Mit Produkten wie Kitkat, Babymilch und Mineralwasser bietet der Westschweizer Lebensmittelriese immer wieder Stoff für aktivistische Investoren und NGOs. Als weltgrösster Nahrungsmittelkonzern bietet Nestlé ihnen die ideale Plattform für grösstmögliche Wirkung.
Morgen Donnerstag findet in Lausanne die ordentliche Generalversammlung statt. Neben den bekannten Traktanden haben die Aktionärinnen und Aktionäre auch über einen Antrag der britischen Aktionärsgruppe ShareAction abzustimmen.
Die Statuten sollen um diesen Artikel ergänzt werden:
Für jedes Geschäftsjahr erstellt der Verwaltungsrat einen Bericht über nachhaltige Entwicklung, soziale Belange, Beschäftigung, Achtung der Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung, in dem die Ergebnisse in Bezug auf bestimmte Umwelt-, Sozial- und Governance-Kennzahlen (ESG-Kennzahlen) dargestellt werden.
Zu diesen KPIs gehören absolute und prozentuale Verkaufszahlen von Nahrungsmitteln und Getränken nach ihrem Gesundheitswert, der durch ein von der Regierung anerkanntes Nährwertprofilmodell definiert wird. Das Unternehmen wird sich ein zeitlich befristetes Ziel setzen, um den Umsatzanteil dieser gesünderen Produkte zu erhöhen.Der Antrag fordert Nestlé also auf, sich ein Ziel zur Erhöhung des Umsatzanteils gesunder Produkte zu setzen und international anerkannte Standards zur Definition gesunder Lebensmittel einzuführen. Eine Umstellung auf nährstoffreichere Lebensmittel werde dem systemrelevanten Unternehmen nachhaltiges Wachstum bringen, argumentieren die Mitunterzeichner.
Sie zitieren eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie, nach der Nestlé 75 Prozent seines Umsatzes mit «ungesunden» Lebensmitteln erzielt. Ein von der Universität Oxford und der Aktivistengruppe BiteBack veröffentlichter Bericht stellte zudem fest, dass 70 Prozent des Umsatzes von Nestlé in Grossbritannien von Lebensmitteln mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt stammen.
«Investoren sind besorgt über Nestlés übermässige Abhängigkeit von ungesunden Lebensmitteln, weil sie das Unternehmen regulatorischen und Reputationsrisiken aussetzt und darüber hinaus der öffentlichen Gesundheit schadet», wird Thomas Abrams, Co-Head of Health bei ShareAction, in einer Mitteilung zitiert.
Auch Ethos ist für Statutenänderung
Dieser Forderung haben sich Investoren angeschlossen, die insgesamt 1600 Milliarden Dollar verwalten. Zu ihnen gehören Legal and General Investment Management (LGIM), Candriam und La Francaise Asset Management. LGIM ist mit 1440 Milliarden Dollar der mit Abstand grösste institutionelle Investor. In der Schweiz empfiehlt Ethos die Annahme der Statutenänderung.
«Als weltgrösster Nahrungsmittelkonzern ist Nestlé von systemischer Bedeutung und hat eine Vorbildfunktion für den Rest der Branche, wenn es darum geht, positive Veränderungen voranzutreiben und die Marktstandards anzuheben», begründet Maria Larsson Ortino, Senior Global ESG Manager bei LGIM, die Empfehlung.
Die einflussreiche Stimmrechtsvertreterin Glass Lewis hingegen wird den Antrag nicht unterstützen. Sie argumentiert nicht inhaltlich, sondern aus technischen Gründen dagegen, weil der Vorschlag eine Statutenänderung erfordert. Internationale Aktionäre sind in der Regel zurückhaltend, wenn es darum geht, die Statuten einer börsenkotierten Gesellschaft zu ändern. In der Schweiz ist dies oft die einzige Möglichkeit für oppositionelle Aktionäre, einen Kurswechsel zu verankern.
Auch der Nestlé-Verwaltungsrat lehnt den Antrag ab. Zum einen sei das Unternehmen in der Schweiz bereits gesetzlich verpflichtet, einen Bericht über nichtfinanzielle Aspekte zu veröffentlichen. Zum anderen will sich der Konzern keine konkreten Ziele für gesunde Lebensmittel setzen.