Vor 20 Jahren hat sich die SNB von 1300 Tonnen Gold getrennt. Den «Goldüberschuss» hätte sie besser behalten.
26. April 2024 • Beat Schmid

An der heutigen Generalversammlung wird der scheidende Nationalbankpräsident Thomas Jordan das Thema nicht von sich aus ansprechen. In seiner Abschiedsrede vor den SNB-Aktionären dürfte er sich vielmehr seinem Lieblingsthema, der Preisstabilität, widmen. Auf seine Anfänge bei der Nationalbank wird er kaum eingehen: 2004 wurde er vom Bundesrat zum stellvertretenden Direktoriumsmitglied ernannt und war unter anderem für Devisen- und Goldoperationen zuständig.

Ein Teil der gigantischen Goldverkäufe, die im Jahr 2000 einsetzten, ging noch über seinen Tisch. Bis 2005 verkaufte die Zentralbank insgesamt 1300 Tonnen Gold. Wie aus den Archiven hervorgeht, betrug der durchschnittliche Kilopreis 15'604 Franken. Mit ihren Verkäufen löste die Nationalbank einen internationalen Wirbel aus, der bis ins ferne Südafrika reichte. Weil die Goldhändler sofort short gingen, kam es zu einer Preisrallye nach unten, die den Abbau in den Minen rund um Johannesburg fast unrentabel machte und die junge Demokratie am Kap in eine Wirtschaftskrise stürzte.

Aus heutiger Sicht erweist sich der Verkauf von rund der Hälfte der Goldreserven als eine der kapitalsten Fehlentscheidungen in der Geschichte der Nationalbank. Das Verrückte aus heutiger Sicht: Damals waren fast alle dafür, sich vom Gold zu trennen – allen voran SVP-Übervater und Martin-Ebner-Freund Christoph Blocher, der den «Goldüberschuss» am liebsten direkt ans Volk verteilt hätte. Damals sagte er: «Zuerst wollten wir das Gold direkt den Bürgerinnen und Bürgern verteilen. Jeder bekäme dann etwa 3500 Franken. Das gibt aber Verteilungs- und Inflationsprobleme, und das Vermögen wäre auf einmal aufgebraucht. Über den AHV-Fonds kommt der Beitrag allen zugute».

Diese Woche hat die Nationalbank ihr Ergebnis für das erste Quartal bekannt gegeben. Auf den Goldbeständen erzielte die SNB einen Gewinn von 4,6 Milliarden Franken. Der Kilopreis lag am Stichtag bei 64’188 Franken. Ende Jahr lag er bei 55’593 Franken – ein Plus von 15,5 Prozent. Hätte die SNB das Gold vor 20 Jahren in ihren Tresoren belassen, wäre der Gewinn um über 11 Milliarden Franken höher ausgefallen.

Für ihre 1300 Tonnen kassierte die Nationalbank zwischen 2000 und 2005 insgesamt 19 Milliarden Franken. Heute wäre dieser «Goldüberschuss» 83 Milliarden Franken wert. Die Nationalbank hat also insgesamt 64 Milliarden Franken zum Fenster hinausgeworfen. Ein Grund, warum das Gold in den letzten Jahren so stark gestiegen ist, sind ausgerechnet andere Nationalbanken: Die Türken und die Chinesen haben ihre Goldbestände in letzter Zeit stark aufgestockt. Um unabhängiger vom Dollar zu werden, kaufen die Chinesen seit Monaten Tonne um Tonne Gold.

Das Edelmetall wirft zwar keine Rendite ab, aber als Diversifikation in der riesigen, extrem schwankungsanfälligen Bilanz der SNB wäre es – tatsächlich Gold wert.

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