Lohnpolitik
Hohe variable Lohnbestandteile seien sinnvoll, sagt der scheidende ZKB-Chef. Aber es brauche dafür ein “vernünftiges Modell” und die richtigen Mitarbeitenden.
2. Juni 2022 • Beat Schmid

Nach 15 Jahren gibt Martin Scholl im Herbst sein Amt als ZKB-Chef ab. Zwar bleiben ihm noch ein paar Monate bis zum 1. September, doch schon jetzt befindet er sich auf einer Interview-Abschiedstournee. Heute tritt er in der NZZ auf, die ihn als “atypischen Bankenchef” beschreibt, weil er fast seine ganze Berufskarriere bei demselben Institut verbrachte. Als Lehrling fuhr er mit dem Puch Maxi in die Bankfiliale zur Arbeit – als CEO braust er mit seinem Audi A4 aus der City nach Hause. (Ob er immer noch einen A4 fährt, wissen wir nicht. Lange war es so.)

15 Jahre war er an der Spitze der Bank. Es waren mehr oder weniger skandalfreie Jahre. Die Bank ist in dieser Zeit gewachsen (plus 15 Prozent bei den Beschäftigten; 80 Prozent mehr Hypotheken; 300 Milliarden Franken mehr Kundenvermögen). Man kann die ZKB also als eine durchaus nachhaltig geschäftende Bank bezeichnen.

Die wichtigsten Gründe für den Erfolg seien: “Erstens ist Banking ein Handwerk, das man verstehen sollte, und das nehme ich für mich und meine Mitarbeiter in Anspruch. Zweitens kommt es auf die Kultur an: Unsere Mitarbeiter schauen hin und handeln bei Problemen. Drittens kommt eine den Kantonalbanken inhärente Bescheidenheit dazu. Die Kunden schätzen eine Bank, die keine Schlagzeilen produziert, ob gute oder schlechte.”

“Entweder geht es allen gut oder allen schlecht”

Dazu passt auch die Lohnpolitik der viertgrössten Bank der Schweiz, die sich vollständig im Besitz des Kantons Zürich befindet. Scholl findet, dass aus Arbeitgebersicht hohe variable Lohnbestandteile sinnvoll seien. Es brauche dafür ein vernünftiges Modell und Mitarbeiter, die mit diesen Anreizen umgehen könnten, sagt er im NZZ-Interview (Artikel bezahlpflichtig). “Bei der ZKB haben wir eine klassische Gewinnbeteiligung, von der Geschäftsleitung bis zur Basis.” Ein Teil des Gesamtbankergebnisses werde als variabler Lohnbestandteil ausbezahlt. Niemand könne seinen Bonus optimieren, es gehe “entweder allen gut oder allen schlecht”.

Die Leistung einzelner Abteilungen spielt bei der ZKB “absolut keine” Rolle, sagt Scholl. “Niemand bei uns kann allein Erfolg haben. Jeder braucht den anderen.” Vor sechs Jahren entkoppelte die Bank Mitarbeiterbeurteilungen und individuelle Zielsetzungen von der Höhe der Entschädigung. Nur die wenigsten Banken dürften ein ähnliches Modell haben. Martin Scholl sagt: “Viele meiner Kollegen in anderen Banken sagen mir, sie würden das auch gern so handhaben. Deren Entschädigungsmodelle sind zu komplex und viel zu eng mit den Einzelergebnissen verknüpft.”

Auch Hilti setzt auf “zielunabhängige Kompensationsmodelle”

In der Fachwelt würde mal von einem “zielunabhängigen Kompensationsmodell” sprechen. Im Unterschied zu Pay-for-Performance-Modellen setzt der zielunabhängige Ansatz nicht auf extrinsische Motivationsfaktoren, sondern auf intrinsische. In einem Experiment testete die Liechtensteiner Industriegruppe Hilti ein zielunabhängiges Kompensationsmodell bei einer Verkaufsabteilung, wie Tippinpoint berichtete. Die Ergebnisse waren verblüffend. Das Verkaufswachstum erhöhe sich, die Mitarbeiter waren zufriedener. Individuelle Boni hätten früher oftmals zu Frustrationen geführt, haben die Forscher der Uni St. Gallen festgestellt, welche die Studie bei Hilti durchführten.

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