Welches sind wichtigsten Medien Deutschlands? “Der Spiegel”, das “Handelsblatt”, die “Frankfurter Allgemeine” – sie gehören bestimmt dazu. Wenn sie über eine Firma schreiben, dazu eine kleine Finanzfirma aus der Schweiz, dann muss das ziemlich wichtig sein. Und das haben sie getan: Alle drei Leitmedien berichteten ausführlich über das Zürcher Startup Invoya und wie es sich als “kleiner, aber umso aktiverer Investor” (“Handelsblatt”) bei den Bayrischen Motorenwerken ins Spiel bringe.
Gemäss “FAZ” “knöpft” sich da ein “eher kleinerer Aktionär” einen DAX-Konzern vor, “um dort Veränderungen anzustossen”. Laut dem “Spiegel” laufe der Traditionskonzern aus München Gefahr, zum “Blackberry der Automobilindustrie” zu werden. Die Initiative der Schweizer stehe für “das sogenannte Impact-Investing”, das es Anlegern ermögliche, direkt Einfluss auf Konzerne zu nehmen und sie auf einen klimafreundlicheren Weg zu drängen. “BMW ist der erste Musterfall”, so der “Spiegel”.
“Kecke Sprüche und noch keckere Vorhaben”
Auch Schweizer Medien berichteten ausführlich. Die “HandelsZeitung” schrieb, der kleine Schweizer David gehe “voll auf Konfrontationskurs” mit dem grossen deutschen Goliath. “Mit kecken Sprüchen und noch keckeren Vorhaben.”
“BMW macht uns Sorgen”, sagte Inyova-Gründer Tillmann Lang gegenüber dem “Tages-Anzeiger”. Die bayerische Firma galt einst als Pionier in der E-Mobilität, habe aber in den letzten Jahren den Anschluss verloren.
Weil BMW die Aktivisten “abperlen” liess, und lediglich ein “nichtssagendes Gespräch” mit der Investor-Relations-Abteilung zustande kam, wie der “Spiegel” schrieb, habe Inyova die “Taktik geändert und kurzerhand” die Mobilitätsforscherin Susan Shaheen von University of California in Berkeley zur Wahl in das BMW-Kontrollgremium vorgeschlagen. Im “Spiegel” bekam Inyova Schützenhilfe von einem UBS-Analysten, der die Strategie von BMW als “Wischiwaschi” betitelte. Das Nachrichtenmagazin widmete Shaheen ein ganzseitiges Portrait.
Am Tag der Abrechnung geschah – nichts
Der Tag der Abrechnung war gestern. Und es geschah – nichts. Der deutsche Diplomingenieur Heinrich Hiesinger, den Shaheen aus dem Amt bugsieren sollte, erhielt 99,4 Prozent der Aktionärsstimmen. Gegen ihn stimmten 0,6 Prozent. Der Name von Shaheen tauchte in den Abstimmungsresultaten nirgends auf. Eigentlich eine peinliche Niederlage für die Aktivisten von Inyova, die dem “Spiegel” sagten, dass die Reaktionen von institutionellen Investoren auf die Kandidatur “sehr positiv” seien.
Gemäss deutschem Aktienrecht hat jeder Aktionär vor einer Hauptversammlung (Generalversammlung) die Möglichkeit, einen sogenannten Gegenantrag gegen einen Vorschlag des Aufsichtsrats (Verwaltungsrat) zu stellen. Dieser wird dann zu dem entsprechenden Geschäft dazugestellt. Der Clou ist, die Gegenanträge, mögen sie noch so chancenlos sein, werden auf der Website veröffentlicht und damit allen Aktionären und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
“Gefällt sich da ein Startup in der Rolle eines aktivistischen Investors à la Daniel Loeb von Third Point oder Paul Singer von Elliott Management?” fragte die “HandelsZeitung” vor ein paar Wochen. Vollziehe Inyova einen “reinen PR-Stunt”, um “im grellen Rampenlicht” eines grossen Konzerns die eigene Bekanntheit zu steigern?
Diese und andere Fragen hat Tippinpoint am Dienstag dem Gründer Tillmann Lang gestellt. Zunächst stellte er Antworten bis Mittwoch in Aussicht, dann meldete sich eine Sprecherin, dass man die Fragen erst am Freitag beantworten könne – wenn die Resultate der Hauptversammlung vorlägen. Doch diese sind seit gestern online abrufbar.
Erfolgreiches Crowdfunding abgeschlossen
Bereitwilliger Auskunft gab Tillmann Lang vor ein paar Wochen, als seine Firma ein Crowdfunding startete. Innerhalb kurzer Zeit wurden dem Unternehmen über sieben Millionen Franken an Eigenkapital zugesichert. Lang sagte, dass es “nicht besser hätte laufen” können. “Wir sind wirklich sehr stolz und überwältigt, dass sich mehr als 2500 Mitglieder unserer Community als neue Miteigentümerinnen und Miteigentümer an Inyova beteiligen wollen”, sagte er.
Inyova bietet eine App für nachhaltiges Investieren, die von 1900 Kunden mit einem Anlagevolumen von rund 170 Millionen Franken genutzt wird. Es gibt einen Sparplan und ein 3.-Säule-Konto. Die 2017 gegründete Firma spannt mit der Saxo Bank zusammen. Durch den Verkauf der Aktien ist sie mit rund 75 Millionen Franken bewertet. “Die Crowd” sei nach den Gründern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die grösste Aktionärin, sagte Lang.
Inyova habe “den Anspruch, das Finanzsystem zu demokratisieren”. Sie sei jetzt eine Firma, die über 2500 Aktionärinnen und Aktionären gehöre, die nicht nur am Gewinn partizipieren, sondern echte Eigentümer mit Stimmrechten seien. Inyova habe schon immer über die Community funktioniert. Empfehlungen seien der Haupttreiber des Neukundenzuflusses. “Diese Dynamik wollten wir mit dem Crowdinvesting noch verstärken. Das hat grandios geklappt”, sagte er.
Genauso grandios ging die PR-Strategie bei BMW auf.