Die Börse reagierte gestern nicht mit Freudensprüngen auf die Nachricht, dass bei der Privatbank Vontobel künftig zwei CEOs das Sagen haben. Die Aktie verlor 2 Prozent. Der Eurostoxx-Bankenindex gab um 1,1 Prozent, der SMI um 0,92 Prozent. Doch was bedeutet die Doppelspitze für die mittelfristige Entwicklung der Bank?
Vontobel war unter ihrem Vorgänger Zeno Staub lange auf Erfolgskurs. In den Jahren 2011 bis 2021 lief es sogar richtig gut: Vermögensbasis, Ertrag und Gewinn kletterten nach oben. Die verwalteten Vermögen verdoppelten sich von 131 auf 296 Milliarden Franken, die Erträge von 765 Millionen auf 1,5 Milliarden. Der Gewinn verdreifachte sich von 113 auf 383 Millionen Franken.
Doch nach 2021 ist die Bank etwas aus dem Tritt geraten. Ende Jahr verlässt Zeno Staub nach 22 Dienstjahren, 12 davon als CEO, die Bank. Manche Beobachter finden, er hätte zwei Jahre früher gehen sollen. Aber er hinterlässt auch keinen «Scherbenhaufen», wie die schärfsten Kritiker sagen.
Potenzielle Interessenskonflikte
Allerdings: Rund läuft es nicht. Auf das neue Führungsduo wartet also viel Arbeit. Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger müssen harte Entscheidungen treffen. Wo sparen, wo investieren, welche Geschäfte aufgeben? Da beide weiterhin ihre Bereiche leiten, kann es zu Interessenskonflikten kommen. Problematisch wird es, wenn ihr Bonus weiterhin an das Ergebnis der Sparte gekoppelt ist.
Ein Beispiel: Wenn die Bank das Investment-Geschäft, für das Rendu de Lint verantwortlich ist, deutlich ausbauen würde, ginge das möglicherweise zulasten des Private Banking, für das Georg Schubiger zuständig ist. Dass sich die beiden Co-CEOs in solchen Fragen in die Haare geraten, ist ganz normal.
«Ich gebe der Doppelspitze bei Vontobel 12 bis maximal 24 Monate», sagt ein Kenner der Bank. Wie gut oder schlecht es läuft, hängt in erster Linie von den Co-Chefs selbst ab und wie sie zusammenarbeiten werden. Rendu de Lint gilt als machtbewusst und forsch, die Entscheide eiskalt durchziehen kann. Schubiger hingegen gilt als freundlich und ausgleichend, aber wenig durchsetzungsstark. Kann das funktionieren?
Doppelspitzen haben es schwer
Wie auch immer die beiden zusammenarbeiten werden, klar ist: Der Einfluss des Verwaltungsratspräsidenten wird mit der Doppelspitze zunehmen. Als Schlichter und Vermittler wird Andreas Utermann seine exekutive Macht in der Bank ausbauen können. Das dürfte auch ganz im Sinne des ehemaligen Allianz-Managers sein, der die britische und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und gerne seine Initialen «E.F.» zwischen Vor- und Nachnamen schiebt. Jedenfalls wurden ihm auch Ambitionen auf den CEO-Posten nachgesagt. Wird er quasi zum neuen Executive Chairman der Bank?
Ein Blick zurück zeigt, dass Doppelspitzen vor allem dann funktionieren, wenn es einem Unternehmen gut geht. In Krisensituationen hingegen haben es Doppelspitzen schwer. Die Deutsche Bank hat das Experiment mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen relativ schnell beendet.
Auch die Credit Suisse hatte vor 20 Jahren eine Doppelspitze, aber auch sie hielt nicht lange. Ende 2002 übernahmen Oswald Grübel und John Mack die Führung der Bank. Sie führten die Bank rasch und erfolgreich in die Krise, doch Mitte 2004 sprang Mack ab und Grübel wurde alleiniger CEO. Es dauerte weniger als 24 Monate.