Digital Assets Briefing
Der «Swift-Killer» hat noch wenig erreicht – ausser einem hohen Marktwert. Doch die Zukunft soll vielversprechend sein. +++ Dazu: Ether-Update weckt Rallye-Phantasien +++ Bitcoin steigt über 100’000 Dollar – Strategy kauft zu.
9. Mai 2025 • Werner Grundlehner

«Ripple ist bei der Gründung angetreten, ein Crossborder-Zahlungssystem aufzubauen – das hat überhaupt nicht funktioniert», sagt ein deutscher Krypto-Experte gegenüber tippinpoint. Trotzdem hält sich Ripple seit Jahren unter den grössten Kryptowährungen. Ripple sei beim breiten Investorenpublikum stets beliebt gewesen. Wenn man euphorische Privatanleger angesprochen habe, in welchen Coins sie investiert seien, sei neben den üblichen Verdächtigen wie Bitcoin, Ether etc. stets auch Ripple erwähnt worden, sagt der Experte. Dies ist eine Beobachtung, die der Autor teilen kann.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Erfolgreiches Ether-Update weckt Aufhol-Phantasien
• Bitcoin steigt über 100’000 Dollar – Strategy kauft zu



Aber in den vergangenen Monaten scheint die Kryptowährung nun in die grosse Rolle hineinzuwachsen, die ihr die Investoren schon länger zuerkennen. Das zeigt sich auch in der Kursentwicklung. Auf Jahressicht sieht die Kursentwicklung des Bitcoins im Vergleich zu Ripple wie das Höhenprofil von Holland aus.

«Ja und nein», antwortete Pascal Hügli, Crypto Investment Manager bei der Privatbank Maerki Baumann, auf die Frage, ob die 300 Prozent Performance von Ripple seit Januar 2025 gerechtfertigt seien. Denn der Markt habe immer recht, bis er nicht mehr Recht habe… Ein Grund für den Kursanstieg sei die «XRP-Army», die dem Token schon seit Jahren treu sei. Diese «Cult-Communities» seien im Krypto-Bereich nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn sie über Jahre gewachsen seien.

Zugänglich und liquid

«Ripple ist zudem einer der zugänglichsten und liquidesten Coins, die es überhaupt gibt», fügt Hügli an. Der Coin habe auch eine hohe internationale Liquidität, etwa in Korea. Kein anderer Coin hat gemäss Hügli so stark vom regulatorischen und politischen Umschwung in den USA profitiert. Der Coin gelte als «made in the US», die Gründer hätten viel in ihre politischen Beziehungen zum Weissen Haus investiert.

«Ripple ist in der Tat ein spannender Fall: Ich erinnere mich noch gut an früher, als Ripple von fast allen Blockchain-Protokollen eines der ganz wenigen war, die sich von Anfang für die Zusammenarbeit mit Banken ausgesprochen hatten und Regulierung positiv betrachteten», erinnert sich Blockchain-Experte Daniel Diemers, von SNGLR Digital. Der Haupt-Use Case von Ripple sei schon immer grenzüberschreitender Zahlungsverkehr (Cross-Border) gewesen, aber Mitte der 2010er Jahre war das als Thema noch viel zu früh für Banken, erklärt Diemers.

Schon lange im Markt

Der im Jahr 2012 eingeführte Token XRP ist die hauseigene Währung des Unternehmens Ripple Labs. Ripple wurde eingeführt mit dem Ziel, ein relevantes Transaktionsnetzwerk zu etablieren, welches das Bankenzahlungssystem Swift konkurrieren sollte. Ein Vorteil des Ripple-Netzwerks ist die hohe Transaktionsgeschwindigkeit. Der Hauptunterschied zu anderen Kryptowährungen ist, dass Ripple nicht auf einer Blockchain basiert und nicht dezentral gemint wird, sondern durch Ripple Labs im Voraus geschaffen wurde.

Transaktionen im Ripple-Netzwerk werden über Validierungsserver abgewickelt. Diese Server gleichen die erhaltenen und verarbeiteten Informationen ständig mit einer gemeinsamen Datenbank ab. Insgesamt existieren 100 Milliarden Ripple, von denen sich derzeit 49 Milliarden im Umlauf befinden. Die restlichen XRP sind im Besitz von Ripple Labs, allerdings reduziert sich dieser Bestand kontinuierlich. XRP-Token gelangen hauptsächlich durch Verkäufe an Partner, Investoren oder im Rahmen von Partnerschaften auf den Markt.

Ein Auge auf Circle geworfen

Vor Kurzem unterbreitete Ripple ein Übernahmeangebot für den Stablecoin-Anbieter Circle von angeblich 4 bis 5 Milliarden Dollar. Die Offerte sei jedoch als zu niedrig abgelehnt worden. Ripple ist aber weiterhin am Kauf von Circle interessiert. Mit dem USD-Coin emittiert Circle den weltweit zweitgrössten Stablecoin. Der USD-Coin weist eine Marktkapitalisierung von 61 Milliarden Dollar auf und ist insgesamt gesehen die siebtgrösste Kryptowährung der Welt – Ripple rangiert auf Platz 4. Der USD-Coin ist 1:1 an den US-Dollar gebunden. Um diese Deckung zu garantieren, ist jeder Coin mit einem Dollar in US-Staatsanleihen oder Bargeldäquivalenten hinterlegt.

Zahlreiche Anbieter drängen in den Stablecoin-Markt, denn dieser ist hoch profitabel. Aus regulatorischen Auflagen dürfen Zahlungseinheiten nicht verzinst werden, der Ertrag aus der Verzinsung der Sicherheiten verbleibt deshalb beim Emittenten. Circle hat im Geschäftsjahr 2024 so 1,7 Milliarden Dollar eingenommen. Im Oktober des vergangenen Jahres hatte Ripple mit RLUSD einen eigenen Stablecoin lanciert. Dieser hat mittlerweile ein Marktwert von über 300 Millionen Dollar erreicht.

Auf dem Weg zum All-in-One

Das Transaktionsgeschäft ist gemäss Hügli nicht richtig in Schwung gekommen. «Man hört heute noch, dass sie mit allen Banken zusammenarbeiten würden und sie das System revolutionieren würden. Zwar hat das Unternehmen einige Pilotprojekte realisiert, doch sind mir bei Ripple keine Banken mit handfesten Fakten und mehr als einem Proof of Concept bekannt», erklärt der Maerki-Baumann-Experte. Neuerdings setze das Unternehmen auf Stablecoins wie den RLUSD, der aber nicht die Adaption wie andere Stablecoins erreiche. Nun versuche Ripple strategische Player zu kaufen und ein eigenes riesiges Netzwerk für die Distribution aufzubauen.

Die jüngste Akquisitionsstrategie zeige, dass Ripple zu einem integrierten Kryptoanbieter werden wolle, sagt auch der eingangs erwähnte deutsche Krypto-Experte. Im Frühling 2023 erwarb Ripple den Schweizer Krypto-Infrastrukturanbieter Metaco für 250 Millionen Dollar. Vor wenigen Wochen kaufte das Unternehmen zudem den Primebroker Hidden Road für 1,3 Milliarden Dollar.

Im Clinch mit der SEC

In den vergangenen Jahren war der langwierige Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC einer der grössten Bremsfaktoren. Die Behörde verklagte Ripple im Dezember 2020. Der Vorwurf lautete, dass Ripple Labs, das Unternehmen hinter der Kryptowährung, einen unerlaubten Wertpapierhandel betrieben habe. Zunächst entschied ein Gericht im Juli 2023, dass die Verkäufe von Ripple an Privatinvestoren nicht gegen die US-Wertpapiergesetze verstossen würden – der Vertrieb an institutionelle Käufer dagegen schon. Deshalb wurde gegen Ripple eine Buse von 125 Millionen Dollar verhängt. Die Börsenaufsicht war mit dem Ausgang des Gerichtsverfahrens jedoch nicht einverstanden und legte im August 2024 Berufung ein. Diese ist im März zurückgezogen worden.

Wegen Ripples positiver Einstellung gegenüber Regulierung und der Zusammenarbeit mit Banken erachtet es Daniel Diemers schon fast als tragisch, dass Ripple vom SEC angeklagt worden sei. Das ICO, bei dem das Unternehmen rund 1,4 Milliarden Dollar aufnahm, sei als unautorisiertes Wertschriftenoffering einschätzt worden und die Notierung von Ripple sei gecrasht. «Juristisch ist der Ripple-Fall sehr spannend, das Gericht hat nämlich geurteilt, dass der XRP-Verkäufe an institutionelle Anleger durchaus ein Wertschriftenverkauf war, während Kleinanleger, die Ripple über Kryptobörsen gekauft hatten, keine Wertschriftentransaktion gemacht hatten», führt der SNGLR-Digital-Experte aus. Es wurde eine Busse von 125 Millionen Dollar auferlegt, die vor einigen Wochen mit Einfluss von Präsident Trump auf 50 Millionen Dollar reduziert wurde. Gleichzeitig wurde gemäss Diemers bekannt, dass Ripple rund 5 Millionen Dollar an den Wahlkampf von Donald Trump gespendet habe.

Anlageprodukte auf Ripple

Dank dieser rechtlichen Einigung kehren die Anleger mit neuem Vertrauen zurück. Die Dynamik wird durch neue Anlageprodukte weiter befeuert. Die Krypto-Asset-Manager Grayscale, 21Shares und Bitwise haben Zulassungsanträge für Spot-Ripple -ETF gestellt. Die Zulassung wird für Herbst erwartet. Eine solche hat Teucrium Investment Advisors für ein gehebeltes Produkt schon erhalten – für den Teucrium 2x Long Daily XRP ETF. Damit erhalten die Anleger die Möglichkeit, die doppelte Kursbewegung des Ripple zu erzielen. Seit längerem im Markt sind drei futuresbasierte ETF des Anbieters ProShares. Zudem steht die Einführung regulierter XRP-Futures durch die Optionsbörse CME Group kurz bevor.

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump kam für Ripple ein weiterer Treiber hinzu. Weil die US-Regierung auch bei der strategischen Reserve nach dem Prinzip «America First» vorgehen dürfte, kamen Gerüchte auf, dass auch Ripple zusammen mit Solana und dem USD-Coin in diese Reserve aufgenommen würde.

«Aus strategischer Sicht kann man sagen, dass Stand heute die ursprüngliche Vision von Ripple eigentlich gut umgesetzt wurde: XRP ist in der Tat bei recht vielen Cross-Border Anbietern, Kreditkartenfirmen und Banken bereits implementiert und wird auch genutzt», widerspricht Daniel Diemers dem eingangs erwähnten Experten. Andere Anwendungen für Ripple hätten sich aber darüber hinaus noch nicht durchgesetzt.

Andere Zahlungsdienstleister rüsten auf

«Ripple ist im Zahlungsverkehr schon seit fast einem Jahrzehnt ein Challenger, welcher den Status-Quo vom heutigen Korrespondenzgeschäft umkrempeln möchte», sagt Gregor von Bergen, Spezialist für digitale Assets beim Beratungsunternehmen Capco in Zürich. Bisher scheinen bis zu 100 Banken teilzunehmen, um internationale Zahlungen abzuwickeln, fügt er an. Die Durchdringung in der Schweiz sei noch gering. Das Problem beim bisherigen Set-up lag gemäss von Bergen darin, dass die Zahlungen in der nativen Währung XRP-abgewickelt werden mussten. Das hätte das Unternehmen mit Einführung des Ripple-Stablecoin geändert. «Die Übernahme von Circle wäre hier ein Paukenschlag gewesen», sagt der Capco-Experten.

Mit dem Platzen des Circel-Deals komme Ripple nicht umhin, den Markt organisch aufzubauen. Wahrscheinlich sei das Unternehmen gegen Tether, Circle & Co. aber als Nachzügler schon sehr spät dran. «Die Akzeptanz bei Geschäftsbanken wird sich in den nächsten paar Monaten zeigen, da auch zahlungsverkehrsnative Organisationen wie Swift, Mastercard, Visa etc. stark in Blockchain-Technologie investieren», fügt von Bergen an.

Viel Fantasie, viel Risiko

«Gelingt dieser Coup – alle Akquisitionen, um den eigenen Stablecoin zu etablieren – dann könnte das für Ripple irgendwann doch positiv sein», sagt Pascal Hügli. Mit Blick auf Tron könne man argumentieren, dass eine «Value connection» zwischen Stablecoin, Blockchain und dem eigenen Coin gegeben sei. Die hohe Marktkapitalisierung ist gemäss Maerki-Baumann-Experte die Hoffnung auf diesen Coup. Gehe man davon aus, dass der Stablecoin-Markt in fünf Jahren 3 bis 5 Billionen Dollar gross sein werde und Ripple dementsprechend wachse, könne man die aktuelle Marktkapitalisierung rechtfertigen – Hügli bezweifelt es aber in diesem Ausmass.

Nach den US-Wahlen habe sich der Börsenwert drastisch gesteigert, auch wenn der Kurs inzwischen wieder Luft abgelassen habe, erläutert Gregor von Bergen. «Es gebe zurzeit mit den traditionellen Zahlungsanbietern aber eine grosse Konkurrenz. Sollte die Adoption von RLUSD über die nächsten Monate nicht markant zunehmen – und sich mehrere Finanzinstitute dafür interessieren, droht der Hype deutlich an Dynamik zu verlieren», fügt er an. Die Zukunft für die «unechte» Kryptowährung sieht rosig aus, zahlreiche Optionen stehen offen, müssen aber erst erfüllt werden. Hier wird sich Ripple wie eine richtige Kryptowährung verhalten – volatil.


Update: Am 8. Mai haben SEC und Ripple eine endgültige Einigung im XRP-Fall erreicht. Die Börsenaufsicht veröffentlichte ein Litigation Release, in der sie eine Einigung mit Ripple Labs CEO Brad Garlinghouse und Mitgründer Chris Larsen bekanntgab. Damit ist der langjährige Vollzugsfall beigelegt.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Erfolgreiches Ether-Update weckt Aufhol-Phantasien

Die Blockchain Ethereum steckt in einem Dilemma. Im Vergleich mit anderen konkurrierenden Web3-Blockchains dauert die Verarbeitung von Transaktionen zu lange. Dafür gibt es eine Lösung: Die Verarbeitung der Transaktion in sogenannten Layer-2-Blockchains auslagern, die auf Ethereum basieren. Aber auch dieses Vorgehen hat einen entscheidenden Nachteil. Der Grossteil der entstehenden Gebühren fliesst in die L2-Blockchain und nicht zu Ethereum. Im Gegensatz zu Bitcoin wird Ethereum nicht als Wertspeicher, als Goldersatz gesehen, sondern als Plattform für Web3-Anwendungen. Deshalb bleibt die Transaktionsgeschwindigkeit der Schlüssel. Mit dem am 7. Mai abgeschlossenen Pectra-Update sind auf der Ethereum-Blockchain wesentliche Upgrades zur Sicherheit, Effizienz und Leistung des Netzwerks eingeführt worden. Der Wert eines Ethers stieg über 10 Prozent und notiert nun wieder über 2000 Dollar. Im Vergleich zu anderen Kryptowährungen hinkt der Ether aber deutlich hinten nach. Vom Allzeithoch im November 2021 ist er noch immer 60 Prozent entfernt.


Saylor erhöht sein Bitcoin-Ziel

Der Bitcoin steigt über 100’000 Dollar, der Aktienkurs von Strategy (ehemals MicroStrategy) hat sich erholt und Strategy-Gründer Michael Saylor will noch mehr Bitcoins kaufen. War sein Ziel bisher, 42 Milliarden Dollar in Bitcoin zu investieren, so hat er diesen Wert jüngst auf 84 Milliarden Dollar erhöht. Dieser Wert soll im Jahr 2027 erreicht werden und durch Aktien- und Anleihenemissionen finanziert werden. Seit Jahresbeginn hat Strategy bereits für 10 Milliarden Dollar Bitcoins akkumuliert. Damit zieht der weltweit führende Corporate-Bitcoin-Halter der Konkurrenz im Eiltempo davon. Das führte im ersten Quartal zu einem gewaltigen Fehlbetrag – jedoch nur als Buchverlust. Der durchschnittliche Einkaufspreis beläuft sich für Strategy auf rund 84'000 Dollar pro Bitcoin. Diese Delle ist momentan also bereits wieder ausgewetzt.

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