Die US-Börsenaufsicht konnte ihren Widerstand und die Vorbehalte nicht länger aufrecht halten. Die SEC hat allen Anträgen für einen Bitcoin-Sport-ETF die Marktzulassung erteilt. Können diese Produkte alle erfolgreich sein und was macht der Bitcoin-Kurs?
11. Januar 2024 • Werner Grundlehner

Es war klar, dass die Security and Exchange Comission (SEC) am 10. Januar bezüglich ETF, die den Spotpreis des Bitcoins abbilden, einen Entscheid fällen muss. Der SEC-Vorsitzende Gary Gensler machte bis zuletzt keinen Hehl aus seiner Abneigung des Bitcoin-ETF, doch seine Vorbehalte waren von den Antragstellern grösstenteils ausgeräumt worden.

Trotz dieser Ausgangslage war die Stimmung am Kryptomarkt in den vergangenen Tagen von Nervosität geprägt. Die Bitcoin-Notierung zeigte hohe Ausschläge. Der grösste digitale Vermögenswert ist im letzten Quartal 2023 um fast 60 Prozent gestiegen, weil man darauf wettet, dass die Produkte die Nachfrage nach Bitcoin ankurbeln werden.

Am Mittwoch nach Börsenschluss erteilte die US-Berhörden allen elf Anbietern (vgl. Tabelle) die Marktzulassung für ihre Finanzprodukte, die den Kassakurs der ältesten Kryptowährung abbilden. Die börsenkotierten Indexfonds können ab heute Donnerstag gehandelt werden.

Die Genehmigungen markieren eine Kapitulation der Börsenaufsicht, wie man sie bisher kaum gesehen hat. Das SEC sträubte sich mehr als ein Jahrzehnt: 2013 hatten die Gebrüder Winklevoss erstmals einen Bitcoin-ETF vorgeschlagen. Der überraschende Antrag von Blackrock im Juni 2023, gefolgt von einem Urteil des Berufungsgerichts, das die Ablehnung des Antrags von Grayscale als «willkürlich und unberechenbar» einschätzte, deuteten an, dass die US-Regulierungsbehörden ihre Krypto-Ablehnung nicht aufrecht erhalten können werde.

Turbulenzen vor dem Okay

Als ob die Kryptomärkte nicht schon dramatisch genug wären, wurde am Dienstag das X-Konto (ehemals Twitter) der SEC gekapert und ein gefälschter Beitrag veröffentlicht, in dem behauptet wurde, die Behörde habe die Pläne für die verschiedenen ETF genehmigt. Das sorgte kurzfristige für mehr Gesprächsstoff als die Zulassung selbst.

Amerikanische Senatoren haben den Kongress aufgefordert, eine Ermittlung gegen die Börsenaufsichtsbehörde zu lancieren, da der Tweet den Verdacht auf Marktmanipulation weckt. «So wie die SEC von einem börsennotierten Unternehmen Rechenschaft verlangen würde, wenn es einen solch kolossalen, marktbewegenden Fehler macht, braucht der Kongress Antworten auf das, was gerade passiert ist. Das ist inakzeptabel», sagte der Senator Bill Hagerty.

Wie differenzieren sich die Produkte

Bei der Vielzahl an gleichzeitig zugelassenen Bitcoin-ETF ist nun die grosse Frage, welches Produkt die Investoren wählen werden. Die Indexfonds können sich über die «Marke» der Muttergesellschaft und die Höhe der Gebühren differenzieren. Relevant wird auch sein, wie genau die einzelnen Produkte den Bitcoin-Kurs abbilden.

Bitcoin-Futures-ETF hätten den Marktpreis der Kryptowährung bisher «ziemlich gut» nachgebildet, sagt Simeon Hyman, Anlagestratege von ProShares, der den grössten Bitcoin-Futures-ETF verwaltet, der im Oktober 2021 aufgelegt wurde, gegenüber dem US-Börsensender CNBC. Er merkte aber an, der Spotmarkt für Bitcoin sei im Gegensatz zum Futures-Markt nicht ausgereift und nicht gleich reguliert.

Bezüglich «Brand» dürften die grössten Anbieter im Vorteil sein. Mit den ETF werden nicht Krypto-Insider angesprochen, die eher Anbieter wie Bitwise oder Valkyrie wählen würden, sondern traditionelle Investoren. Wer bereits einen Aktien- und einen Rohstoff-ETF bei Blackrock oder Fidelity hat, wird wahrscheinlich diesem Anbieter auch für Bitcoin vertrauen.

Im Rahmen des üblichen Zulassungsprozederes haben zu Wochenbeginn mehrere Bitcoin-Spot-ETF-Antragsteller die endgültigen Änderungen zum Formular S-1 bei der SEC eingereicht und dabei die Gebühren für den Handel mit den potenziellen Bitcoin-ETF-Produkten nochmals gesenkt – teilweise verzichten sie in den ersten Monaten ganz auf Gebühren, oder verlangen für die Einführungsphase tiefere Sätze. Vieles deutet auf einen Gebührenkrieg hin, der erfreulich ist für die Investoren, bei ETF-Kennern jedoch für Stirnrunzeln sorgt. ETF-Analysten halten es für kaum möglich, einen 1-Milliarden-ETF mit Gebühren von 0,25% (also Einnahmen von jährlich 2,5 Millionen) rentabel zu betreiben.

Gemäss den jüngsten S-1-Formular von ARK und 21Shares wird der ETF für sechs Monate ab dem Tag der Börsenzulassung bis zum Erreichen von 1 Milliarde Dollar an verwaltetem Vermögen (AuM) auf Gebühren verzichten. Blackrock plant, 0,3 Prozent zu erheben. Die ersten 12 Monate oder bis zu 5 Milliarden Dollar an AuM werden es jedoch 0,2 Prozent sein.

Was macht der Kurs?

Der Bitcoin-Kurs reagiert auf die Zulassung verhalten, nach einem kurzen Sprung über 47'000 Dollar notierte er am Donnerstagmorgen tiefer als vor der Zulassung. Zahlreiche Stimmen hatten in den vergangenen Tagen vorhergesagt, dass der Markt die Zulassung vorweggenommen habe und in den nächsten Wochen kaum grosse Avancen zu sehen sein würden – sondern dass eher Gewinnmitnahmen dominieren würden.

Auf lange Sicht herrscht aber weiterhin eitel Sonnenschein. Nicht nur Krypto-Institute glänzen mit sehr zuversichtlichen Prognosen. Die britische Grossbank Standard Chartered sagt voraus, dass der Bitcoin bis Ende nächsten Jahres fast 200’000 Dollar erreichen könnte. Die Bank stützt ihre Preisprognose auf die Annahme, dass bis Ende 2024 zwischen 437’000 und 1,32 Millionen Bitcoin durch die amerikanischen ETF gehalten werden. Das Unternehmen schätzt, dass dies zwischen 50 und 100 Milliarden Dollar an Zuflüssen bedeuten würde.

Skepsis herrscht

Doch in der Krypto-Szene wird die Zulassung von Indexfonds nicht nur positiv gesehen. Für Bitcoin-Puristen ist es ein Verrat an der Grundidee. Mit der Kryptowährung wollte der geheimnisumwobene Gründer Satoshi Nakamoto eigentlich ein Bollwerk gegen staatliche Eingriffe und das etablierte Finanzwesen erschaffen. Der Bitcoin war eine Antwort auf die Finanzkrise, eine Absage an ineffiziente Banken und der Traum von einem Zahlungssystem ohne Intermediäre.

So sieht etwa Edward Snowden die Zulassung von Bitcoin-ETF ausgesprochen kritisch. Im Umstand, dass nun auch traditionelle Finanzunternehmen Bitcoin-Produkte auf den Markt bringen wollen, sieht Snowden eine Schwächung der Grundidee und des emanzipatorischen Potenzials der Kryptowährung; dies bedeute für den Bitcoin «eine Form der Unterordnung, eine Art Unterwerfung – und einen Prozess der Zähmung».

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