Analyse
Die Finma geht mit der schärfsten Waffe gegen die Privatbank vor. Schiesst die Behörde übers Ziel hinaus?
18. Februar 2025 • Beat Schmid

In der englischen Kurzfassung des Geschäftsberichts von Julius Bär steht: «The credit event and its wider context are also subject to regulatory enforcement assessments by the Swiss Financial Market Supervisory Authority Finma». Beim Credit Event handelt es sich um den Grossverlust im Zusammenhang mit dem gescheiterten Immobilieninvestor René Benko. Die Bank hat insgesamt 600 Millionen Franken abgeschrieben.

Ein Enforcementverfahren ist die schärfste Waffe der Finma. Sie kommt zum Einsatz, wenn «Finanzmarktgesetze womöglich verletzt worden sind oder Missstände vorliegen». So steht es auf der Website der Aufsichtsbehörde. Und weiter: «Die Finma klärt den Verdacht auf eine Rechtsverletzung zunächst formlos ab und eröffnet, wo notwendig, ein formelles Verfahren.»

Das ist nun geschehen. Doch gegen welche Finanzmarktgesetze die Bank möglicherweise verstossen hat und welche Missstände die Behörde vielleicht festgestellt hat, will die Finma auf Anfrage nicht sagen. Ein Sprecher der Behörde schreibt dazu: «Die Finma kann bestätigen, dass sie nach längeren und rigorosen Abklärungen die Eröffnung eines Verfahrens gegenüber der Bank Julius Bär angezeigt hat.» Zu weiteren Details äussert sich die Finma nicht.

So bleibt unklar, weshalb die Finma zum Schluss gekommen ist, dass ein allfälliger Missstand nur mit einem Enforcement-Verfahren und nicht im Rahmen der laufenden Beaufsichtigung behoben werden kann. Auch im Gespräch mit verschiedenen Exponenten der Bank wird nicht klar, was die Finma Julius Bär oder einzelnen Mitarbeitenden der Bank vorwirft, das ein Enforcement-Verfahren rechtfertigen würde. Ein Sprecher der Bank lehnte eine Stellungnahme ab.

Meist geht es um Geldwäscherei

Betrachtet man die Enforcement-Historie, so ermittelt die Finma vor allem dann, wenn es um die Aufklärung klarer Verstösse geht. In der Hälfte aller Fälle geht es um Geldwäscherei oder um die unerlaubte Entgegennahme von Publikumseinlagen. Im Fall der Geschäftsbeziehung mit René Benko ist die Bank zwar erhebliche Risiken eingegangen, und ja, es ist ein grosser Verlust und ein Imageschaden entstanden.

Aber hat die Bank wirklich gegen geltendes Finanzmarktrecht verstossen? Hat sie nicht vielmehr einen grossen Flop produziert, wie er im Bankgeschäft leider immer wieder vorkommt? Und somit Teil des Geschäfts mit Risiken ist?

Der Finma dürfte es kaum um die Person René Benko gehen. Dann müsste die Behörde auch andere Schweizer Banken ins Visier nehmen, die mit dem Österreicher Geschäfte gemacht haben. Zum Beispiel die Graubündner Kantonalbank sowie andere Kantonalbanken und die Credit Suisse, die einen Grosskredit für das Zürcher Warenhaus Globus organisiert hat.

Die internen Genehmigungs- und Onboarding-Prozesse scheinen auch im Fall des Private-Debt-Engagements eingehalten worden zu sein. Der Kredit wurde in letzter Instanz vom Verwaltungsratspräsidenten Romeo Lacher bewilligt. Kein subalterner Mitarbeiter hat diesen Deal heimlich und unter Umgehung aller Regeln durchgezogen.

Finma war nicht blind

Auch war die Finma nicht blind. Gemäss einer Auskunftsperson müssen solche Engagements wie mit René Benko im Rahmen des aufsichtsrechtlichen Reportings dem Regulator offengelegt werden. Die Finma müsste die Kreditposition also gesehen haben.

Zudem hat die Bank seit dem Abschreiber Anfang 2024 bereits mehrere Massnahmen ergriffen, CEO Philipp Rickenbacher ist zurückgetreten, der Vorsitzende des Risikoausschusses im Verwaltungsrat ebenfalls. Dann hat die Bank entschieden, das Private-Debt-Buch herunterzufahren. Julius Bär trennte sich auch von einem Mitarbeiter, der für diesen Bereich verantwortlich war. Zudem konnte die Bank den Abschreiber finanziell relativ gut verkraften.

Die Finma muss triftige Gründe haben, wenn sie ein Enforcement einleitet. Es gehört nicht zu ihren Aufgaben, gegen Banken vorzugehen, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Kreditverluste erleiden.

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