Generalversammlung
Der Westschweizer Nahrungsmittelriese soll weniger Produkte mit hohem Fett- und Zuckeranteil verkaufen.
20. April 2023 • Beat Schmid

Eine Gruppe Investoren fordert den weltgrössten Nahrungsmittelkonzern auf, die Verkäufe von “ungesunden Lebensmitteln” zu verringern. Die Aktionäre mit einem kombinierten verwalteten Vermögen von über 3000 Milliarden Dollar verlangen von Nestlé, mehr gesunde Nahrungsmittel und Getränke zu verkaufen.

Im Vorfeld der Generalversammlung, die am Donnerstag in Lausanne stattfindet, erklärten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme, sie würden die Sache “eskalieren lassen”, wenn die Nestlé-Frührung nicht auf ihre Forderungen eingehe.

Absender ist das britische NGO ShareAction, das den Vorstoss im Rahmen des Programms Long-term Investors in People's Health koordiniert. Unterzeichner sind gut 30 institutionelle Investoren und Asset-Management-Firmen. Zu den bekannteren Namen zählen die Man Group, Mirabaud Asset Management, Legal & General Investment Management oder Schroders.

“Systemische Risiken für die Renditen der Anleger”

Die Investoren warnen vor “systemische Risiken für die Renditen der Anleger”, wenn Nestlé ihren Anteil an Lebensmitteln mit hohem Zuckeranteil nicht deutlich reduziert. Sie verweisen darauf, dass Regierungen das Problem auf dem Radar hätten und zum Teil Steuern auf zuckerhaltige Produkte und Werbeverbote eingeführt haben. ShareAction geht davon aus, dass der Regulierungsdruck auf die Lebensmittelindustrie immer grösser wird.

Die Investoren rennen zum Teil offene Türen bei Nestlé ein, die unter anderem Produkte wie KitKat und Smarties verkauft. Simon Rawson von ShareAction sagt: “Nestlé hat gesagt, dass es mehr gesündere Lebensmittel verkaufen will, aber es hat nicht zugesichert, dass es den Verkauf von weniger gesunden Lebensmitteln reduzieren möchte”. Das jedoch sei wesentlich, um gegen die schädlichen Auswirkungen ernährungsbedingter Krankheiten vorzugehen.

ShareAction fordert Nestlé auf, nicht nur den Absatz von gesunden Lebensmitteln zu steigern, sondern sich auch dazu zu bekennen, den Anteil von gesunden Produkten am Gesamtumsatz zu erhöhen.

Weniger als die Hälfte des Portfolios gilt als “gesund”

Nestlé hat die Transparenz erhöht und gab letzten Monat bekannt, dass weniger als die Hälfte seines Portfolios an Mainstream-Produkten nach einer allgemein anerkannten Definition als “gesund” bezeichnet werden kann. Damit hat das Unternehmen nach eigenen Angaben “einen neuen Standard in Sachen Unternehmenstransparenz” in der gesamten Branche geschaffen.

Nestlé-Chef Mark Schneider erklärte, Nestlé habe Fortschritte bei der Reduzierung von Natrium, Zucker und gesättigten Fetten gemacht. Er wies jedoch auch darauf hin, dass es Grenzen gibt, wie weit das Unternehmen gesündere Alternativen vorantreiben könne. Er verwies auf Schokolade, die nicht als gesund angesehen würde.

Laut Simon Rawson von ShareAction sollte das Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen. Nestlé habe die Möglichkeit, der Regulierung im Lebensmittelbereich “einen Schritt voraus” zu sein.

Kein Vorstoss an der Generalversammlung

Jüngste Untersuchungen der World Obesity Federation hätten gezeigt, dass bis 2035 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung unter Übergewicht oder Adipositas leiden würde, “wenn nicht sofort ernsthafte Massnahmen” ergriffen werden. “Nestlé als weltgrösster Nahrungsmittel- und Getränkehersteller könnte so viel mehr tun, um die Gesundheit der Bevölkerung zu unterstützen.”

ShareAction will weiter “konstruktiv” mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten. Das NGO sei aber bereit, “unser Engagement zu verstärken”, wenn das Unternehmen nicht die notwendigen Zusicherungen gebe. Noch befindet sich Nestlé noch nicht dort, wo ShareAction es haben will. Jessica Attard, Programmdirektorin bei ShareAction, sagte. “Die Antworten von Nestlé auf viele unserer Fragen waren ziemlich dürftig.”

Die Aktionärsvertreterin wollte zunächst mit einem Vorstoss direkt Einfluss auf die Generalversammlung zu nehmen. Sie hat sich jedoch entschieden, die Sache vorerst ruhen zu lassen. “Wir haben uns dazu entschlossen, weil Nestlé zugestimmt hat, weiterhin mit uns zusammenzuarbeiten”, sagte Jessica Attard.

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