Die beiden einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfehlen den Credit-Suisse-Aktionären, den Mitgliedern von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung die Entlastung für das Jahr 2020 zu verweigern. Beide begründen in ihren sogenannten Proxy-Reports den Schritt mit zahlreichen Rechtsfällen und Untersuchungen. Die Generalversammlung der CS findet am 29. April statt.
Ende März forderte die Ethos-Stiftung CS-Präsident Axel Lehmann auf, den Greensill-Fall aus der Décharge-Abstimmung auszuklammern. Damit solle verhindert werden, dass sich die Führung im Fall von Greensill reinwaschen kann. Ethos und andere Investoren kritisierten, dass Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann den Untersuchungsbericht zum Greensill-Debakel unter Verschluss behält.
Die Empfehlungen von ISS und Glass Lewis gehen deutlich weiter. In den Berichten verwiesen sie auf “eine Reihe von Untersuchungen und Verfahren”, in welche die Bank involviert ist. Glass Lewis nannte die beiden Fälle Archegos und Greensill, welche “erhebliche finanzielle Verluste sowie den Ruf der Bank beschädigt haben”.
Ein ganzer Strauss von Verfehlungen und Skandalen
Die Investoren könnten die Firmenspitze für die festgestellten Mängel bei den Risiko- und Kontrollmechanismen durchaus verantwortlich machen, schreibt Glass Lewis. “Wir glauben, dass es nicht im Interesse der Aktionäre ist, den Mitgliedern des Verwaltungsrates und der Geschäftsführung zu diesem Zeitpunkt die Décharge für das Geschäftsjahr 2020 zu erteilen.”
ISS begründet die Décharge-Verweigerung mit “einer Reihe von Risiko- und Kontrollproblemen, die durch Untersuchungen und Vergleiche aufgedeckt wurden”. ISS nennt folgende Skandale und Rechtsfälle:
- die Vergleichszahlung von 475 Milliarden Dollar wegen "Thunfisch-Anleihen" in Moçambique;
- der Handelsverlust in Zusammenhang mit Archegos von 5,5 Milliarden Dollar;
- der Abgang von Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório wegen Verstössen gegen Corona-Auflagen und “übermässiger Benutzung” eines Privatjets;
- das Verfahren mit einem bulgarischen Mafioso und Kokain-Dealer;
- die sogenannte Swiss-Leaks-Affäre, bei welcher der Bank mutmasslich 30’000 Kundendaten gestohlen wurden.
Urs Rohner wartet immer noch auf die Décharge
Letztes Jahr verzichtete die Bank auf die Décharge, da die Generalversammlung unmittelbar nach den Pleiten von Greensill und Archegos stattfand. Obwohl die Abstimmung weitgehend symbolisch ist, ist sie ein wichtiges Stimmungsbarometer für die Unternehmensleitung.
Zu den Personen, denen die Entlastung noch nicht erteilt wurde, gehören neben den aktuellen Mitgliedern des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung unter anderem auch die beiden früheren Präsidenten Urs Rohner und Horta-Osório.
Interessant ist, dass beide Stimmrechtsberater den Antrag der Ethos-Stiftung ablehnen, einen unabhängigen Sonderprüfer zu ernennen, um die Hintergründe der Greensill-Fonds und der "Swiss Leaks"-Affäre zu durchleuchten. Die Kosten und Unsicherheiten würden die potenziellen Erkenntnisse überwiegen, schreibt Glass Lewis. ISS warnt davon, dass zusätzliche Offenlegungen die laufenden Gerichtsverfahren beeinflussen könnten sowie die Chancen schmälern würden, die fehlenden 2,7 Milliarden Dollar in den Greensill-Fonds wiederzuerlangen.
UBS musste 2019 eine Schlappe einstecken
Seit Anfang 2020 hat sich die Krise bei der Credit Suisse verschärft. Letztes Jahr wies sie einen Verlust von 1,7 Milliarden aus und nahm 1,9 Milliarden frisches Kapital auf. Die Aktien des Unternehmens sind seit Anfang 2020 um 36 Prozent gefallen. Im gleichen Zeitraum legten die Titel der UBS um 38 Prozent zu.
Die Credit Suisse nahm die Empfehlungen gestern zur Kenntnis. Spannend wird sein, wie sie nun darauf reagiert. Gut möglich ist, dass sie die Entlastung fürs Jahr 2020 wieder streicht. Im Jahr 2019 verweigerten die Aktionäre der UBS-Führung überraschend die Entlastung. Damals verwiesen Beobachter auf den wachsenden Einfluss von Glass Lewis und ISS. Das war eine schwere Niederlage für den damaligen Präsidenten Axel Weber.
