Am Montag bestätigte die Finma, dass sie Julius Bär nach «langen und sorgfältigen Abklärungen» über die «Eröffnung eines Verfahrens» informiert habe. Eine Überraschung war das nicht: Die Bank und ihr neuer CEO Stefan Bollinger mussten damit rechnen, dass die Aufsichtsbehörde die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Kreditdebakel um den Immobilieninvestor René Benko im Detail klären will.
Die Aktie der Privatbank fiel am Montag um 12,6 Prozent auf 56.10 Franken. Damit gab Julius Bär die Kursgewinne der vergangenen zwei Monate wieder ab – trotz eines auf über eine Milliarde Franken gestiegenen Reingewinns. Stefan Bollinger dürfte gestern gemerkt haben, dass es kein Spaziergang wird, die Bank wieder auf Erfolgskurs zu bringen.
Julius Bär kündigte gestern zudem an, im Rahmen einer Umstrukturierung die Konzernleitung von 15 auf 5 Mitglieder zu verkleinern. Erst letzte Woche hatte Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher seinen Rücktritt auf die nächste Generalversammlung im April angekündigt. Er war es, der im Herbst 2023 der Erweiterung der Konzernleitung von 10 auf 15 Mitglieder zugestimmt hatte. Ein gutes Jahr später sagte er nun Ja zur radikalen Verkleinerung.
«Eine neue Führungsstruktur und eine schlankere Konzernleitung werden die Verantwortlichkeiten verbessern», sagte Bollinger gestern an einer Telefonkonferenz. Wie in solchen Fällen üblich, hat die Bank die Massnahme der Finma zur Prüfung vorgelegt. Diese hatte offenbar keine Einwände und gab grünes Licht. Das erstaunt.
Checks and Balances?
Ob damit die Verantwortlichkeiten tatsächlich verbessert werden, darüber gehen die Meinungen auseinander. Bollinger hatte in der alten Geschäftsleitung 14 direkte Berichtslinien. Obwohl die Anzahl der direkten Berichtslinien in der Geschäftsleitung auf 4 reduziert wird, ändert sich für Bollinger kaum etwas.
Alle bisherigen Geschäftsleitungsmitglieder, die für ein Marktgebiet verantwortlich waren, berichten nun aus der zweiten Führungsebene direkt an den CEO. Die Anzahl der Direct Reports reduziert sich lediglich um zwei Personen, die neu an den COO Nic Dreckmann berichten. Das ist der eine Punkt.
Der andere, heiklere Punkt ist die Tatsache, dass neu alle Marktverantwortlichen direkt an den CEO berichten. Das Onboarding von wichtigen und potenziell problematischen Kunden findet nun praktisch vollständig ausserhalb der Geschäftsleitung statt. Stefan Bollinger ist in der neuen Struktur nicht «nur» CEO, sondern eben auch oberster Marktverantwortlicher.
Wenn die Bank beispielsweise einen PEP-Kunden (Politically Exposed Person) aufnehmen möchte, wird Stefan Bollinger in seiner Eigenschaft als oberster Marktvertreter dieses Geschäft in der Konzernleitung vertreten müssen. Welche Einwände kann der Chief Risk Officer dann noch vorbringen? Ein CEO sollte in diesen Fragen eigentlich eine unabhängige Position einnehmen. Er müsste die Diskussion zwischen Business und Risk & Compliance neutral moderieren. Mann kann sich fragen, wie und ob dies im neuen Setup noch möglich sein wird.
Hinzu kommt, dass die fünf Marktverantwortlichen, die jetzt nicht mehr in der Geschäftsleitung vertreten sind, aus regulatorischer Sicht auch keine Gewährstäger mehr sind. Das bedeutet: Ihnen kann man Gewähr erst gar nicht entziehen, wenn sie einen Fehler begehen. Ob dies die Risiken reduziert, kann ebenfalls bezweifelt werden. Zudem müssen ihre Entschädigungs- und Bonusvereinbarungen nicht mehr im Geschäftsbericht offengelegt werden.