Heute Donnerstag hat Stefan Billiger seinen ersten Arbeitstag bei der Bank Julius Bär. Er findet ein Institut vor, das in den letzten Jahren stark gewachsen ist - bei den Erträgen, aber noch stärker bei den Kosten. Insgesamt beschäftigt der Zürcher Private-Banking-Tanker 7500 Mitarbeitende, davon 1389 Kundenberaterinnen und -berater.
Besonders gross ist bei Bär die Konzernleitung. Mit Bollinger als neuem CEO steigt die Zahl der Konzernleitungsmitglieder auf 15 – CEO a.i. Nic Dreckmann kehrt in seine Rolle als COO zurück. Neben Pflichtfunktionen wie dem Chief Financial Officer oder dem Chief Risk Officer sowie den Leitern wichtiger Regionen wie Asien und Schweiz/Europa gehören auch eine Leiterin «Client Strategy & Experience» sowie der Chief Investment Officer der Konzernleitung an – Funktionen, die bei anderen Banken weiter unten angesiedelt sind.
Der Ausbau geht auf Philipp Rickenbacher zurück, der ihn kurz vor dem Ausbruch des Benko-Skandals umsetzte. Die Bank wolle damit «näher an den Kunden und ihren Bedürfnissen sein und das Wachstum der Gruppe beschleunigen», hiess es damals. Wahrscheinlicher war, dass Rickenbacher mit mehr Köpfen in der Geschäftsleitung und der damit verbundenen Zersplitterung der Verantwortlichkeiten seine Machtposition stärken wollte. Geholfen hat es ihm nicht – vor einem Jahr trat er unter Druck zurück.
Einleuchtend war der Schritt ohnehin nie. Mit der Erweiterung hat die Bank ihren Aktionären zusätzliche Kosten aufgeladen. Und nicht nur das. Früher traf sich die Bär-GL einmal im Monat. In der erweiterten Zusammensetzung sollte dies seltener der Fall sein. Mehr Effizienz versprach man sich von der Bildung von Ausschüssen.
Ausserdem: Für den Verwaltungsrat wurde es schwieriger, den Überblick über die Geschäfte und Zuständigkeiten zu behalten. Wen soll der Verwaltungsrat zu einer Sitzung einladen, wenn er sich ein Bild über die Marktentwicklung in Asien machen will? Den Asienchef Jimmy Lee Kong Eng oder Rahul Malhotra, den Leiter Emerging Markets? Es wäre eine Überraschung, wenn Stefan Bollinger hier mit der Zeit nicht die Axt ansetzen würde.
Kosteneffizienz ganz oben auf der Prioritätenliste
Kosteneffizienz dürfte bei Bollinger ohnehin ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Per Ende Oktober 2024 stieg die Cost/Income Ratio auf 71 Prozent, nach 69 Prozent im Gesamtjahr 2023. Damit entfernte sich die Bank von ihrem mittelfristigen Ziel, die Cost/Income Ratio bis Ende 2025 auf unter 64 Prozent zu drücken. Der neue CEO wird auf die Kostenbremse treten müssen – um in den angestrebten Zielkorridor zu kommen.
Nach über einem Jahr Interregnum mit Nic Dreckmann an der Spitze ist der Benko-Skandal aus Aktionärssicht mehr oder weniger ausgestanden. Mit knapp 60 Franken und einer Börsenkapitalisierung von 12 Milliarden befindet sich die Bank auf einem ähnlichen Niveau wie vor der 606-Millionen-Kredit-Pleite mit dem österreichischen Immobilien-Tycoon. Das unrühmliche Kapital vernichtete zwei Milliarden Franken Börsenwert.