Analyse
Der Staat muss bereit sein, die mit jederzeit mit Milliarden einzugreifen. Damit kommt auch die Frage nach der Entschädigung für die faktischen Staatsgarantie auf den Tisch.
23. Dezember 2024 • Beat Schmid

Wenn es eine Erkenntnis aus dem 569-seitigen PUK-Bericht gibt, dann diese: Die Grossbanken-Regulierung funktioniert nicht. Sie hat den Stresstest nicht bestanden. Jetzt ist der Bundesrat gefordert, der im neuen Jahr eine Reform der Regulierung vorlegen wird. Er muss sich beeilen. Er steht unter Zeitdruck: Die Arbeit der PUK hat den überfälligen Reformprozess bereits um 18 Monate verzögert.

Es geht um die sogenannte Too-Big-to-Fail-Gesetzgebung (TBTF). Sie wurde 2012 eingeführt und in den Folgejahren erweitert und verschärft. Das Gesetz wurde als eine direkte Folge des Zusammenbruchs der UBS im Jahr 2008 eingeführt. Schon damals musste der Bund mit Notrecht und Steuergeldern in Milliardenhöhe eingreifen, um die Grossbank zu retten. Später, in Zusammenhang mit dem Steuerstreit, musste der Bund erneut Notrecht anwenden. Nur so konnte die UBS vor einer potenziell fatalen Anklage in den USA geschützt werden.

Auf der Website des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) kann man nachlesen, welche Ziele der Bund mit der Gesetzgebung ursprünglich verfolgte: Die TBTF-Regelung sollte zu einer «deutlichen Erhöhung des Umfangs und der Qualität der Eigenmittel» führen. Damit sollte die «Widerstandsfähigkeit gestärkt» werden. Zweitens: «Im «schlimmsten Fall eines Konkurses sollte sich dank den TBTF-Massnahmen das systemrelevante Schweizer Geschäft fortführen lassen.»

Wie der PUK-Bericht zeigt, wurden beide Ziele bei der Credit Suisse verfehlt. Das liegt erstens daran, weil die Regulierung nicht konsequent umgesetzt wurde. Der Credit Suisse wurden umfassende Erleichterungen gewährt, die die Regelung ad absurdum führte. Der von der Finanzmarktaufsicht (Finma) gewährte regulatorische Filter ermöglichte es der Bank, eine Lücke beim Eigenkapital von bis zu 10 Milliarden Franken zu verschleiern. Es gab also kein Mehr an Eigenkapital, sondern ein Weniger.

Zweitens funktionierten auch zum Schutz der Gläubiger und der Steuerzahler eingeführten Abwicklungsmechanismen nicht oder erwiesen sich als völlig untauglich in der Praxis. Man glaubte, mit der TBTF–Regulierung ein tragfähiges Sicherheitsnetz für taumelnde Grossbanken gespannt zu haben. Wenn das Eigenkapital unter eine gewisse Schwelle fällt, dann werden spezielle, für den Notfall gebildete Kapitalreserven aktiviert und in neues Eigenkapital umgewandelt. Auf diese Weise glaubte man, sichergestellt zu haben, dass Grossbanken unsinkbar und die Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten würden. Für den Fall eines Totalzusammenbruchs wurden in die Organisation der Geldinstitute zudem Sollbruchstellen eingebaut, um das systemrelevante Inlandgeschäft vom Rest zu trennen.

Nichts funktionierte

Bei der Credit Suisse funktionierte nichts davon. Als sich die Krise am Wochenende vom 18. und 19. März 2023 zuspitzte, stand neben einer Sanierung oder einer Abwicklung – wie sie das TBTF-Gesetz vorsieht – plötzlich eine vorübergehende Verstaatlichung der Credit Suisse im Raum, im Fachjargon Temporary Public Ownership (TPO) genannt: eine Alternative für den Fall, dass die Verhandlungen mit der UBS scheitern. Gemäss PUK-Bericht wurde eine Sanierung oder Abwicklung gemäss TBTF-Regel «insgesamt schlechter eingeschätzt als eine direkte Beteiligung des Bundes».

Am Sonntag des 19. März lag sogar ein Bundesratsantrag vor, der die staatliche Übernahme der CS geregelt hätte. Dieser Entwurf wurde vorbereitet, weil es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Einigung zwischen den beiden Grossbanken gab. Die Beteiligten des Finanzdepartements waren überzeugt, dass eine temporäre Verstaatlichung «am wenigsten negative Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft und wohl auch für das globale Finanzsystem zeitigen dürfte». Auch Nationalbank-Chef Thomas Jordan machte sich schon früh für eine Verstaatlichung als Alternative stark. Einzig die Finma als Umsetzerin der TBTF-Regulierung zog eine Abwicklung nach Gesetz vor.

Auch für den UBS war klar, dass eine Abwicklung oder Sanierung verhindert werden müsste. Das geht aus Verwaltungsratsprotokollen hervor, die der PUK vorlagen. Das Spitzengremium der Bank kamen zur Überzeugung, dass das «Schweizer Finanzsystem extrem an Glaubwürdigkeit einbüssen sowie die UBS einen grossen Reputationsschaden erleiden und viele Kundinnen und Kunden verlieren würde».

Welche Lehren aus dem Debakel?

Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, welche Lehren daraus zu ziehen sind. In neuen Jahr kommt die Reform der Grossbanken-Regulierung auf den Tisch. Es geht um mehr Eigenkapital, Vergütungsregeln und um Abwicklungspläne. Was auch immer die Politik machen wird, ein Problem wird sie wohl kaum ausräumen können: Der Rettung einer global systemrelevanten Bank ohne Beteiligung des Staates wird es wohl nicht geben.

Die CS-Rettung zeigt vielmehr, dass selbst ein einer privatwirtschaftlichen Lösung, wie das die Fusion von UBS und CS vermeintlich war, der Staat mit 259 Milliarden Franken ins Risiko gehen musste. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, warum dies bei einem nächsten Zusammenbruch anders sein sollte. Akzeptiert man diese Realität, muss auch offen über die faktische Staatsgarantie diskutiert werden, die Grossbanken nach wie vor geniessen – und auch darüber, wie viel diese Staatsgarantie kosten soll.

Die Regierung in Bern darf sich keinen Illusionen hingeben: Egal, wie ausgeklügelt das neue TBTF-Regime sein wird, der Bundesrat muss jederzeit bereit sein, mindestens 100 Milliarden Franken an Rettungsgeldern zur Verfügung zu stellen. Dass er dafür von der letzten verbliebenen Grossbank der Schweiz eine Bereitstellungskommission verlangen muss, sollte in einem liberalen System eigentlich allen klar sein.

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