Neil Esho ist Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. In einem Interview relativiert er die Kritik der UBS an den geplanten Verschärfungen der Schweizer Kapitalvorschriften. Die Behauptung, dass Schweizer Banken im internationalen Vergleich benachteiligt würden, sei irreführend, sagte er zu Reuters.
Hintergrund ist die hitzig geführte Debatte über die Höhe des Eigenkapitals, das die UBS nach der Übernahme der Credit Suisse halten muss. Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage, wie viel Eigenkapital die UBS im Stammhaus für ihre Auslandstöchter vorhalten muss. Geht es nach der Finma und der Nationalbank, müsste die UBS allein dafür rund 20 Milliarden Dollar zusätzlich aufbringen. Hinzu kommen noch weitere 19 Milliarden, weil die fusionierte Bank deutlich grösser ist.
UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher geisselte an der Generalversammlung im April den bestehenden regulatorischen «Swiss Finish» als ohnehin schon belastend genug. Eine zusätzliche Verschärfung könne dem Finanzplatz Schweiz und der Realwirtschaft schaden, meinte er.
Verkürzter Blick
Esho hält dagegen und sagt, es sei verkürzt, nur auf die nominellen Kapitalanforderungen zu blicken. Die Schweizer Regulierung lasse bei der Anrechnung von Kapitalinstrumenten mehr Spielraum als andere Jurisdiktionen. So dürfe Kapital, das in Tochtergesellschaften gehalten wird, auch auf die Anforderungen der Muttergesellschaft angerechnet werden – eine Praxis, vor der die Basler Regeln grundsätzlich warnen. «Die höhere Zahl bedeutet nicht automatisch mehr Resilienz, wenn man die Kapitalqualität berücksichtigt», so Esho. Schweizer Banken seien daher nicht zwingend im Nachteil.
Esho betonte auch, dass es nicht seine Aufgabe sei, Regierungen zu beraten, was sie tun sollten. Der Basler Ausschuss, der weltweit Mindestanforderungen für die Bankenaufsicht festlegt, hat seine Standards nach der Finanzkrise von 2007 bis 2009 überarbeitet. Die Europäische Union, Grossbritannien und die Vereinigten Staaten haben kürzlich die Einführung von Basel III, der neuesten Fassung, verschoben. Die Schweiz dagegen hat sie bereits Anfang des Jahres eingeführt, was Kritik auf dem Schweizer Finanzplatz hervorrief. Esho sagte gegenüber Reuters, er gehe davon aus, dass alle wichtigen Finanzzentren Basel III letztendlich umsetzen werden.
Kapitalfrage von grosser Bedeutung für die Schweiz»
Die UBS wies im vergangenen Jahr eine Kernkapitalquote von 14,82 Prozent aus. Per Ende März lag sie bei 14,3 Prozent. Die CET1-Ratio der Deutschen Bank lag bei 13,20 Prozent, die des US-Konkurrenten Morgan Stanley bei 15 Prozent. Die italienische Unicredit wies eine Kernkapitalquote von 16,23 Prozent per Ende März aus. Die UBS warnt davor, dass unter «extremen» Regulierungsbedingungen die Kernkapitalquote der UBS bis dahin auf über 22 Prozent steigen könnte.
Esho verwies jedoch auf Schweizer Vorschriften, die beispielsweise einen höheren Anteil an Additional-Tier-1-Anleihen anstelle von Kernkapital (Tier 1) im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen zulassen. Der Chef des Basler Ausschusses scheint die Pläne der Schweizer Regierung zu unterstützen, wonach die UBS mehr Kapital in der Schweiz vorhalten muss.
Das Basel-Committee-Framework sei darauf ausgelegt, sicherzustellen, dass Banken über die gesamte konsolidierte Gruppe hinweg über ausreichend Kapital verfügen, so Esho. «Das Framework kann jedoch nicht gewährleisten, dass das Kapital dort vorhanden ist, wo es in einer juristischen Person benötigt wird», fügte er hinzu. «Angesichts der Natur der UBS und der Grösse der US-Tochtergesellschaft im Verhältnis zum Stammhaus ist diese Frage in der Schweiz von weitaus grösserer Bedeutung.» Neil Esho haut mit diesem Argument in die gleiche Kerbe wie Finma-Chef Stefan Walter.