Gastbeitrag von Nicolas Mougeot
Eine an ChatGPT gestellte Frage benötigt für ihre Beantwortung rund 300-mal mehr Energie als eine ähnliche Anfrage bei Google. Doch künstliche Intelligenz könnte auch dazu beitragen, die CO₂-Bilanz vieler Branchen zu verbessern.
20. März 2023 • Nicolas Mougeot

Es scheint momentan fast unmöglich, sich dem Phänomen ChatGPT entziehen zu können. Zugegeben, diese von der Firma OpenAI entwickelte künstliche Intelligenz (KI) gibt wirklich erstaunlich kohärente Antworten auf unterschiedlichste Fragen. Vom aktuellen Medienrummel abgesehen, könnte die Entwicklung dieser KI langfristig die wirtschaftliche Produktivität in vielen Bereichen massgeblich beschleunigen – Schätzungen gehen von einem Beitrag zum globalen BIP von bis zu 15,7 Billionen US-Dollar bis 2030 aus.

Und wie steht es um die ökologischen Auswirkungen? Wie einige der neueren Technologien könnte KI zusammen oder in Verbindung mit Big Data dazu beitragen, die Produktivität und damit die Umweltbilanz zu verbessern – in einzelnen Sektoren sogar um das Zehnfache. So setzen verschiedene Hersteller von Landmaschinen, wie zum Beispiel John Deere mit ihren berühmten grünen Traktoren, bereits KI ein, um den Ackerbau zu optimieren, zum Beispiel durch den Einsatz von Drohnen, die trockene Flächen visualisieren und so dazu beitragen, die Bewässerung zu optimieren. Oder durch die Entwicklung hochauflösender Kameras, die zwischen Nutzpflanzen und Unkraut zu unterscheiden verstehen und damit den Einsatz von Düngemitteln minimieren helfen.

Durch den Einsatz einer verbesserten Haustechnik verbunden mit intelligenten Zählern (Smart Meter) könnte auch die CO₂-Bilanz unserer Häuser und Büros verbessert werden, während der Bereich Transport und Logistik von effizienteren und autonom fahrenden Fahrzeugen profitieren könnte.

Mögliche Konsequenzen einer CO₂-Steuer

Trotzdem, auch diese neuen Technologien haben ein ökologisches Preisschild und dasjenige für ChatGPT könnte sich sogar als zu teuer erweisen, falls darauf eine CO₂-Steuer erhoben würde. Denn wie eingangs erwähnt, verbraucht eine an ChatGPT gestellte Frage im Vergleich zu Google ein Vielfaches an Energie. Hinzu kommt, dass die Entwicklung und das Training, also die Weiterentwicklung, von künstlicher Intelligenz teuer ist, da sie neben enormen Rechenleistungen auch riesige Datenbanken benötigen. Ohne also gleich den Zeigefinger erheben zu wollen; eine Studie der University of California schätzt, dass GPT-3, das Modell hinter ChatGPT, auf rund 175 Milliarden Parametern beruht und dass dessen Entwicklung rund 552 Tonnen CO₂-Äquivalent verursacht hat – was etwa 550 Flügen von Genf nach New York entspricht.

Kommt bald eine Steuer auf ChatGPT?

Der CO₂-Fussabdruck neuer Technologien ist also nicht unbedeutend und es stellt sich deshalb meist auch bald die Frage nach einer steuerlichen Behandlung. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass KI grösstenteils von amerikanischen oder chinesischen Firmen entwickelt worden ist, sollte man sich auch fragen, welche konkreten Auswirkungen deren Einsatz auf die Schweiz und Europa haben könnte.

So hat die Europäische Union im Dezember letzten Jahres angekündigt, bis 2027 eine Art CO₂-Ausgleichsmechanismus auf Importe einzuführen. Für die Einfuhr von Stahl, Zement, Düngemitteln, Aluminium oder Strom müssen dann CO₂-Emissionszertifikate in dem Umfang erworben werden, als wären die Güter in der EU produziert worden.

Die Schweiz hingegen beschränkt sich bisher darauf, nur fossile Energieträger zu besteuern. Vielleicht könnte eines Tages eine Steuer auf ChatGPT die Entwicklung einer künstlichen “helvetischen” Intelligenz finanzieren helfen?

Nicolas Mougeot ist Head of Investment Strategy and Sustainability bei Indosuez Wealth Management.