Die Bundesanwaltschaft prüft zurzeit drei Strafanzeigen wegen Verdachts auf Bestechung fremder Amtsträger, weil fünf schwerreiche Wirtschaftsführer am 5. November bei einer Audienz im Oval Office dem US-Präsidenten eine goldene Rolex und einen Goldbarren überreichten. Und so im Urteil der Bundesbehörden einen entscheidenden Beitrag dazu leisteten, dass Trump etwas weniger hart mit dem Zollhammer auf die Schweiz haut, als es noch Anfang August den Anschein gemacht hatte.
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass Alfred Gantner und seine selbstlosen Mitstreiter wegen der Geschenkmission im Weissen Haus kaum je vor dem Richter stehen werden. Einige Gedanken zum «Gschänkli»-Machen seien angesichts der Jahreszeit dennoch erlaubt. Man kennt es von Einladungen zu Geburtstagen und anderen freudigen Anlässen und hat es vielleicht in einem Anflug grosszügiger Bescheidenheit selber schon vermerkt: «Geschenke unerwünscht».
Ein Blick in die Archive zeigt, dass solche Gedanken auch unserer Regierung nicht fremd waren. Der Protokollchef des Bundes, Botschafter Hansjakob Kaufmann, schrieb dem Bundeskanzler am 3. März 1980: «Herr Bundesrat Honegger hat mich kürzlich auf das Problem hingewiesen, das sich daraus ergibt, dass die Praxis im Austausch von Geschenken in mehr als einer Hinsicht uneinheitlich ist, nämlich einerseits von Departement zu Departement, aber auch von Besucher zu Besucher. Er bat mich abzuklären, ob nicht eine Vereinheitlichung im Sinne einer weitestgehenden Restriktion im Austausch von Geschenken bzw. einer völligen Abschaffung dieser Höflichkeitsfloskel möglich wäre.»
Sauberste und einfachste Lösung verworfen
Für den Protokollchef wäre die völlige Abschaffung «zweifellos die sauberste und auch einfachste Lösung» und deshalb anstrebenswert. Der Diplomat gab aber umgehend zu bedenken, dass der Austausch von Geschenken in vielen Staaten eine derart fest verwurzelte Tradition sei, «dass Minister-Besuche ohne Geschenk-Austausch dem dortigen Denken völlig fremd sind und ein solcher Austausch als ganz selbstverständlich stillschweigend vorausgesetzt wird». Träte die schweizerische Seite dann ebenso stillschweigend und selbstverständlich ohne Geschenke auf den Plan, ergäben sich peinliche oder gar heikle Situationen, befürchtete Kaufmann. Und machte auf die Praxis des Protokolldienstes aufmerksam, wonach noch vor der Abreise einer Delegation sondiert werde, «wie die Frage der Geschenke von der Gegenseite gehandhabt zu werden wünscht, wobei jeweils deutlich gemacht wird, dass die schweizerische Seite nicht Wert auf Geschenke lege, dass sie aber nationale ’Tabus’ nicht unnötig verletzen wolle.»
«Einigt man sich auf die Eliminierung der Geschenke, ist das Problem erledigt», fügte der Protokollchef in seiner Notiz hinzu. Und weiter: «Im anderen Fall gilt es zu sondieren, was die Gegenseite als Geschenk vorsieht, um ungefähr auf demselben Niveau zu bleiben und, falls nötig, die Gabe allzu luxuriöser Geschenke im vornherein zu verhindern.*
Sieben Tage später, am 17. März 1980, nahm der Bundesrat von den Überlegungen des Protokollchefs Kenntnis und beschloss: Die Departementschefs werden eingeladen, rechtzeitig (etwa 3 Wochen vorher) vor Besuchen im Ausland oder vor dem Empfang ausländischer Regierungsmitglieder Kontakt mit dem Protokoll des EDA aufzunehmen, zwecks Frage allfälliger Geschenke. Anderthalb Jahre später landete das Problem der Geschenke erneut auf dem Tisch Kaufmanns. Der damalige Bundespräsident Kurt Furgler bat nämlich den Protokollchef jenem Bürger aus Appenzell zu antworten, der sich über das Hochzeitsgeschenk des Bundesrats an das britische Thronfolgerpaar Charles und Diana geärgert hatte.
Grundsätzliches zum Hochzeitsgeschenk an Charles und Diana
«Ihr Vorschlag, der Bundesrat möge symbolisch auch einem Ihnen bekannten Hochzeitspaar eine Uhr als Hochzeitsgabe schenken, zeugt von sympathisch-demokratischen Empfinden», schrieb der Protokollchef. Und erinnerte aber an die «grundsätzliche Tatsache», dass der Bundesrat dem britischen Erbprinzen nicht deshalb ein Hochzeitsgeschenk gemacht habe, «weil er sich von der lächerlichen Massenhysterie um die ‘Hochzeit des Jahrhunderts’ hätte anstecken lassen». Vielmehr sei es internationaler Brauch, dass an amtierende oder künftige Staatsoberhäupter, ein Geschenk übergeben werde, wenn sie sich verheiraten.
Auch ein gut demokratisch gewählter Staatschef würde bei seiner Heirat vom Bundesrat mit einem Geschenk – und nicht etwa mit einem minderwertigen – bedacht, versicherte der Protokollchef und konnte sich einen kleinen Werbespot für die hiesige Uhrenindustrie nicht verkneifen. «Dass wir auf diese Weise wieder einmal vor aller Welt darauf hinweisen konnten, dass nicht nur in Japan, sondern auch in der Schweiz Uhren fabriziert werden, ist angesichts der Exportschwierigkeiten der schweizerischen Uhrenindustrie (und den dort gefährdeten Arbeitsplätzen) auch nicht ganz ohne Bedeutung.» Und zum Trost an den mutmasslich enttäuschten Briefempfänger fügte der Protokollchef hinzu, «dass kein einziger unserer heutigen Bundesräte, als er sich seinerzeit als gewöhnlich Sterblicher verheiratete, vom damaligen Bundesrat ein Geschenk bekommen hat.»
Eine IWC für Marschall Tito zum 80.
Apropos Uhren: Sie werden vom Bundesrat nicht nur zu Heiraten verschenkt, sondern auch zu runden Geburtstagen von Staatsoberhäuptern. Davon zeugt ein Berief des Schweizer Botschafters in Jugoslawien, Hans Keller, vom September 1972 an den Schaffhauser Uhrenproduzenten IWC. Der Bundesrat hatte dem jugoslawischen Staats- und Parteichef Josip Broz Tito am 7. Mai 1972 zum 80. Geburtstag eine IWC-Uhr geschenkt. Mit einiger Verspätung informierte Botschafter Huber die Schaffhauser nun über ein Foto samt Unterschrift des Marschalls und den auf Serbokroatisch verfassten Worten: «Ich bin für dieses Geschenk dankbar und halte diese für die beste Uhr, die ich je gehabt habe.» Mehr könne die IWC nicht erwarten, schieb Keller, Tito gelte nämlich als hervorragender Kenner erstklassiger und hochwertiger Uhren, so dass sein Urteil entsprechend hoch zu werten sei. Der Botschafter verwies IWC ferner auf Titos Wunsch, sein Lob «unter keinen Umständen» in der Presse oder in Werbeschriften zu verwenden.
Es müssen aber nicht immer Uhren sein. Zum 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft schenkte Indien der Schweiz im August 1991 zwei Indische Löwen. Der damalige Aussenminister René Felber konnte an der feierlichen Übergabe der beiden seltenen Tiere an den Zürcher Zoo am 15. August zwar nicht teilnehmen. Er danke Zoo-Direktor Alex Rübel einen Monat später aber überschwänglich für dessen Idee, als Gegengeschenk drei Schnee-Leoparden nach Indien zu senden. Allerdings wurde der Plan nicht, wie ursprünglich vorgesehen, während Felbers Besuch in Indien vom Oktober 1991 verwirklicht, sondern erst am 11. April 1992 in Darjeeling im Vorder-Himalaya.
Was soll man Trump noch schenken?
Hinsichtlich der Geschenk-Diplomatie darf man auf den kommenden 14. Juni gespannt sein. Dann nämlich wird Donald Trump 80 Jahre alt. Eine Schweizer Uhr hat er bereits, und an Tieren scheint er wenig interessiert, hat er im Unterschied zu früheren Präsidenten doch kein Haustier. Die Öffentlichkeit dürfte dennoch vom Geschenk aus Bern erfahren, wenn es denn ein solches überhaupt gibt. Denn anders als der jugoslawische Diktator macht Trump kein Geheimnis daraus, wer ihm mit welchen Gaben zu Füssen liegt oder sich einem anderen Körperteil widmet.
*Die Archivfunde stammen alle aus der Online-Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz.

