Jetzt gibt es auch Meme-Coins – oder ordinär ausgedrückt Shit-Coins – auf der Bitcoin-Blockchain. Es dürfte den Bitcoin-Puristen nicht gefallen, dass auf der «Original-Blockchain» mit Ordinals und Runes Erweiterungen möglich sind, die Anwendungen erlauben, die über die ursprünglich sichere und dezentrale Zahlungs- und Wertaufbewahrungsfunktion hinausgehen.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Bitcoin-ETFs: Blackrock wartet auf die grossen Fische
• Tether erzielt Rekord-Quartalsgewinn
«Bitcoin-Maximalisten finden diese Entwicklung nicht lässig, aber es lässt sich nicht viel machen», sagt Patrick Heusser, Senior Trader der G-20 Group. Der Bitcoin funktioniere wie die Schweiz, per Abstimmung. Jeder Miner kann entscheiden, ob er einem neuen upgegradeten Code folgt. Bisher hat die Masse mitgezogen. Es gibt aber immer Fundamentalisten. In der Vergangenheit gab die Erhöhung des Blockspace Anlass zu heftigen Disputen und führte im August 2017 zur Fork (Abspaltung) des Bitcoin Cash.
Eine zweite Ebene wird hinzugefügt
Auf die Frage ob Runes und Ordinals die Grundidee des Bitcoins verletzen und das Protokoll verwässern würden, antwortet Heusser: «Die Bitcoin-Blockchain ist nicht konstruiert worden, um jegliche Peer-to-Peer-Transaktionen auszuführen. Konzipiert wurde die Chain für grosse, finale Transaktionen». Die Blockchain sei zuwenig skalierbar, um eine Vielzahl von Kleinsttransaktionen abzuwickeln.
Weil die Blockchain zu langsam und wenig Block-Space vorhanden ist, versuche man eine zweite Ebene (Second Layer) aufzubauen, auf der kleine Transaktionen abgewickelt werden. Im Grundsatz ändere sich nicht viel – der Grundgedanken bleibe der Gleiche: Unzensierbare, dezentralisierte und fälschungssichere Transaktionen. Der Trader ergänzt: «Ich bin kein Fan dieses Hypes. Es wird nichts Neues erfunden, es geht nur um Spielereien».
«Innovation beim Bitcoin nicht abgeschlossen»
Die Meinungen gehen auseinander, ob die Bitcoin-Grundidee verletzt wird. «Ich finde nicht, da man die grundlegenden Gedanken von Bitcoin immer noch verwendet», sagt Joël Kai Lenz, Manager bei der Bitcoin-App Relai. Ob es nun gut sei, dass Tokens oder NFT auf Bitcoin kommen, sei dahingestellt. Aber es sei spannend zu sehen, dass man Bitcoin nun auch für das verwenden könne, fügt er an.
«Das Runes-Protokoll für Bitcoin zeigt, dass die Innovation auch hier noch nicht abgeschlossen ist», ergänzt Daniel Diemers von der SNGLR Group und Co-Founder der Swiss Metaverse Association. Im vergangenen Jahr sei die schon etwas ältere Idee der «colored coins» mit den Ordinals wieder aufgenommen worden und zum ersten Mal waren NFT nun auch auf der Bitcoin Blockchain möglich.
Mit dem Halving gestartet
Beide Innovationen stammen aus der Küche des berüchtigten Blockchain-Entwicklers Casey Rodarmor. Direkt nach dem Bitcoin-Halving starteten am 20. April – der Zeitpunkt war wohl gewählt, um Aufmerksamkeit zu erhalten – die Bitcoin Runes. Inzwischen haben sich einzelne Token des neuen Protokolls durchgesetzt. Die vier grössten Runes verzeichnen bereits ein Handelsvolumen in Millionenhöhe.
«Mit dem Runes Protocol kann man im Prinzip das Gleiche machen, wie mit fast jedem anderen Blockchain-Protokoll, nämlich fungible Tokens kreieren, die dann frei verwendet werden können», sagt Diemers. Viele hätten in der Folge Meme-Coins gestartet, die vor allem zur Spekulation oder einfach zum Spass gekauft werden. Doch alle der grösseren Rune Projekte hätten in den vergangenen drei bis vier Wochen bereits deutlich an Wert eingebüsst.
Transaktionsgebühren steigen markant
Die Runes Projekte tragen schillernde Namen wie «Dog go to the moon», «Ordinals are dead» oder «Satoshi Nakamoto» und die grösseren Projekte erreichen zwei- bis dreistellige Millionenbeträge als Kapitalisierung. «Wie nachhaltige diese Projekte sind, muss sich aber natürlich noch zeigen. Für unerfahrene Crypto-Investoren würde ich diese neuen Tokens sicher nicht empfehlen», ergänzt Diemers.
Memes hatten zuletzt auf der Solana-Blockchain einen Hype ausgelöst. Wird der Bitcoin nun Konkurrenten wie Ethereum und Solana Marktgewicht abnehmen? «Theoretisch ja», sagt Lenz. Aber diese Altcoins seien eigene Blockchains mit eigenen Konsensregeln. Runes seien deshalb nicht gleich Altcoins, aber die Idee komme dem schon sehr nahe.
In den ersten zwei Stunden nach Veröffentlichung wurden fast 53’000 Runes-bezogene Transaktionen gemeldet, was etwa ein Drittel mehr als die üblichen Zahlen des gesamten Netzwerks im Februar und März entspricht. Kurz nachdem das Protokoll und damit auch die ersten Rune-Mints online gegangen waren, stiegen die Transaktionsgebühren für eine Bitcoin-Transaktion auf ein neues Allzeithoch von 130 US-Dollar.
Steigende Kosten gehören zum Konzept
Die Diskussionen über zu hohe Gebühren führte die Community gemäss Heusser schon vor acht Jahren. Auch damals fragte man: Wer macht noch mit, wenn es kein Halving mehr gibt? Ist der maximale Bitcoin-Umlauf von 21 Millionen Token erreicht, werden Transaktionsgebühren das Einkommen aus Mining komplett ablösen. Aber wenn die Transaktionsgebühren zu hoch steigen, wird die Bitcoin-Blockchain weniger genutzt. Aber Heusser ist überzeugt: «Hypes gehen vorbei, dass war mit NFT auf Ethereum ebenso.»
Steigende Gebühren sei aber die Idee hinter dem Halving, so Lenz. «Je mehr Wert der Bitcoin gewinnt, desto höher werden auch die Transaktionsgebühren – und um diese müssen die Miner dann kämpfen.» Momentan seien die Gebühren aber wegen des Traffic des Runes-Launches und den daraus entstehenden enormen Datenvolumen derart hoch, sagt der Relai-Manager.
Es fehlt der Stable-Coin als Verbindung
Runes erlaubt Nutzern die Erstellung eigener Token auf der Bitcoin-Blockchain. Das Prinzip lässt sich mit den bekannten ERC-20 Token der Ethereum-Blockchain vergleichen. Dabei können fungible und non-fungible Token lanciert werden. Auf dem im vergangenen Herbst lancierten Ordinals-Protokoll lassen sich nur NFT (Non Fungible Token) erstellen.
Erste neue Defi-Anwendungen werden auf Bitcoin ausgerollt. Die Frage ist aber gemäss Heusser weiterhin: Wie bringt man frisches Kapital auf die Bitcoin-Blockchain? «Es fehlt hier noch der Stablecoin, diese Bridge gibt es noch nicht. Deshalb ist es schwer, Kapital zu verschieben», sagt der G-20-Group-Trader.
Es gebe noch kaum Anwendungsfälle für die Runes-Token, sagt Heusser. «Es sind erst wenige und die sind noch ganz klein». Dazu gehört etwa das Alex-Protokoll, ein NFT-Marketplace. Lenz findet jedoch, dass es durchaus Anwendungsfälle gebe, vor allem wenn diese Token für Firmenzwecke oder als Utlity Token benutzt würden. «Doch rund 95 Prozent sind Shit- oder Memecoins, an denen irgendwelche Nerds einfach Spass haben und es mit ihrer Community teilen», so der Relai Manager. Wie überall im Krypto-Space sei der Grossteil Müll.
Es fehlen Tokenisierungsprojekte
Die Runes Community betont gemäss Diemers gerne, dass sich nun mit dem Bitcoin Protokoll Tokenisierungen von physischen oder digitalen Assets durchführen lassen, wie mit Ethereum oder anderen Blockchain-Protokollen. «Meine Einschätzung dazu ist, dass es uns eigentlich nicht an den technischen Lösungen fehlt, sondern eher an erfolgreichen, skalierbaren Tokenisierungsprojekten, wo die Organisation, Prozesse, aber eben auch Governance und regulatorische Zustimmung diese für Institutionelle Anleger interessant machen», sagt Diemers. Ob und wie das Runes-Protokoll etwas beitragen kann, müsse sich erst noch zeigen.
Eine Kursrally für den Bitcoin haben die neuen Token-Typen nicht ausgelöst. Im Gegenteil: Seit dem Halving und der Einführung von Runes hat der Bitcoin bei hoher Volatilität von einem Höchst deutlich über 70'000 Dollar auf aktuell rund 60’000 Dollar korrigiert. Wahrscheinlich hat das nichts mit den neuen Protokollen zu tun, sondern eher mit einem «Sell the news» nach dem Halving. In den Monaten vor der Halbierung der Belohnung für den Bitcoin-Mining-Prozess war die Notierung in Erwartung der «Verknappung» stark gestiegen. Runes und Ordinals erscheinen noch als zu schwach, um für den Bitcoin Kursrelevanz zu entwickeln.
Bitcoin bleibt König
Langfristig könnten die neuen Protokolle den Bitcoin-Kurs antreiben, glaubt Heusser. Es sei wie beim Ethereum, man müsse zuerst den Grundtoken (First Layer) kaufen, um in das Second-Layer-Ökosystem einzusteigen. Vorerst werden aber diese Volumina gemäss Heusser wohl nur einige Hundert Millionen Dollar ausmachen und wenig bewegen.
Während der Bitcoin bewiesen hat, dass er als digitales Geld und zugleich als valides Wertaufbewahrungsmittel und Schutz gegen die Inflation taugt, zeigen die aktuellen Entwicklungen die Vielseitigkeit des Netzwerks und die potenziellen Möglichkeiten, die daraus hervorgehen, ohne dass sich bisher nutzbare Anwendungen etabliert hätten. Für die Bitcoin-Miner ist die Entwicklung ebenfalls ein Lichtblick, da sie nach der Halbierung der Block-Belohnung auch neue Einnahmequellen brauchen und diese in den Gebühren durch Transaktionen finden.
Runes und Ordinals seien mehr Spiele oder Trends, die gerade aktuell seien, aber nicht lange andauern würden, glaubt Lenz. «Bitcoin ist und bleibt King und das wird sich mit solchen Spässen auch nicht ändern. Jedoch gehen die Leute gerne ins Casino und werden es mit Runes auch tun».
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Blackrock wartet auf die ganz grossen Fische
Ist es Marketing, Zweckoptimismus oder eine fundierte Prognose? Investoren dürften sich nicht von der ersten Unterbrechung der Zuflüsse in börsengehandelte Bitcoin-Spot-ETF nach 71 Tagen in Folge täuschen, sagte Robert Mitchnick, Leiter der Abteilung für digitale Vermögenswerte beim weltgrössten Vermögensverwalter Blackrock, in einem Interview. Wegen der aktuellen Kursschwäche des Bitcoins verzeichnete der Blackrock ETF am 1. Mai zum ersten Mal seit Einführung Abflüsse von Kundenvermögen.
Auf die derzeitige Flaute werde wahrscheinlich eine neue Welle von Anlegern folgen. Blackrock habe Pensionskassen, Stiftungen und Staatsfonds bei der Aufklärung über die neuen Spot-Bitcoin-ETF-Produkte unterstützt. In den kommenden Monaten könnten diese Finanzinstitutionen beginnen, mit Spot-ETFs zu handeln. Seit der Zulassung der Bitcoin-Spot-ETF in den USA haben sich deutlich über 50 Milliarden Dollar in diesen Produkten gesammelt.
Tether erzielt Rekord-Quartalsgewinn
Die Stablecoin-Adoption nimmt Fahrt auf. Davon profitiert Tether, das Unternehmen, das den Stablecoin USDT emittiert. Im ersten Quartal weist das Stablecoin-Unternehmen einen Rekordgewinn von 4,5 Milliarden Dollar aus. Der USDT ist nach Marktkapitalisierung mit 110 Milliarden Dollar der grösste Stablecoin und die Nummer drei unter den Kryptowährungen. Vom Gewinn stammt gemäss Unternehmen eine Milliarde aus den direkten Betriebsgewinnen, vor allem aus US-Treasury-Beständen. Die verbleibenden 3,5 Milliarden seien Kursgewinne bei Bitcoin- und Gold-Positionen. Tether gab zudem an, dass es allein im ersten Quartal mehr als 12,5 Milliarden USDT emittiert habe.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Vorwürfe gegen Tether, vor allem in Bezug auf die Kapitalreserven und kriminelle Transaktionen. Neben Stablecoin-Investitionen verfügt Tether auch über strategische Beteiligungen in Höhe von 5 Milliarden Dollar. Diese umfassen Bereiche wie erneuerbare Energien, künstliche Intelligenz oder Bitcoin-Mining. Diese Zahlen sind von der unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO geprüft worden.