Eigentlich müssten sich die Unsicherheiten bei CEO Urs Baumann inzwischen gelegt haben. Seit zweieinhalb Jahren steht er an der Spitze der zweitgrössten Bank der Schweiz. Trotzdem leistete er sich an der Bilanzmedienkonferenz einen peinlichen Patzer, als er die ZKB mit der Credit Suisse verwechselte. «Nach dem Wegfall der ZKB … äh, entschuldigen Sie, nach dem Wegfall der Credit Suisse …», begann der Bankchef sein Referat.
Doch nicht nur bei seinem Auftritt wirkt er unsicher. Als oberster operativer Chef der Bank scheint Baumann noch nicht richtig den Tritt gefunden zu haben. Zuletzt war das daran abzulesen, dass die Bank innerhalb weniger Tage mehrere Wechsel in der Konzernleitung bekannt gab. Zunächst vermeldete die Bank die Ernennung von Florence Schnydrig Moser zur Vize-CEO und damit zur Stellvertreterin von Baumann. Gleichzeitig kommunizierte sie den Blitzabgang des IT-Chefs, der insgesamt 24 Jahre bei der Bank war.
Keine zehn Tage später gab die Bank die Einwechslung der Chefin der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) in die Geschäftsleitung bekannt. Unter Susanne Thellung soll es beim alten Arbeitgeber zu etlichen Abgängen gekommen sein. Bei der ZKB soll sie eine neue Private-Banking-Einheit aufbauen.
Nur zwei Tage danach überraschte die ZKB mit der Ernennung eines externen Beraters in die Geschäftsleitung als interimistischer IT-Chef für den kurz zuvor abgetretenen Vorgänger – ein ziemlich unkonventionelles Manöver.
Unruhe, Nervosität und viele Wechsel
Das Stakkato an Managementwechseln sorgt für Unruhe in der Bank. Inside Paradeplatz sprach von einem Machtkampf zwischen Baumann und dem Bankratspräsidenten Jörg Müller-Ganz, der seit einer halben Ewigkeit die Oberaufsicht über die Staatsbank hat.
Unruhe, Nervosität und viele Wechsel in der obersten Geschäftsführung sind schlecht für eine Bank, die vom Vertrauen der Kunden lebt. Ist dieses dahin, sind die Gelder weg. Die Zürcher Kantonalbank hat eine eine Sonderstellung unter allen Kantonalbanken. Sie ist die einzige von 24 Banken, die von der Nationalbank als systemrelevant eingestuft wurde. Die ZKB gilt wie die UBS, Raiffeisen und Postfinance als «too big to fail». Im Krisenfall darf sie nicht untergehen.
Ihre Bilanzsumme beträgt 202 Milliarden Franken. Das ist mehr als die Wirtschaftsleistung des gesamten Kantons Zürich, die sich auf 167 Milliarden Franken beläuft und damit fast so gross ist wie die Volkswirtschaft von Ungarn. Die schiere Grösse der Bank zeigt auch: In einem Krisenfall kann der Kanton Zürich seine Bank, die dieses Jahr 550 Millionen Franken an die öffentliche Hand ausschüttet, allein nicht retten. Die vom Kanton garantierte «Staatsgarantie» nützt den Sparern und Unternehmenskunden dabei nichts. Das mächtige Zürich müsste im Krisenfall nach Bern fahren und die Eidgenossenschaft um Hilfe bitten. Deshalb sind die Vorgänge in der Bank von Bedeutung für die gesamte Schweiz.
Die ZKB war unter der alten Führung ein Fels in der Brandung. Während die Credit Suisse ihrem Ende entgegentaumelte, blieb sie standhaft. Während in St. Gallen Pierin Vincenz bei Raiffeisen wütete, baute die ZKB still und stetig ihre Position aus.
Insider sehen in den jüngst aufgekommenen Turbulenzen die Schuld beim alten Management unter dem früheren Chef Martin Scholl, der von 2007 bis 2022 an der Spitze der Bank stand. Er soll es verpasst haben, die Bank personell für die Zukunft aufzustellen. Allerdings ist das eine Sichtweise, die längst nicht von allen Beobachtern geteilt wird.
Interner Spitzenkandidat übergangen
Scholl hatte sehr wohl Nachfolgepläne, sagen informierte Quellen – nur seien diese nicht umgesetzt worden. So positionierte er mit Jürg Bühlmann (57) ein Eigengewächs als neuen CEO. Dieser verantwortet heute weiterhin das wichtige Firmenkundengeschäft, das bei kleinen bis grossen Unternehmen in Zürich, aber auch in der ganzen Schweiz eine wichtige Rolle bei ungedeckten Krediten und Devisentransaktionen spielt.
Doch der Bankrat unter Jörg Müller-Ganz hatte andere Pläne – wahrscheinlich auch, um nach der langen Ära Scholl endlich einen eigenen Akzent zu setzen. Nach einem langen Evaluationsverfahren mit 50 Bewerberinnen und Bewerbern entschied sich die oberste Leitung gegen den unaufgeregten und hochintelligenten Schaffer Bühlmann, der vom alten CEO gefördert wurde. Stattdessen fiel die Wahl auf Baumann, einen Externen, der in seiner Karriere schon weit herumgekommen ist und viele Arbeitgeber gesehen hat. Zuletzt leitete er die kleine Finanzboutique Blue Earth Capital mit 50 Mitarbeitenden.
Trotz allem: Noch ist ZKB weit davon entfernt, in akuten Schwierigkeiten zu stecken. Vor wenigen Wochen präsentierte sie das zweitbeste Resultat ihrer Geschichte. Umso wichtiger ist jetzt, dass weitere anstehende Führungswechsel sitzen. Der nächste ist bereits terminiert: Mit Stephanino Isele wird nächstes Jahr der Oberaufseher des milliardenschweren Handelsbuchs der ZKB in Pension gehen. Experimente kann sich die ZKB bei dieser Position nicht leisten.
Leute mit den richtigen Fähigkeiten an die richtigen Stellen zu setzen, ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg einer Bank. Das ist wohl die wichtigste Lektion aus der Krise der Credit Suisse. Das stimmt nicht nur für die Mitglieder Geschäftsleitung, sondern für den Verwaltungsrat beziehungsweise dem Bankrat, wie das oberste Leitungsgremium bei der ZKB heisst.
Doch der Blick auf den Bankrat zeigt: Tiefes Bankverständnis ist kaum vorhanden. Das Gremium setzt sich aus KMU-Vertretern, Professorinnen sowie Lokal- und Regionalpolitikern zusammen – jedoch ohne ein einziges Mitglied, das jemals in der Konzernleitung einer systemrelevanten Bank tätig war. Das ist ein Manko.