Eines der wichtigsten Argumente gegen die Kryptowährung löst sich in Luft auf. Wenn Kritikern von Bitcoin die Argumente ausgehen, führen sie meist noch den CO2-Fussabdruck der Blockchain ins Feld. Insbesondere das Mining von neuen Coins benötige viel Strom für Rechner und Kühlsysteme und dieser stamme meist aus fossilen Energiequellen, heisst es dann.
Und in den Short Cuts diese Woche:
• Saylor-Buffett-Ratio sagt «Bitcoin-Blase»
Der Bitcoin verbrauche je nach Argumentation mehr Strom als die Niederlande, Polen, Belgien oder zweimal so viel wie die Schweiz. Diese Art von Meldungen sind seltener geworden, aber sie geistern immer mal wieder durch die Medien – und verfehlen bei vielen ihre Wirkung nicht. Doch wieso wird nie der Stromkonsum des globalen Mobilfunkverkehrs oder des traditionellen weltweiten Zahlungsverkehrs derart thematisiert – obwohl der Energiekonsum dort viel höher ist?
Energie macht sicher
Warum braucht der Bitcoin überhaupt so viel Energie? Der Hauptgrund liegt in den Mechanismen, die zur Sicherung und Validierung von Transaktionen verwendet werden. Diese Mechanismen, oft als «Mining» bezeichnet, erfordern komplexe Rechenprozesse und spezialisierte Hardware. Die Miner stehen untereinander im Wettbewerb, die Transaktionen durch das Lösen mathematischer Rätsel zu verifizieren. Wer das Rätsel als erster knackt und einen Block der Blockchain verifiziert, erhält für seinen Aufwand einen Bitcoin. Die Anzahl der geschürten Bitcoins nimmt zwar durch den Halving-Prozess über die Jahre ab, weil die mathematischen Aufgaben immer komplexer werden, steigt jedoch der Rechenaufwand weiter.
Diese «Umweltsünde» führte dazu, dass der Bitcoin nicht nur in der Kritik von Umweltaktivisten steht. Im Jahr 2021 machte Tesla-Geschäftsführer Elon Musk das Versprechen, man könne seine E-Automobile mit Bitcoin bezahlen, nach wenigen Monaten wieder rückgängig. Als Grund gab Musk an, die Kryptowährung sei wegen des hohen Energieverbrauchs zu umweltschädlich. Dieser Entscheid fiel in eine Zeit, in welcher der Bitcoin sehr volatil war und kurzfristig die Hälfte seines Wertes verlor. Vielleicht wollte Musk auch nur seine Autos nicht unter Wert verkaufen.
Wann und aus welchen Quellen
Die Kritik am Bitcoin besteht weiter, die Realität sieht jedoch anders aus. Entscheidend ist nämlich, wann der Strom konsumiert wird und aus welchen Quellen er stammt. Kommt der Strom aus Kohlekraftwerken oder von Solar-, Wind- oder Wasserkraftwerken?
Die Mining-Industrie ist aus vielen Ländern abgezogen, die vor allem mit Kohle Strom erzeugen. Einerseits mag die IT-Infrastruktur in diesen Ländern in Konkurrenz mit «modernen» Staaten, bei der Lösung der immer komplexeren «Mining-Rätseln» oft nicht mehr mit. Andererseits haben viele dieser Länder, die vergünstigte Energie angeboten hatten, Blackouts erlebt, die durch die Mining-Industrie mitverursacht wurden.
Solche Vorfälle gab es etwa in Kasachstan, Abchasien, Georgien, im Kosovo oder in der russischen Region Irkutsk. Bevor die chinesische Regierung im September 2021 alle Transaktionen mit Kryptowährungen verbot, hatte sie bereits in zahlreichen Regionen und Provinzen das Schürfen von Bitcoins untersagt.
Vergleich mit Ländern
Unbestritten ist, dass das Mining von Bitcoin viel Energie braucht. Damit erfüllt der hohe Energiebedarf grundlegende Funktionen: Die Sicherheit gegenüber äusseren Angriffen sowie eine dezentrale Funktionsweise. Gemäss Cambridge Bitcoin Electricity Index verbraucht das Bitcoin-Netzwerk 176,6 Terawatt-Stunden (TwH) jährlich. Das ist weniger als Südafrika mit 191,4 TwH und mehr als Ägypten mit 168,3 TwH. Wäre der Bitcoin ein Land stünde er punkto Energieverbrauch auf Platz 24. Doch sind solche Ländervergleiche überhaupt sinnvoll?
Man könnte auch sagen, dass Bitcoin 0,3 Prozent der globalen Energieproduktion braucht. Das ist etwas mehr als die Goldindustrie (131 TwH pro Jahr). Aber deutlich weniger als die Chemiebranche mit 1349 TwH. Aufschlussreich sind auch andere Zahlen. So gehen im amerikanischen Stromnetz jährlich 206 TwH in der Übertragung verloren, in der globalen Gasindustrie werden bei der Förderung oder bei zahlreichen industriellen Prozessen in der Gasabfackelung (Verbrennung von Nebengasen) 688 TwH «vergeudet».
Der Strombezug wird nachhaltiger
Warum ist auch der Vergleich des Stromverbrauchs von Bitcoin mit jenem von Ägypten, das grösstenteils auf fossile Energieträger setzt, zudem wenig sinnvoll? Ein grosser und wachsender Anteil der Energie, welche die Blockchain verbraucht, kommt aus erneuerbaren Quellen wie der Wasserkraft oder ist überschüssig. In neuen Untersuchungen wird dargelegt, dass der Bitcoin sogar zur Förderung erneuerbarer Energien beitragen kann.
Erneuerbare Energiequellen wie Wind- oder Solarenergie haben einen grossen Nachteil – solange es keine effizienten Speichermöglichkeiten für Strom gibt. Die so erzeugte Energie kann nicht effizient genutzt werden, da die Produktionsspitze oft in Zeiten geringer Nachfrage anfällt. Vereinfacht gesagt wird an sonnigen, windreichen Tagen am meisten nachhaltige Energie produziert – dafür kaum in kalten, windstillen Nächten. Ein effizientes Speichern dieser überschüssigen Energie ist momentan noch sehr kostenintensiv. Bitcoin kann hier Abhilfe schaffen.
Der Bitcoin kommt zum Strom
An verschiedenen Orten haben Bitcoin-Miner ihre Rechenzentren in der Nähe von Wasserkraftwerken, Solar- und Windenergieanlagen platziert. So profitieren sie von günstigem Strom und tragen zur Stabilisierung des Stromnetzes bei. Die Miner fahren in Spitzenzeiten ihre Mining-Aktivität zurück. Wenn die Stromnachfrage (und die Preise) tief sind, kommen die Mining-Geräte wieder ans Netz. Im Gegensatz zu anderen Industrien kann die Bitcoin-Produktion schnell und mit wenig Aufwand ein- und ausgeschaltet werden. Das Bitcoin-Mining erhöht damit die Effizienz der Stromnetze.
Wenn Mining-Standorte gut gewählt werden, kann die von den zahlreichen Rechnern erzeugte Wärme genutzt werden, um Immobilien in der Umgebung zu heizen. Neben dem Nutzen des günstigen Stroms ist das eine weitere Möglichkeit, die Energiekosten zu senken. Die US-Gesellschaft Marathon Digital, der grösste kotierte Bitcoin-Miner nutzt in einem Pilotprojekt Methangase, die in Abfalldeponien entstehen, zur Stromerzeugung. Dadurch wird die Belastung durch das Treibhausgas Methan für die Umwelt reduziert.
Studien stützen Interessen der Auftraggeber
In einem Meinungsartikel in der Anlegerzeitung «Finanz und Wirtschaft» zerzaust der österreichisch-iranische Ökonom und Publizist Rahim Taghizadegan die Studien, welche die «Umweltschädlichkeit» des Bitcoins anprangern. «Leider bedeutet Expertise im geschützten Bereich das Fehlen jeder Konsequenz und damit Verantwortlichkeit für falsche Prognosen», schreibt der Ökonom. Das habe dazu geführt, dass die Prognosen von Ökonomen im Durchschnitt schlechter seien als reiner Zufall. Der Zweck sei letztlich nicht bessere Einschätzung der Zukunft, sondern Rationalisierung von mächtigen Interessen – meist jener, welche die Ökonomengehälter bezahlen.
Der Laie folgt gemäss Taghizadegan in seinem Argument – wie so oft – mittlerweile widerlegter, bereits veralteter Expertise. Erste Artikel zum Energieverbrauch von Bitcoin hätten bei mangelhafter empirischer Basis allzu hohe CO2-Emissionen vermutet. Mittlerweile sei die Datenlage klar, und zehn der elf aktuellsten wissenschaftlichen Arbeiten würden die Klimaauswirkung von Bitcoin sogar positiv sehen.
Private Subventionen für die Energiewende
Der Ökonom erklärt dieses auf den ersten Blick kontraintuitive Ergebnis: «Während bei öko-sozial bevorzugten Proof-of-Stake-Blockchains passive Halter von Coins neue Coins ohne Aufwand bekommen, führt der energieintensive Proof-of-Work-Prozess von Bitcoin zu überraschenden Anreizen: Nur, wer im harten Wettbewerb um Zugang zur günstigsten Energie besteht, erhält neue Bitcoins. Die günstigste Energie ist jene, die sonst keine Verwendung findet: Energiespitzen der erneuerbaren Energie und – noch besser – ungenutzt in die Atmosphäre austretendes Methan, das abgefangen und einer Verwertung zugeführt werden kann. Die überwiegende Mehrheit der Bitcoin-Miner operiert mittlerweile mit solchem Strom, der Energiemix wird zunehmend grüner».
Bitcoin liefere private Subventionen für die Energiewende, ohne dass Steuerzahler die Rechnung begleichen müssen. Das mache Bitcoin bei den Steuergünstlingen nicht beliebter, folgert Taghizadegan.
Die Mär vom intrinsischen Wert
Ist vielleicht die verbrauchte Energie der Wert, der den Bitcoin ausmacht? Oft bemängeln Kritiker den fehlenden «intrinsischen Wert» des Bitcoins. Zuerst ist ein Wert niemals intrinsisch – auch Gold hat keinen Wert, der «es aus dem Innern antreibt». Des Weiteren hat das Bitcoin-Netzwerk als freies, inklusives und nicht zensierbares Geld- und Wertaufbewahrungssystem für Millionen Menschen auf der Welt einen Nutzen, der auch objektiv feststellbar ist.
Ob man es für gerechtfertigt hält, ob für so etwas, das unter anderem von der Human Rights Foundation als «wichtiges Werkzeug für Menschenrechte» bezeichnet wird, viel Energie verwendet wird, muss jeder subjektiv für sich selbst entscheiden.
Short cuts: News aus der digitalen Welt
Saylor-Buffett-Ratio sagt «Bitcoin-Blase»
Um die neue, boomende Krypto-Anlageklasse besser vermessen zu können, sind neue Kennzahlen gefragt. Eine, die helfen soll, die Stimmung der Investoren zu eruieren, ist die sogenannte Saylor-Buffett-Ratio. Entwickelt hat dieses Owen Lamont, ein ehemaliger Finanzprofessor und heute Portfoliomanager bei Acadian Asset Management.
Für das Ratio verfolgt Lamont die relative Performance von zwei Aktien: jene von Berkshire Hathaway, die Beteiligungsgesellschaft von Warren Buffett, die in «langweilige, alte» Unternehmen investiert und MicroStrategy, Michael Saylors Software-Unternehmen, dass aggressiv mit eigenen Reserven und Fremdkapital Bitcoin kauft.
Das Saylor-Buffett-Verhältnis soll ein Indikator für Angst und Gier auf dem Markt sein. Während Berkshire im laufenden Jahr um 31 Prozent avanciert ist, hat MicroStrategy 400 Prozent zugelegt. Infolge der besseren Renditen von MicroStrategy ist das Saylor-Buffett-Verhältnis auf ein Niveau gestiegen, das seit 2000 nicht mehr erreicht wurde.
Dieses Rechnen mit historischen Daten ist aber wenig sinnvoll, da es zur Jahrtausendwende keinen Bitcoin gab. Das ist Lamont egal, der schreibt: Er wisse nicht, ob wir uns in einer KI-Blase befinden, aber es fühle sich auf jeden Fall so an, als würden wir uns in einer Krypto-Blase bewegen. Im Moment haben wir gemäss Lamont zwei weitgehend getrennte Erzählströme: KI und Krypto. Wenn sich diese beiden Ströme kreuzen würde, wäre das nicht gut.
Den Hype um MicroStrategy zeigen auch folgende Punkte: In den vergangenen Tagen waren die Aktien des Software-Unternehmens die meistgehandelten US-Titel – deutlich vor Nvidia und Apple. Saylor kündigte auf X an, dass er aufgrund der hohen Nachfrage die im Jahr 2029 auslaufende Wandelanleihe mit 0 Prozent Verzinsung von 1,75 Milliarden auf 2,6 Milliarden Dollar aufstocken werde. Das gibt ihm zusätzliche 850 Millionen Dollar, um neue Bitcoins zu kaufen.