«Naming and Shaming»
Die Nachricht war den hiesigen Zeitungen, wenn überhaupt, bloss ein paar Zeilen wert. Dass die Genfer Privatbank Mirabaud das Finanzmarkrecht schwer verletzt hat. Anderthalb Jahre nach dem Kollaps der Credit Suisse scheint die Lust nach Remedur auf dem Finanzplatz auch anderswo zu erlahmen.
23. September 2024 • Balz Bruppacher

Umso überraschender kam vergangene Woche die Mitteilung der Eidgenössischen Finanzmarkraufsicht Finma, dass Mirabaud während Jahren die Vorschriften der Geldwäschereibekämpfung missachtete und das Finanzmarktrecht schwer verletzte.

Die Bank akzeptierte das Fazit des Finma-Verfahrens und die einschneidenden Sanktionen, wehrte sich aber vor Bundesverwaltungsgericht und vor Bundesgericht gegen die Publikation der Medienmitteilung der Finma. Die Öffentlichkeit sollte nicht erfahren, dass der gesetzeswidrige Umgang mit einem Grosskunden – es ging dem Vernehmen nach um den inzwischen verstorbenen texanischen Milliardär Robert Beckman – das Haus Mirabaud betraf.

Die von der Bank engagierten Anwälte der Wirtschaftskanzlei Schellenberg Wittwer blitzten materiell jedoch auf der ganzen Linie ab. Sie erreichten mit ihren Beschwerden einzig, dass sich die Mitteilung über das im Juni 2023 abgeschlossene Verfahren um mehr als ein Jahr verzögerte.

Es geht um den Ruf des Finanzplatzes

Mit dem Übergang von der Eidgenössischen Bankenkommission zur Finma gelten seit 2009 zwar restriktivere Bestimmungen für die Informationspraxis der Aufsichtsbehörde. Informationen über einzelne Verfahren sind demnach nicht vorgesehen. Im Fall Mirabaud teilten die Gerichte aber die Auffassung der Finma, es bestehe ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis zur Information. Solche Ausnahmen sind gemäss Gesetz neben dem Schutz der Markteilnehmer und der Berichtigung irreführender Informationen insbesondere zur Wahrung des Ansehens des Finanzplatzes Schweiz vorgesehen.

Das Bundesgericht machte zudem darauf aufmerksam, dass der Bundesrat im Gefolge des Untergangs der Credit Suisse eine vermehrte Information der Öffentlichkeit im Sinne des «Naming and Shaming» vorgeschlagen hat. Demnach würde die Finma in Umkehr zur heutigen Regelung verpflichtet, grundsätzlich über alle angeschlossenen Enforcementverfahren zu informieren. Dies entfalte eine präventive Wirkung und stärke den Schweizer Finanzmarkt, heisst es im Bericht des Bundesrats vom vergangenen April.

Der Blick auf die jüngsten Verlautbarungen von Branche, Politik und Medien lässt allerdings Zweifel am Willen zu Reformen aufkommen. Die spektakulären Umstände des Falls Mirabaud wurden in den Deutschschweizer Zeitungen bloss am Rande erwähnt. Breiteren Raum finden demgegenüber Klagen über die Finma, die nach dem Fall CS und unter neuer Direktion eine härtere Gangart anschlage, was vor allem die Krypto-Branche und die Kleinen zu spüren bekämen.

Die Anwaltslobby steht erneut in den Startlöchern

Auf politischer Ebene zeichnet sich unterdessen ein Rückzugsgefecht der sogenannten «Enabler» (Anwälte, Treuhänder, Notare) gegen die Pläne des Bundesrats ab, solche Berater lichtscheuer Kunden den Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes zu unterstellen. Sie dürften auch im Fall Mirabaud eine Rolle gespielt haben, verbargen sich doch die inkriminierten Vermögenswerte von bis zu 1,7 Milliarden Dollar laut Finma hinter Firmen und komplexen Strukturen.

Die Rechtskommission des Ständerats beschloss im August, die Vorlage des Bundesrats über die Schaffung eines Registers der wirtschaftlich Berechtigten und über die Sorgfaltspflichten der Berater zu trennen und die Teilrevision des Geldwäschereigesetzes in einem separaten Entwurf zu behandeln.

Die Kommission vertrat die Meinung, die neuen Sorgfaltspflichten bedeuteten einen unverhältnismässigen Mehraufwand für die unterstellten Personen seien nicht risikobasiert ausgestaltet. Zudem bestünden Zweifel, dass die Bestimmungen mit dem Berufsgeheimnis der Anwälte vereinbar wären. Eine Minderheit der Kommission lehnte die Vorlage sogar gesamthaft ab, weil die Schweiz bereits über genügend Mittel im Kampf gegen die Geldwäscherei verfüge.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter steht damit vor dem gleichen Problem wie ihr Vorgänger Ueli Maurer, der 2020 im Nationalrat vergeblich mit folgenden Worten für eine Unterstellung der Anwälte unter das Geldwäschereigesetz warb: «Sie können doch nicht das Bild des gesamten Finanzplatzes aufs Spiel setzen, nur um die Anwälte zu schützen.»

Gelingt Keller-Sutter die Schlachtung einer «heiligen Kuh»?

Gespannt darf man auch auf die Aufnahme der jüngsten vom Bundesrat am letzten Freitag verabschiedeten Vorlage aus dem Departement Keller-Sutter sein. Hinter dem unverfänglichen Titel «Änderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes und weiterer Erlasse im Bereich der internationalen Zusammenarbeit» verbirgt sich nämlich die Schlachtung einer «heiligen Kuh». Es geht um die Abschaffung oder in einer Variante um die weitgehende Einschränkung des sogenannten Kundenverfahrens bei der internationalen Amtshilfe, das heisst um die Auskunfts- und Beschwerderechte der Kunden, die von einem internationalen Amtshilfegesuch betroffen sind.

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