Muss auch Thomas Gottstein gehen?
Die Bank ventiliert erstmals mögliche personelle Veränderungen an der Konzernspitze. Der Druck auf Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann steigt.
24. April 2022 • Beat Schmid

In der Credit Suisse brennt’s. Chefjurist Romeo Cerutti, Finanzchef David Mathers und Helman Sitohang, CEO der Region Asien-Pazifik, sollen die Bank verlassen und Platz schaffen für unverbrauchte Kräfte, die das ramponierte Image der Bank aufpolieren sollen.

Die Bank bestätigt auf Anfrage, dass Personalwechsel im Top-Management ein Thema sind. “Über die letzten Monate hat die Credit Suisse die Implementierung ihrer neuen Strategie und Organisationsstruktur, wie im letzten November kommuniziert, fortgesetzt”, schreibt Sprecher Dominik von Arx.

Als Teil dieser Arbeit beschäftige sich die “Geschäftsleitung unter der Führung des Chief Executive Officer” gemeinsam mit dem Verwaltungsrat regelmässig mit dem Thema “Nachfolgeplanung und Ernennungen für gewisse leitende Positionen”, schreibt er weiter. Diese würden unter anderem “bestimmte juristische Einheiten, Regionen und potenzielle Geschäftsleitungspositionen” betreffen. “Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Verwaltungsrat noch keine Entscheidung getroffen hat, und wir werden zu gegebener Zeit kommunizieren”, sagt von Arx.

Gottstein ergreift die Flucht nach vorn

Ein derart ausführliches Statement zu möglichen Veränderungen in der Geschäftsleitung ist unüblich. Normalerweise verteidigen Medienstellen den Status quo bis zum Zeitpunkt, an dem die personellen Wechsel effektiv stattfinden. Diese forsche Kommunikation trägt die Handschrift von Konzernchef Thomas Gottstein. Gemäss Insidern war es er, der mit dem Vorschlag, die Spitzenmanager auszutauschen, in den Verwaltungsrat ging.

”Gottstein ergreift damit auch die Flucht nach vorn, um nicht selbst den Job zu verlieren”, sagt ein ranghoher Banker. Mit diesem Vorgehen setzt Gottstein insbesondere Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann unter Druck. Kommt dieser dem Wunsch seines CEOs nach? Oder hat er andere Pläne? Er muss sich entscheiden.

Will Lehmann die Bank von Grund auf erneuern, müsste er eigentlich als erstes seinen Konzernchef ersetzen. Für diesen Schritt gäbe es gute Gründe: Als Krisenmanager hat Gottstein in den letzten 12 Monaten eine überaus schlechte gute Figur gemacht. Alle wichtigen Indikatoren der Bank sind unter ihm in atemberaubender Geschwindigkeit in den Keller gerast. Der Aktienkurs fiel auf 7 Franken, das Kurs-Buchverhältnis auf 40 Prozent. Die Aufräumarbeiten der Greensill- und Archegos-Skandale lassen Leadership vermissen. Die ständigen Rückstellungen und Gewinnwarnungen hinterlassen einen desolaten Eindruck. Nun droht die Krise auf das Kerngeschäft überzugreifen.

Der in der “NZZ am Sonntag" (Artikel bezahlpflichtig) kolportierte Rücktritt von Finanzchef David Mathers ist in diesem Zusammenhang brisant. Kaum einer kennt die Bank so gut wie der Brite. Warum sollte sich Gottstein gerade jetzt von ihm trennen wollen? Eigentlich ergibt das keinen Sinn. Eine Absetzung von Mathers würde einzig dem Machterhalt von Gottstein dienen. Er würde damit seine Position als CEO absichern.

Die anderen Wechsel sind überfällig. Rechtschef Romeo Cerutti hat mit der von ihm mitgetragenen Strategie der harten Konfrontation erheblich zu den jüngsten Problemen beigetragen. Für ihn soll Urs Diethelm kommen, der vor kurzem als Rechtschef bei UBS abgesetzt wurde. Diethelm ist aber bereits 65 Jahre alt. Der Rücktritt von Asienchef Helman Sitohang wäre ebenfalls keine Überraschung. Ihm wurde die Nähe im Greensill-Skandal zum Verhängnis.

Geht der Verwaltungsrat auf die Vorschläge ein, ist davon auszugehen, dass die Credit Suisse möglicherweise bereits am Dienstag die Wechsel kommunizieren wird. Auf jeden Fall wird die Bank dies vor dem Mittwochmorgen tun. Dann wird sie die Zahlen für das erste Quartal veröffentlichen. Geht der Verwaltungsrat nicht darauf ein, wäre dies eine Desavouierung von Gottstein.

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