Übernahmegerücht
J. Safra Sarasin soll EFG International übernehmen. Das macht auf den ersten Blick Sinn, auf den zweiten nicht.
23. August 2022 • Beat Schmid

Derzeit geht das Gerücht, dass die Züricher Privatbank EFG International einen Deal mit der schwerreichen brasilianischen Bankiersfamilie Safra anstrebe, beziehungsweise mit ihrer Bankengruppe J. Safra Sarasin. Dieses Gerücht wird seit einigen Wochen am Paradeplatz herumgeboten, öffentlich gemacht hat es Finews.ch am Montag.

Ist da was dran? Auf den ersten Blick ist es der Perfect Match. Die beiden Banken passen zusammen wie zwei Legobauklötze. Auf der einen Seite EFG International, die von der griechischen Besitzerfamilie Latsis kontrolliert wird. Diese soll sich nach Optionen für ihr Schweizer Asset umschauen, da sie schon länger nicht mehr zufrieden ist mit der Performance der Bankengruppe, heisst es.

Kommt hinzu, dass sich das Familienvermögen der Latsis wegen anderen Beteiligungen in den letzten Jahren stark zurückgebildet hat. Aktuell wird die Familie von der "Bilanz" auf 3 bis 3,5 Milliarden Franken geschätzt. Es war schon mehr als das Doppelte.

80 Millionen Franken schnell verdoppeln

Darum hat die Familie auch bei Boris Collardi angeklopft. Dem 48-jährigen Comeback-Banker wird so ziemlich jeder Deal zugetraut, der sich auf dem Schweizer Finanzplatz anbietet. Er hat im Frühling für 3,6 Prozent der EFG-Aktien etwa 80 Millionen Franken bezahlt. Boris sei nicht der Typ, der irgendwo sein Geld investiere und dann zuschaue, was damit geschehe, sagt ein Zürcher Banker. “Er möchte seine eingesetzten Millionen möglichst schnell verdoppeln.”

Und, letzter Punkt, EFG hat mit BTG Pactual einen Grossaktionär (23,9 %) an Bord, der aus Brasilien stammt. Dies wiederum führt zu der Safra-Familie, die ebenfalls ihre Wurzel in Brasilien hat. Das passt.

Was auch passt: Der Safra-Clan verfügt über sehr viel Geld. Mit einem Vermögen von 16 Milliarden Dollar gilt sie als die vermögendste Bankerfamilie der Welt. Sie könnte EFG ohne Probleme schlucken: Bei einem Aufpreis von 30 Prozent auf die aktuelle Marktkapitalisierung von 2,5 Milliarden Franken müsste Safra also 3,25 Milliarden auf den Tisch legen.

“Einmal Dividende von Chiquita einsetzen”

“Safra müsste dafür einmal die Dividende von Chiquita einsetzen”, sagt ein Insider. Zusammen mit dem brasilianischen Safthersteller Cutrale kontrolliert die Safra-Gruppe den grössten Bananen-Produzenten der Welt.

Doch ergibt das wirklich alles Sinn? Es gibt mehrere grosse Haken an der Geschichte.

Der grösste: J. Safra Sarasin ist zu 100 Prozent in Familienbesitz. Sie ist also nicht an der Börse gelistet. EFG würde nach der Übernahme von der Börse genommen. Das ist jedoch nicht im Sinn der Latsis-Familie. Mit einem Deal würde sie zwar viel Geld kassieren. Doch was wollen die Latsis damit anfragen? Das Geld muss irgendwo angelegt werden. Aber wo?

Darum: Wenn es zu einer Transaktion kommt, dann würden die EFG-Besitzer einer börsenkotierten Bank den Vorzug geben. Das würde der griechischen Familien erlauben, einen Anteil an der neuen Bank zu erwerben und möglicherweise mit einem oder zwei Vertretern in den Verwaltungsrat einzuziehen. Gemäss einem Insider wäre das ein mögliches Wunschszenario der Latsis-Familie, die aktuell von John Spiro Latsis im EFG-Verwaltungsrat vertreten wird. Es könnte auch das Wunschszenario von Boris Collardi sein.

Boris Collardi wird am 31. Oktober im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung in den Verwaltungsrat von EFG gewählt. Wenn schon jetzt Spekulationen auftauchen, kann das ihm und den Latsis nur recht sein. Nach vielen Jahren der gepflegten Langeweile kommt endlich Phantasie in die Titel.

Seit dem angekündigten Einstieg des früheren Julius-Bär-Chefs sind die Aktien von 7,41 auf 8,22 Franken gestiegen. Seit Anfang Jahr beträgt das Plus 17,6 Prozent. Auch ohne Übernahme läuft es derzeit nicht schlecht EFG und ihre Besitzer.

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