Politik
Ein Jahr nach dem Untergang der Credit Suisse (CS) tritt die regulatorische Aufarbeitung des Skandals in die entscheidende Phase. Eine zentrale Frage ist dabei in den Hintergrund gerückt: Wie viel Eigenkapital braucht die neue UBS? So sehen es Experten.
14. März 2024 • Balz Bruppacher

Für die Gesellschaft hilft höheres Eigenkapital der Banken, den Steuerzahler zu entlasten und vor allem die Risiken von Schäden für das Finanzsystem und die ganze Volkswirtschaft zu begrenzen. So formuliert es der deutsche Ökonom Martin Hellwig, der durch das gemeinsam mit der US-Ökonomin Anat Admati verfasste Standardwerk «Des Bankers neue Kleider» berühmt wurde. Für die Banken sei Eigenkapital zwar teurer als Fremdkapital, nicht aber für die Gesellschaft.

Folgt man dieser von Regulatoren und Wissenschaft weitgehend unbestrittenen Argumentation, wäre es eigentlich klar: Die UBS als einzige systemrelevante Grossbank braucht mit Blick auf die Risiken für das Land Eigenmittelpolster, die über den Minimalstandard hinausgehen. Überraschenderweise kam die von Finanzministerin Karin Keller-Sutter eingesetzte Expertengruppe «Bankenstabilität» im letzten Herbst aber zum Schluss, es dränge sich nicht auf, die Eigenmittelanforderungen über den internationalen Standard «Basel III final» hinaus anzuheben. Dies sei kein Kniefall vor der UBS, betonte der Präsident der Expertengruppe, der Basler Ökonom Yvan Lengwiler, bei der Präsentation des Berichts.

Einige Experten?

Aufhorchen lässt hingegen das Interview, das der Zürcher Ökonom und Mitglied der Expertengruppe Hans Gersbach letzten Monat der «Handelszeitung» gab. Es brauche eine deutliche Erhöhung der Eigenmittel, sagte er und wies darauf hin, dass die ungewichtete Eigenkapitalquote bei der UBS nur fünf Prozent betrage. Als Richtschnur für den internationalen Standard wäre eine ungewichtete Quote von über zehn Prozent angemessen. Auf das Gersbach-Interview angesprochen, bekräftigte Yvan Lengwiler, die von ihm präsidierte Expertengruppe «Bankenstabilität» habe ihren Bericht vom vergangenen September einstimmig verabschiedet.

Das heisst also auch die Feststellung, dass der CS-Fall kein gutes Argument für eine Verschärfung der Eigenmittelvorschriften für systemrelevante Grossbanken liefere, die über den Standard «Basel III final» hinaus gehe. Die Aussagen des Expertengruppe-Mitglieds Gersbach seien wohl so zu lesen, dass es ihm um eine international koordinierte Erhöhung der Eigenmittel und um eine Reduktion des sogenannten regulatorischen Filters gehe, sagte Lengwiler. Gersbach, Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern, ob seine Aussagen nicht im Widerspruch zum Expertenbericht stünden.

Keinen pauschalen Verschärfungsbedarf an den bestehenden Eigenmittelanforderungen für systemrelevante Banken sieht die Schweizerische Bankiervereinigung. Es gelte, mit gezielten Massnahmen Lücken bei der Regulierung zu schliessen und die Systemstabilität zu stärken, «ohne die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu schwächen», erklärte der CEO des Bankendachverbands, Roman Studer. Ob diese Auffassung in der gesamten Branche und auch bei den Privatbanken geteilt wird, ist allerdings eine offene Frage. Einen Hinweis mag der Umstand liefern, dass FDP-Nationalrat und LGT-Banker Hans-Peter Portmann gemäss dem Abstimmungsprotokoll als Einziger seiner Fraktion am 2. Mai letzten Jahres eine Motion für höhere Eigenkapitalforderungen der Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo unterstützte. Die Motionärin verlangte eine ungewichtete Eigenkapitalquote von mindestens 15 Prozent.

Anstieg der Progression

Der Vorstoss war trotz Widerstands des Bundesrats mit 92 gegen 82 unterstützt worden. Noch ausstehend ist der Entscheid des Ständerats. Finanzministerin Keller-Sutter hatte vergeblich argumentiert, dass die CS die Eigenkapitalanforderungen erfüllt habe. Das Problem sei der Vertrauensverlust der Bank gewesen. Sie wies auch darauf hin, dass die Eigenmittelanforderungen mit Basel III verschärft würden. Voraussichtlich im kommenden April wird der Bundesrat in der jährlichen Zwischenbilanz zur Too-Big-To-Fail-Regulierung die Lehren aus der CS-Pleite ziehen.

Für den Berner Ökonomen Aymo Brunetti liegt der Fokus deutlich auf der Verbesserung des Resolutionsregimes. «Aber ich bin natürlich klar für mehr Eigenmittel», sagte er auf Anfrage. Je mehr Fragezeichen am Schluss bei der Resolution blieben, desto höher sollten sie sein. «Auf jeden Fall würde ich die Anforderungen auf allen Konzernstufen sehen, um die Parentbank zu stärken», sagte Brunetti, der als Architekt des TBTF-Regimes gilt. Dies würde auch bei gleichbleibender numerischer Anforderung zu deutlich höheren Eigenmitteln bei der UBS führen. Mit einem drastischen Anstieg der Progression sollte man die Expansionsgelüste der UBS zu bremsen versuchen.