Digital Assets Briefing
Mit dem Projekt «Plan B» setzt Lugano auf die breite Akzeptanz von Blockchain und Kryptowährungen – und ist erfolgreich. Vor kurzem wurde ein Krypto-Hub für Start-ups eröffnet, in einer ehemaligen Privatbank.
12. April 2024 • Werner Grundlehner

Was in Südamerika funktioniert, soll auch in der Sonnenstube der Schweiz funktionieren. Tether brachte das Rezept, das bereits in El Salvador angewandt wurde, ins Tessin – genauer gesagt nach Lugano. Kryptowährungen sollen die etablierte Landeswährung ergänzen – oder vielleicht einst ersetzen. Anfang März 2022 unterschrieben der Stablecoin-Emittent Tether und die Stadt Lugano ein «Memorandum of Understanding» (PDF) Vmit einer Befristung von vier Jahren.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Metaverse-Verband präsentiert Positionspapier zur Regulierung


Die gemeinsame Initiative der Stadt Lugano und des Stablecoin-Anbieter Tether heisst Plan B – das «B» steht für «Bitcoin». Das Projekt ist als öffentlich-private Partnerschaft konzipiert. In der Tessiner Stadt sollen die Bürger und Bürgerinnen mit Bitcoin, Tether und dem Luganeser-Coin LVGA bezahlen können. Tether betreibt dazu einen Validierungsknoten in der stadteigenen Blockchain. Zudem hat das US-Unternehmen einen 100-Millionen-Dollar schweren Fonds für Startups lanciert.

«Win-Win-Situation»

«Die Kooperation mit Tether ist eine Win-Win-Situation für uns. Wie es nach den vier Jahren weitergeht, wird sich noch zeigen – die ersten zwei Jahre waren vielversprechend», sagt Pietro Poretti, Direktor für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Lugano, im Gespräch mit tippinpoint. Er legt dar, dass die Vereinbarung mit Tether mehrere Stossrichtungen umfasst. So soll das Verständnis für Blockchain, Bitcoin und Stablecoins bei Unternehmen und in der Bevölkerung durch Lehrgänge, internationale Veranstaltungen und Kooperationen gefördert werden.

In der Stadt soll ein physischer Begegnungspunkt mit Büros, Co-Working-Spaces und Seminarräumen geschaffen werden. Die digitalen Zahlungsmöglichkeiten sollen in der Region unterstützt und gefördert werden. Zudem soll die stadteigene Blockchain 3Achain genutzt werden. Ein weiterer Punkt ist etwa, das Bitcoin-Mining mit lokaler, erneuerbarer Energie zu fördern.

Die Umsetzung schreitet voran. In Lugano wurden 2022 und 2023 jeweils Sommer-Seminare mit Teilnehmern aus über 28 Nationen durchgeführt. In diesen Jahren gab es auch jeweils eine internationale Blockchain-Konferenz mit rund 2000 Teilnehmern. Beides ist auch für das laufende Jahr geplant. Im März 2024 wurde in Luganos Innenstadt in den Gebäuden einer ehemaligen Privatbank ein Krypto-Hub auf 2200 Quadratmetern eröffnet.

400 neue Bezahlterminals

Die Stadt hat bisher rund 400 Bezahlterminals im Detailhandel, Gastgewerbe und im Dienstleistungssektor installiert. An den Bezahlstellen, die am Plan-B-Projekt mitmachen, kann man mit LVGA, Tether und Bitcoin aber auch mit Kreditkarten und Twint bezahlen. Die 10 Prozent Cashback, die ein Konsument beim Bezahlen mit LVGA erhält, werden von Handel und Gastgewerbe selbst getragen. «Man muss das als Marketingausgabe sehen», sagt Poretti.

Die Mehrzahl der Plan-B-Geschäfte befindet sich in Lugano, doch einzelne Händler im ganzen Kanton von Airolo über Blenio bis Chiasso sind ebenfalls auf die Initiative aufgesprungen. Mittlerweile besitzen rund 15’000 Bewohnerinnen und Bewohner ein Wallet und es werden monatlich 7000 bis 8000 Transaktionen in Tessiner Läden getätigt. Angesichts der 70’000 Einwohner von Lugano ist das eine beeindruckende Verankerung.

Die «Stadtwährung» existierte schon

Der LVGA-Währung ist ein Treueprogramm, das bereits 2020 lanciert wurde und nur in Lugano genutzt werden kann. Auslöser für diese Förderung des lokalen Handels waren die Corona-Pandemie und die Frankenstärke, die viele Tessiner zum Einkauf nach Italien trieb. Gleichzeitig startete die Stadt ein eigenes Blockchain-Programm für Unternehmen. Später wurden diese Initiativen in das Projekt Plan B integriert.

Der stadteigene LVGA wird über 3Achain abgewickelt, eine private Blockchain mit einem Proof-of-Authority-Mechanismus. Es gibt rund 30 Node-Betreiber, die die Transaktionen in dem Verfahren bestätigen, darunter Hochschulen oder die Tessiner Kantonalbank. Der Token ist fix an den Franken gebunden und wird durch die Finanzreserven der Stadt Lugano abgesichert.

Cashback, Start-ups und Venture-Fonds

Im Jahr 2023 seien 100’000 Franken an Cashback gewährt worden, sagt Poretti. Das heisst, dass mit LVGA ein Umsatz von 1 Million Franken generiert wurde. «Die Zahlungen mit Bitcoin und Tether halten sich noch im Rahmen, es dürften einige Hunderttausend Franken sein», so Poretti. Seit Herbst 2023 können nicht nur Dienstleistungen der Stadt, sondern auch Steuern in unbeschränkter Höhe in Bitcoin beglichen werden. Dabei setzt Lugano auf den gleichen Krypto-Dienstleister wie «Konkurrent» Zug – auf Bitcoin Suisse.

Gemäss dem städtischen Beamten seien seit der Lancierung von Plan B 80 Unternehmen im Bereich Blockchain gegründet worden. Man könne nicht genau sagen, wie viele direkt der Initiative zuzuschreiben seien, aber die Publizität habe sicher allen geholfen. Zudem gebe es mittlerweile vier Crypto-Venture-Fonds mit einem Volumen von 20 Millionen Franken.

Kritik – vor allem an Tether

Das Projekt stösst aber auch auf Kritik. So schrieb die Online-Zeitung «Republik» unter dem Titel «Luganos obskure Bitcoin-Connections» (Abo). Der Tessiner Finanzplatz habe besonders stark unter der Aufhebung des Bankgeheimnisses und der Corona-Pandemie gelitten. Deshalb kooperiere Lugano mit zweifelhaften Krypto-Konzernen und ultraliberalen Bitcoin-Jüngern. Gemeint ist hier insbesondere Paolo Ardoino, der Technologiechef der Kryptobörse Bitfinex sowie des Stablecoin-Emittenten Tether. Im Jahr 2023 beförderte Tether Ardoino zum CEO.

Poretti ergänzt, dass der heimische Bankensektor zu Beginn skeptisch auf das Projekt reagiert habe. Noch immer ist die Tessiner Kantonalbank die einzige Bank im Projekt. «Es kommen jedoch vermehrt Banker auf uns zu und wollen ihr Wissen zu Blockchain und Kryptos vertiefen.» Die örtlichen Finanzinstitute seien auch an Kontakten zu den neuen Firmen interessiert, denn diese bräuchten Bankverbindungen in Fiat-Währungen.

Tether emittiert den gemessen an der Marktkapitalisierung von rund 110 Milliarden Dollar grössten Stablecoin. Unter den Kryptowährungen erreicht Tether mit diesem Umlauf den dritten Platz. Die Krypto-Zahlungs-Token sind an den Dollar gekoppelt und sollen dessen Wert eins-zu-eins wiedergeben.

Im Oktober 2022 wurden Tether und das Schwesterunternehmen Bitfinex von der US Commodity Futures Trading Commission (CFTC) wegen regulatorischer Verstösse zu einer Geldstrafe von 42,5 Millionen Dollar verurteilt. Umstritten war, wie Tether die Finanzinstrumente prüft, die den Stablecoin unterstützen. Der US-Regulator geht davon aus, dass Stablecoins unsicher sind und eine Gefahr für das Finanzsystem darstellen könnten. Tether gestand aber wegen dieses Vergleichs keine Schuld ein. Das Unternehmen hielt fest, dass es keine Regeln brechen wolle. Man könne aber nicht erwarten, dass seit langem bestehende Gesetze, neue und innovative Produkte perfekt abdecken würden.

In der Breite erfolgreich

Die Stadtregierung von Lugano macht sich wegen dieser rechtlichen Probleme kaum Sorgen. «An Reputationsproblemen im Zusammenhang mit dem traditionellen Bankensektor hat es im Tessin nicht gemangelt», sagte der Bürgermeister von Lugano, Michele Foletti, in einem Interview. Nach seiner Meinung seien die Reputationsrisiken von Plan B geringer als die, welche die Region in letzter Zeit im Bankensektor erlebt habe.

Noch kommt das Tessin punkto wichtiger Krypto-Unternehmen und -Stiftungen nicht an die Region um den Zugersee und Zürich heran. Die Integration in die Breite, ins Alltagsleben, ist aber weiter fortgeschritten. Im August des vergangenen Jahres hat die Stadt Lugano bekannt gegeben, die Arbeit mit den Plan-B-Partnern zu vertiefen. Seit einigen Monaten läuft auch der FC Lugano mit dem Plan-B-Logo auf. Der Marketing-Effekt der Krypto-Akzeptanz im Alltagsleben darf man nicht unterschätzen. Poretti weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit dem Crypto Valley gut sei, obwohl es noch kein formales Kooperationsabkommen gebe: «Aber schlussendlich offerieren wir alle die Schweiz als Krypto-Standort.»




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Verband präsentiert Positionspapier zur Regulierung des Metaverse

Wegen der Weiterentwicklung von Web 3, künstlicher Intelligenz und virtueller Realität ist auch das Metaverse stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Das Metaverse ist eine neue digitale Ebene des Internets, die für Unternehmen, Behörden und sozialen Aktivitäten zunehmend wichtig wird. Der grosse, interaktive, virtuelle Raum ist aus regulatorischer Sicht aber noch Terra Incognita.

Die Swiss Metaverse Association hat diese Woche deshalb ein Positionspapier zur Regulierung vorgelegt. «Das Metaverse wird zu einem integralen Bestandteil unseres digitalen und physischen Lebens, und die Schweiz soll eine führende Rolle in der Schaffung eines klaren rechtlichen Rahmens übernehmen, der Innovation fördert und gleichzeitig Individuen und Unternehmen schützt», wird Daniel Diemers, Mitautor des Positionspapiers und Vorstandsmitglied der Swiss Metaverse Association, in der Pressemitteilung zitiert.

Die Autoren legen im Positionspapier dar, was es bei der Formulierung einer Metaverse-Regulierung zu beachten gilt und mit welchem politischen Vorgehen und Gesetzesrahmen die Schweiz zu einem attraktiven Standort für Metaverse-Anbieter werden könnte. Mit der DLT-Gesetzgebung für die Blockchain-Industrie hat der hiesige Gesetzgeber bereits einmal bewiesen, dass Rechtssicherheit eine neue Technologie nicht einschränken muss. Da capo.

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