Am Sonntag kam es zum Bruch. Der britische Erdölkonzern BP gab bekannt, sich per sofort vom russischen Ölkonzern Rosneft zurückzuziehen. Die Briten reagierten damit auf den zunehmenden Druck wegen ihrer Beteiligung am grössten russischen Rohölförderer, der gleichzeitig auch wichtigster Treibstofflieferant der russischen Armee ist. Rosneft liefert unter anderem Kerosin für die Luftwaffe.
Seit 2013 halten die Briten eine Beteiligung von 19,75 Prozent. Das Engagement brachte die britische Regierung in Verlegenheit, die offiziell einen harten Sanktionskurs gegen Russland fährt. Letzten Freitag hatte sie Bernard Looney, den Konzernchef von BP, zu Gesprächen einbestellt.
BP soll sofort aus dem russischen Energiemarkt aussteigen
Oppositionspolitiker hatten BP bereits zuvor aufgerufen, sich so schnell wie möglich von der Beteiligung zu trennen und komplett aus dem russischen Energiemarkt auszusteigen. Ed Davey, der Vorsitzende der Liberal Democrats, verlangte, dass BP das Investment “mit sofortiger Wirkung” beende. Für ihn sei es völlig inakzeptabel, dass britische Unternehmen nach dem illegalen Überfall auf die Ukraine an ihren russischen Investitionen festhalten und weiterhin davon profitierten, sagte er.
BP kam schon früher unter Beschuss wegen Rosneft, die bereits 2014 nach der Annektion der Krim auf die Sanktionsliste gesetzt wurde. Doch die Beschränkungen wurden so ausformuliert, dass Rosneft weiterhin Öl und Gas exportieren konnte. Lediglich das Wachstum des Unternehmens sollte beschränkt werden.
Die Beteiligung entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem äusserst lukrativen Investment. Letztes Jahr strich BP einen Gewinn von 2,4 Milliarden Dollar und eine Dividende von 640 Millionen Dollar ein. BP-Chef Looney dufte trotz Sanktionen seinen Sitz im Rosneft-Verwaltungsrat behalten. Verwaltungsratspräsident ist der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Der russische Staat hält 40 Prozent an Rosneft.
Am Sonntagabend gab BP nun das Ende des Engagements bekannt. Looney trete per sofort aus dem Gremium aus. Der frühere BP-CEO Bob Dudley solle ebenfalls das Board verlassen.
An den Beteiligungsverhältnissen hat sich vorerst noch nichts geändert. BP betrachte das Engagement nur noch als reine Finanzbeteiligung, was zur Folge hat, dass der Konzern in diesem Quartal einen Abschreiber von bis zu 25 Milliarden Dollar verbuchen muss. BP machte am Sonntag keine weiteren Angaben, wie und wann die Rosneft-Beteiligung abgestossen werden soll.
Mit Putin, Jack Ma und Vekselberg im Stiftungsrat
Die Verflechtungen von BP mit Russland haben eine 30-jährige Geschichte und gehen weit über das Ölgeschäft hinaus. So wurde Looney in den Stiftungsrat der Russischen Geografischen Gesellschaft gewählt. Die 1845 in Sankt Petersburg gegründete Stiftung sieht sich unter anderem dem Schutz des kulturellen Erbes des Landes verpflichtet. Im Gremium sitzen bekannte Persönlichkeiten wie Fürst Albert von Monaco, Alibaba-Gründer Jack Ma oder die beiden Industriellen Viktor Vekselberg und Oleg Deripaska. Der Präsident des Stiftungsrats ist Wladimir Putin. Wie am Sonntag ebenfalls bekannt wurde, wird Looney nun das Gremium verlassen.
Von den BP-Aktionären gab es im Vorfeld kaum Druck. Die “Financial Times” zitierte einen Insider, der sich zwar besorgt zeigte, aber gleichzeitig davor warnte, die Beteiligung zu verkaufen. Wolle man wirklich an einen Investor verkaufen, der jetzt zukaufen möchte? Die Rosneft-Aktie hat seit Ausbruch der Kriegshandlungen 40 Prozent verloren. Aus Aktionärssicht kein idealer Zeitpunkt, das Paket zu veräussern.
“Schauen wir mal, was passiert”
BP-Chef Looney zeigte sich bis vor kurzem noch unbeeindruckt: “Schauen wir mal, was passiert. Es gibt schon heute Sanktionen, die wir einhalten”, sagte er. Andere britische Abgeordnete sagten, dass es nicht im Interesse des Landes sei, BP aus dem rechtmässigen Vertrag mit Rosneft herauszudrängen, zumal BP ja nur ein passiver Investor sei.
Der angekündigte Ausstieg von BP bedeutet nicht das Ende von russischem Öl oder Gas in Europa. Der Rauswurf aus dem Swift-System betrifft Transaktionen mit Energiegeschäften nicht. Man will scheinbar um jeden Preis verhindern, von russischem Öl und Gas abgeschnitten zu werden. Und solange der Brennstoff Richtung Europa fliesst, so lange fliesst Geld nach Russland zurück.
Der norwegische Staatsfonds will sich von allen russischen Vermögenswerten trennen. Per Ende 2021 hatten diese einen Wert von umgerechnet 2,9 Milliarden Schweizer Franken. Der Fonds, der mit einem Volumen von 1300 Milliarden Dollar zu den weltweit grössten Staatsfonds zählt, hält Anteile von 47 russischen Unternehmen sowie Staatsanleihen.