden.

Die jüngste Geld- und Verschuldungspolitik vieler Staaten (die grossen Notenbanken kaufen die Schulden des Staates in Form von Staatsanleihen gleich bei der Emission auf, die EU-Länder halten sich seit Jahrzehnten nicht an die vereinbarten, gesetzlichen Schulden- und Stabilitätsziele) zeigt, dass Regierungen rasch kreativ werden, wenn das Geld knapp wird.

Transparenz ist grundsätzlich ein positiver Zustand. Bezüglich des digitalen Geldumlaufs werden aber schnell Parallelen zum totalen Überwachungsstaat im Stil von «1984» augenfällig. Die zentrale Kontrolle und Programmierbarkeit des Geldes sowie der Wegfall des Datenschutzes würden die persönliche Freiheit markant einengen.

Obwohl die Bürger kein Interesse an CBDC zeigen und diese kaum verwenden (dort, wo sie bereits eingeführt sind), arbeiten die Notenbanken zielstrebig an der Entwicklung weiter. Viele Institute, darunter auch die SNB, betonen, dass es keine Pläne gebe, Retail-CBDC einzuführen. Doch die Möglichkeiten, die sich durch digitale Zentralbankwährungen bieten, sind für Währungshüter und den Staat, gerade in Krisenzeiten, verlockend. Dabei kommt einem ein Ereignis aus dem einstigen «Überwachungsstaat» DDR in den Sinn. Im Juni 1961 sagte der Vorsitzende des Zentralkomitees, Walter Ulbricht, noch: «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten». Zwei Monate später wurde die Mauer errichtet.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Und täglich grüsst die ETF-Verschiebung

Die US-Börsenaufsicht SEC zögert eine Entscheidung über den beantragten Invesco Galaxy Ethereum Spot ETF hinaus. Anfang Woche verlängerte die Behörde die Frist um weitere 60 Tage. Damit fällt das Urteil zur Zulassung für diesem börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Fund, ETF), der die Entwicklung des Ether-Kassakurses abbildet, spätestens weitere 60 Tage später, am 5. Juli. In den vergangenen Monaten hatte die SEC die Entscheidungen über die Anträge aller acht potenziellen Ether-ETF-Emittenten verschoben. Darunter befinden sich unter anderem Blackrock, Fidelity, Franklin Templeton, Hashdex und Ark 21Shares.

Diese Entwicklung hat die Hoffnungen auf eine Ether-ETF-Genehmigung deutlich reduziert. Der ETF-Experte des Nachrichtendienstes Bloomberg, Eric Balchunas, senkte seine angenommene Wahrscheinlichkeit für eine Zulassung durch die SEC bis Ende Mai von 70 Prozent auf nur noch 25 Prozent. Die letzte Frist für einen Entscheid für den VanEck-ETF-Antrag läuft am 23. Mai aus. Dieser Tag ist für viele Beobachter damit zum entscheidenden Tag für Ethereum-ETF geworden.


Kraken kommt nach Deutschland

Ab Mitte Juli startet Kraken, die älteste und bekannteste Kryptobörse der Welt, ihr Angebot in Deutschland. Dazu geht die US-Börse eine strategische Partnerschaft mit DLT Finance ein. DLT ist eine von der Finanzaufsicht Bafin zugelassene Wertpapierfirma und Verwahrstelle für Krypto-Assets. Die Zusammenarbeit ist mit Hinblick auf den neuen europäischen Regulierungsrahmen erfolgt.

Ab 2025 tritt die «Markets in Crypto-Assets Regulation» (MiCAR) in Kraft. Die EU-Verordnung vereinheitlicht die Krypto-Asset-Regulierung in der EU und sieht unter anderem vor, dass Kryptobörsen von einer zuständigen Behörde lizenziert und genehmigt werden müssen. Der US-Konkurrent Coinbase ist in Deutschland bereits mit einer eigenen Lizenzen der Bafin tätig. Der Handel über Krypto-Börsen ist gesamthaft gesehen in den vergangenen Monaten rückläufig. Immer mehr Investoren verwalten ihre Kryptos selbst auf einem eigenen Wallet – der entscheidende Faktor dürfte aber die Einführung von Krypto-ETF in den USA gewesen sein. Dadurch können Interessierte einfach mit bekannten Instrumenten in den Sektor investieren.

MEHR ZUM THEMA


Verliert der Bitcoin seine Seele…

… oder verhelfen die neuen Protokolle wie Ordinals und Runes zu bahnbrechenden Anwendungen und einer breiteren Akzeptanz? Drei Experten ordnen ein. +++ Dazu: Blackrock wartet auf grossen Fische; Tether erzielt Rekord-Quartalsgewinn.
3. Mai 2024

Die wunderbare Welt der Cathie Wood

Die bekannte US-Tech-Investorin kommt ins Zürcher Kaufleuten zu «Drinks and Canapés», dabei wird Stimmung für die Lancierung der ARK-Fonds in Europa gemacht. Es zeigt sich: Glaube und Marketing sind wichtiger als Performance.
1. Mai 2024

Bietet die UBS ihren Kunden schon bald Bitcoin-ETFs an?

Die Schweizer Grossbank soll sich ein Rennen mit Morgan Stanley liefern, wer zuerst Bitcoin-Indexfonds in die Angebotspalette aufnimmt.
12. April 2024

GenTwo-CEO: «Assetization ist die Zusammenführung der traditionellen Finanzbranche und des Crypto Valleys»

GenTwo-Chef Philippe Naegeli sagt im Interview: «Die Assetization ist heute dort, wo die ETF vor zwanzig Jahren standen.» +++ Dazu: SNB arbeitet an globalem Digitalgeld-Projekt der BIZ mit +++ Der Bitcoin verliert seine Stabilität
5. April 2024

Ist der Bitcoin politisch - steht er am rechten Rand?

Die Vorwürfe sind happig: Rechtsextremisten, Anarcho-Kapitalisten und Umstürzler sollen die Kryptowährung vereinnahmen.
22. März 2024