Digital Assets Briefing
Kraken lanciert Handel mit Google-, Tesla- und Microsoft-Token. Viele Schweizer Anbieter mischen bei DLT-Börsen mit. +++ Dazu: Der Dollar-Coin geht an die Börse +++ Trump macht den Michael Saylor
30. Mai 2025 • Werner Grundlehner

Ist das die Initialzündung, auf welche die Finanzmärkte so lange gewartet haben? Seit Jahren spricht man davon, dass Vermögenswerte bald tokenisiert würden und dann der Handel mit diesen digitalen Assets günstig und effizient erfolgen könne – damit demokratisiert würde und Kreise erreiche, die bisher nicht in Aktien investieren konnten. Doch Konkretes gab es wenig.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Der Dollar-Coin geht an die Börse
• Trump macht den Michael Saylor



In dieser Woche wurde jedoch bekannt, dass die etablierte US-Kryptobörse Kraken den Handel mit bekannten US-Blue-Chip-Aktien wie Apple, Tesla und Nvidia aufnehmen wird. Auf der Plattform, die auf der Solana-Blockchain basiert, wird ein 24/7-Handel möglich sein. US-Investoren können das Angebot vorerst nicht nutzen. Technisch erfolgt die Abwicklung über Solana, was für hohe Geschwindigkeit, geringe Gebühren und einfache Wallet-Integration spricht.

Das «Backoffice» aus der Schweiz

Kraken ermöglicht für den Anfang den Handel mit über 50 Aktien und ETF, die als sogenannte xStocks handelbar sein werden und jederzeit gegen Fiat-Währung eintauschbar sind. Jeder Token wird vollständig durch echte Aktien gedeckt, die von Backed Finance, einem auf die Tokenisierung spezialisierten Start-up aus Zug, verwahrt werden.

Mit dem Angebot positioniert sich Kraken im Wettbewerb mit Coinbase und Binance, die im Handel mit Kryptowährungen deutlich grösser sind. Mit der Tokenisierung realer Vermögenswerte bewegt sich die US-Handelsplattform aus dem «reinen» Kryptobereich hinaus und will eine Brücke zwischen der Krypto- und der traditionellen Finanzwelt bauen. Damit könnte Kraken eine neue Zielgruppe für digitale Finanzprodukte erschliessen. Gerade in Ländern ohne direkte Börsenanbindung wird damit ein niederschwelliger Zugang zu US-Aktien geboten.

Derartiges haben andere Anbieter bereits versucht. Der Vorstoss von Marktkrösus Binance im Jahr 2021 erwies sich als rechtlich wenig stabil und damit kurzlebig. Der US-Discountbroker Robinhood arbeitet an einem vergleichbaren Angebot – ebenfalls auf einer Solana-Blockchain.

Lombardkredite von der Blockchain

«Dies ist sicherlich ein solider erster Schritt, wir sehen, dass Kapitalmärkte weltweit immer wie mehr Blockchain-Technologie nutzen», ordnet Gregor von Bergen, Spezialist für digitale Assets beim Beratungsunternehmen Capco in Zürich, den Schritt der US-Plattform ein. Die Schweizer Backed Finance, mit der Kraken zusammenarbeitet, ermögliche bereits 55 unterschiedliche Anlagen. Darunter zum Beispiel auch der iShares Swiss Domestic Government Bond 0–3 ETF (CSBGC3), der von Maerki Baumann und InCore verwahrt wird.

«Das impliziert nicht nur 24/7-Handel und Instant Settlement, sondern die Option, tokenisierte Anlageprodukte ebenfalls in der Web3-Welt einzusetzen: So zum Beispiel für einen Lombard-Kredit auf der Blockchain», erläutert von Bergen. Weiter ermöglichten Smart Contracts auch die Automatisierung von wiederkehrenden Prozessen wie die Ausschüttung von Dividenden.

Verwahrer und Institutionelle spielten bei KMU-Aktien nicht mit

Doch unser Land ist nicht nur wegen Backed Finance ein Vorreiter in der Aktientokenisierung. Bereits vor einigen Jahren haben hiesige Anbieter wie Aktionariat und Daura mit der Digitalisierung von Firmenbeteiligungen aus dem KMU-Bereich begonnen. Dies brachte nicht nur Effizienzgewinne im Handel, Erhöhung der Sicherheit und Eliminierung von Fehlerquellen, sondern ermöglichte auch eine digitale Abwicklung des Aktienbuchs, Kapitalerhöhungen und Ausschüttungen sowie von Generalversammlungen.

Wegen fehlender Marktbreite und -tiefe ist es mittlerweile um tokenisierte KMU-Aktien wieder ziemlich ruhig geworden – und die Anbieter kämpfen ums Überleben. Auch weil die geeigneten Verwahrungsmöglichkeiten zu wenig bekannt sind und institutionelle Investoren dem Markt noch fernbleiben. In der Theorie ist es zwar verlockend, sich am Maschinenbauer im Ort oder dem Bäcker im Quartier mit Aktien zu beteiligen. Mangels Liquidität und Bewertungsgrundlagen werden Investoren in der Praxis abgeschreckt und bleiben bei Titeln, die sie kennen – wie Google, Nestlé und Siemens.

BX Digital ist in Kürze live

Und in dieses Segment will die BX Digital vorstossen. Das Tochterunternehmen der Börse Stuttgart (und eine Schwester von BX Swiss, ehemals Berner Börse) hat im März von der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Bewilligung für den Betrieb eines DLT-Handelssystems erhalten. Zentrales Element des neuen DLT-Handelssystems ist die direkte Abwicklung gegen Schweizer Franken und die Übertragung der Vermögenswerte über eine öffentliche Blockchain – ohne Intermediäre wie Zentralverwahrer.

Das dürfte den Handel von tokenisierten Vermögenswerten wie Aktien, Anleihen und Fonds zwischen Marktteilnehmern bei hoher Sicherheit deutlich vereinfachen. Die Zahlung und der Vermögenstransfer erfolgen auf der Blockchain mit Smart Contracts auf der Basis geprüfter Delivery-versus-Payment-Vereinbarungen. Zudem ermöglicht eine direkte Anbindung an das Zahlungssystem der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine nahtlose Integration in bestehende Bankensysteme.

«Das Go-Live des Handelssystems wird in den nächsten Monaten erwartet», sagt die BX-Sprecherin. Erste Schweizer Banken und Wertpapierhäuser hätten für die Plattform gewonnen werden können. «Mit dem Start des Onboardings ist ein entscheidender Schritt getan», fügt die Sprecherin an. Auf der BX-DLT-Plattform würden auch Blue-Chips-Aktien Teil des Angebots sein, man plane den Handel von Aktien, Anleihen, Fonds, ETP sowie Strukturierten Produkten. Als Market Maker für BX Digital hat man die Euwax AG gewonnen, mit weiteren Market Makern sei man im Gespräch.

Die Schweizer Börse SIX verfolgt einen anderen Ansatz. «Alle Vermögenswerte werden ausschliesslich bei SIX Swiss Exchange gehandelt, um den Kunden die beste Liquidität zu bieten», sagt Sprecher Julian Chan. Das heisst aber nicht, dass die SIX keine digitale Strategie verfolgen würde. «Als Grundpfeiler der Strategie für digitale Vermögenswerte von SIX entwickelt sich SDX weiter und treibt Innovationen in Bereichen voran wie tokenisierte Wertschriften, digitale Nachhandels-Dienstleistungen und digitales Zentralbankgeld in Schweizer Franken für Finanzinstitute – eine Wholesale Central Bank Digital Currency oder wCBDC», führt er aus.

Um das Dienstleistungsangebot von SDX zu skalieren und zu erweitern, werde die digitale Tochter SDX in die SIX-Geschäftseinheit Securities Services integriert. Ziel sei es, für die Kunden eine einzige Kompetenzeinheit und Kontaktstelle für digitale und traditionelle Nachhandels-Dienstleistungen zu schaffen.

Die SDX konzentriert sich darauf, die Emission, Verwahrung, Abwicklung und das Asset Servicing von digitalen Vermögenswerten über den Zentralverwahrer SDX CSD (Central Securities Depository) zu ermöglichen. Im Nachhandelsbereich kommt der Wert der Technologie für digitale Vermögenswerte für Kunden am besten zum Tragen. «Die Handelstechnologie, die zum Beispiel bei Orderbüchern und Matching-Engines zum Einsatz kommt, profitiert nicht massgeblich von den Eigenschaften der DLT», ergänzt der SIX-Sprecher.

«Unsere Handelsteilnehmer können bereits heute auf diese Vermögenswerte über unsere bestehende Handelsplattform zugreifen, ohne dass zusätzliche Integrationen erforderlich sind», so Chan. Die Emissionen auf SDX werden im Juni die Marke von rund 2 Milliarden Franken erreichen, einschliesslich der jüngsten Abwicklungen von Anleihen. Die Zusammenarbeit mit der SNB (Helvetia Pilot) und den Pilotbanken wird mit neuen Anwendungsfällen für wCBDC fortgesetzt.

Kraken steht noch vor Herausforderungen

Von Bergen weist auf einen «Vorsprung» der Schweizer Anbieter hin. Die nächste Entwicklungsstufe für Kraken sei nun, die Produkte ohne Zentralverwahrer auf der Blockchain direkt abzubilden – so wie dies die SIX Digital (permissioned Blockchain) und BX Digital (public Blockchain) machten. «Dies sind zurzeit die vielversprechendsten Ansätze, und traditionelle Börsen ziehen hier mit – insbesondere, wenn dann auch noch ein tokenisierter Schweizer Franken auf den Markt kommt, der die Abwicklung vollautomatisiert ohne bisherige Kapitalmarktinfrastrukturen», ergänzt der Capco-Experte.

Die Effizienzvorteile, die durch eine Abwicklung via Blockchain erzielt werden könnten, seien nicht von der Hand zu weisen. «Das Rennen hat in den vergangenen Monaten massiv an Fahrt gewonnen, etablierte Börsen wie auch die Herausforderer aus der Kryptowelt werden sich hier einen Innovationswettkampf bieten», sagt er voraus.

«Eine Herausforderung für Kraken wird sicherlich die Einhaltung lokaler Kapitalmarkt-Standards sein, da dieser Player weltweit agiert», sagt Gregor von Bergen im Hinblick auf den Vorstoss des US-Anbieters. Insbesondere gelte es, ein Augenmerk auf die Reporting-Anforderungen zu haben, die ein Handel auf dem Kapitalmarkt nach sich ziehe. «Wie das von Kraken gelöst wird, muss sich noch zeigen», so der Capco-Experte.

Auf den Handel mit tokenisierten Vermögenswerten können zukünftig auch traditionelle Börsen mit langer Historie nicht verzichten. Sonst ergeht es den etablierten Anbietern, die auf tokenisierte Aktien verzichten, wie den etablierten Vermögensverwaltern, die ihren Kunden kein Angebot in Kryptowährungen machten. Peter Kubli, Head of Digital Asset Solutions bei der Zürcher Kantonalbank, bezifferte jüngst auf einem Podium in Lugano den Betrag auf 600 Millionen Franken, den Kunden vom Staatsinstitut zu Kryptobörsen transferiert hätten. Abflüsse an allgemeine Broker oder FinTechs mit Krypto-Angeboten wurden dabei nicht berücksichtigt. Die PostFinance bezifferte den Betrag sogar auf 1 Milliarde Franken. Mittlerweile bieten diese beiden Institute Investitionen in Kryptowährungen an.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Der Dollar-Coin geht an die Börse

Der Stablecoin-Herausgeber Circle hat in dieser Woche einen Antrag für einen Börsengang an der New York Stock Exchange eingereicht. Der Emittent des Dollar-Coins (USDC) plant die Ausgabe von 24 Millionen Class-A-Aktien. Davon stammen 9,6 Millionen Aktien direkt vom Unternehmen, während 14,4 Millionen Aktien von bestehenden Anteilseignern verkauft werden. Bis zuletzt ist angeblich noch über einen Verkauf an Coinbase oder Ripple für rund 5 Milliarden Dollar verhandelt worden. Beim IPO wird ein Ausgabepreis zwischen 24 und 26 Dollar je Aktie angepeilt. Dies würde Circle mit rund 6,7 Milliarden Dollar bewerten und dem Unternehmen rund 250 Millionen einbringen. Der Stablecoin-Emittent hat bereits im Jahr 2021 einen Gang an die Börse versucht. Circle erwirtschaftete 2024 einen Gesamtumsatz von 1,7 Milliarden Dollar, was einem Wachstum von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Die Einnahmen stammen fast ausschliesslich aus den Zinserträgen auf den hinterlegten Reserven, die den Wert des Stablecoins sichern. Der Nettogewinn ging allerdings im vergangenen Jahr um 42 Prozent auf 155,6 Millionen Dollar zurück, was einen Hinweis auf die kostenintensive Struktur von Circle gibt. Im Jahr 2024 zahlte das Unternehmen 908 Millionen Dollar an Coinbase für die Verteilung und Unterstützung von USD-Coins. Circle ist deutlich kleiner als Marktführer Tether. Während Tether einen «erlaubnisfreien Ansatz» verfolgt und dadurch geringere Compliance-Kosten hat, investiert Circle erheblich in Lizenzen (wie in MiCA in der EU), Personal und Lobbyarbeit. Diese kostenintensive Regulierungsstrategie erklärt die deutlich geringere Gewinnmarge.


Trump macht den Michael Saylor

Die Liste der Bitcoin-Treasury-Unternehmen ist um ein prominentes Mitglied länger geworden: Die an der Nasdaq kotierte Trump Media and Technology Group will 2,5 Milliarden Dollar in Bitcoin investieren. Diese Mittel stammen aus einer Kapitalerhöhung – 1,5 Milliarden aus Eigenkapital und 1 Milliarde in Form von unverzinslichen Wandelanleihen, die an rund 50 institutionelle Investoren verkauft worden seien. Devin Nunes, CEO von Trump Media, lässt sich folgendermassen zitieren: «Wir betrachten Bitcoin als ein Instrument der finanziellen Freiheit, und nun wird Trump Media Kryptowährungen als wichtigen Teil unserer Vermögenswerte halten. Diese Investition ist unsere erste Akquisition eines Vermögenswerts erster Güte und wird dazu beitragen, unser Unternehmen gegen Schikanen und Diskriminierung durch Finanzinstitute zu schützen».

Gleichzeitig soll der Bitcoin-Kauf auch die Schaffung eines Utility Tokens fördern, etwa auf der von Trump Media betriebenen Social-Media-Plattform Truth Social. Für die Verwahrung der Krypto-Assets setzt Trump Media auf die Kryptobörse Crypto.com und den Infrastrukturanbieter Anchorage Digital. Der Kauf erinnert an Strategy (ehemals MicroStrategy). Das Software-Unternehmen von Michael Saylor hält aktuell Bitcoin im Wert von 62 Milliarden Dollar. Gemäss einem jüngst publizierten Research-Report von Bitwise könnten über Institutionen bis Ende 2026 rund 427 Milliarden Dollar in Bitcoin fliessen. Das entspräche zum heutigen Kurs rund 4,2 Millionen Bitcoin oder 20 Prozent aller jemals existierenden Coins. Unter Institutionen versteht Bitwise neben kotierten Unternehmen auch Vermögensverwalter, souveräne Staaten, US-Bundesstaaten und Staatsfonds.

Der Ökonom Rahim Taghizadegan schreibt in der «Finanz und Wirtschaft» über die Gefahr, wenn einzelne «Zombiefirmen» sich durch Bitcoin-Investitionen retten wollen. Dadurch könnte sich die Strategie «abnutzen». Die regulatorischen und die psychologischen Hemmnisse der Bitcoin-Anlage würden sinken. Dies sollte den Bitcoinkurs aber weitertreiben, was die Bitcoin-Bilanzanlagen wiederum stärken würde. Im Vergleich zum üblichen Leverage wirkt das Vorgehen von Michael Saylor gemäss Taghizadegan gar nicht mehr so waghalsig.

MEHR ZUM THEMA


Kryptobörsen: Obsolet und intransparent oder die Handelsplätze der Zukunft?

Die Handelsplätze für digitale Assets machen mit Hacks und Betrug Schlagzeilen. Andererseits gewinnen sie Kunden und bauen ihre Produktevielfalt stetig aus. +++ Dazu: Der Bitcoin ist zu gross geworden +++ Stablecoins sollen das US-Staatsschuldenproblem lösen.
23. Mai 2025

Wieso alle auf einmal Ripple wollen

Der «Swift-Killer» hat noch wenig erreicht – ausser einem hohen Marktwert. Doch die Zukunft soll vielversprechend sein. +++ Dazu: Ether-Update weckt Rallye-Phantasien +++ Bitcoin steigt über 100’000 Dollar – Strategy kauft zu.
9. Mai 2025

Wann gibt die Nationalbank dem Bitcoin nach?

Schweizer Bitcoin-Verfechter, die die Kryptowährung in die SNB-Reserve aufnehmen wollen, lassen nicht locker. Doch die Nationalbank-Spitze hält dagegen – und bekommt Unterstützung von ihren schärfsten Kritikern. +++ Dazu: Eine neue «Bitcoin»-Bank entsteht +++ Krypto erobert den Schweizer Sport.
2. Mai 2025

Trump und Bitcoin: Von Top zu Flop

Der US-Präsident bringt die Weltwirtschaft durcheinander, ist er auch eine Belastung für den Kryptomarkt? +++ Dazu: 21Shares bringt «Scherz-Coin-ETP» in die Schweiz +++ Erster Ripple-ETF startet in den USA – und zwar gehebelt
11. April 2025