Digital Assets Briefing
Während sie auf dem Alten Kontinent verpönt sind und mit strengen Regularien kämpfen, steigen Stablecoins in den USA zu den wichtigsten Geldgebern der Trump-Administration auf. +++ Dazu: Bitcoin-Treasury vor härteren Zeiten +++ SEC vereinfacht Krypto-ETF-Zulassung.
19. September 2025 • Werner Grundlehner

Am 18. Juli 2025 ist Paolo Ardoino im Weissen Haus zu Gast. US-Präsident Donald Trump lobt den Italiener mit Wohnsitz in Lugano ausdrücklich für seine Verdienste um die amerikanische Wirtschaft. Von einer solchen präsidialen Wertschätzung können Schweizer Politiker oder Manager der Pharmaindustrie nur träumen. Ardoino ist seit Dezember 2023 der CEO von Tether, des grössten Emittenten von Stablecoins. Wie konnten diese Kryptowährungen, die den Wert einer Fiat-Währung abbilden, innert kurzer Zeit vom vielkritisierten, obskuren Finanzinstrument zu einer Säule des Finanzsystems heranwachsen?



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Bitcoin-Treasury vor härteren Zeiten
• SEC vereinfacht Krypto ETF-Zulassung


Tether und andere Unternehmen wie Circle und Ethena sollen China und Russland ersetzen, die sich als Gläubiger der Vereinigten Staaten zurückziehen. Der «Dollar-Trade» funktionierte nicht mehr. Über lange Jahre verkauften Russland Rohstoffe und China Produkte gegen Dollar. Die eingenommenen Greenbacks legten sie in «sicheren» US-Staatsanleihen an, erhielten vergleichsweise hohe Zinsen und finanzierten so das US-Defizit. Doch mit dem Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine und dem sich verschärfenden Handelskrieg zwischen China und den USA beginnt dieser Kreislauf zu stocken. Die Vereinigten Staaten müssen ihre Schuldverschreibungen attraktiver machen, das heisst, die Zinsen erhöhen. Das ist das Gegenteil von dem, was Trump anstrebt.

Tether dominiert

Hier springen die Stablecoins ein. Sie sind mittlerweile unter die grössten Käufer von US-Staatsanleihen aufgestiegen. Das Marktvolumen der Dollar-Stablecoins liegt aktuell bei rund 250 Milliarden Dollar, davon kommt mehr als die Hälfte von Tether. Bereits Ende 2024 belief sich der Stablecoin-Bestand auf mehr als 1 Prozent der US-Geldmenge. Dieser Anteil hat sich mittlerweile weiter ausgedehnt. Ausser in Dollar führen Stablecoins ein Nischendasein.

Mitte Juli 2025 mit dem Genius Act goss die Trump-Administration die Dollarumschuldung in Gesetzesform. Für die Stablecoin wurde ein Rahmen für deren Ausgabe und Überwachung geschaffen. Gleichzeitig schreibt das Gesetz vor, dass die Coins zu 100 Prozent mit liquiden Vermögenswerten wie Dollar oder kurzfristigen Staatsanleihen besichert sein müssen. Damit wird jeder neu geschaffene Dollar-Stablecoin zu frischem Geld für den Anleihenmarkt.

Am Anfang verpönt

Stablecoins haben nur zehn Jahre gebraucht, um ins Zentrum der Macht aufzusteigen. Am 6. Oktober 2014 wird der erste Tether (Kürzel: USDT) ausgegeben. Ein Jahr später beträgt die Umlaufmenge der Tether-Token rund 1 Million Dollar. Anfang 2017 mit dem Start des Bitcoin-Booms von 1000 auf 18’000 Dollar sind es bereits zehn Millionen. Bis im September 2018 ist das Volumen von USDT auf 2,8 Milliarden US-Dollar gestiegen.

Mit dem wachsenden Marktgewicht nimmt auch die Kritik zu. Das Unternehmen Tether ist kaum zu fassen. Registriert ist der Coin-Emittent auf den Britischen Jungferninseln. Das Management operiert von Hongkong aus. Wegen dieser Offshore-Struktur ist das Unternehmen auch nicht gezwungen, zu dokumentieren, wie die Einlagen verwendet werden. Kritische Analysen und Artikel häufen sich, die Tether unterstellen, mehr Stablecoins auszugeben, als Kundendollars eingenommen zu haben.

Milliardäre gemacht

Zudem seien die hinterlegten Reserven gemäss Kritikern nicht von bester Qualität. Vor dem Kryptobärenmarkt von 2021 bis 2022 sind 60 Milliarden USDT im Umlauf. Dass Ether den Bärenmarkt überlebt, spricht für das Unternehmen. Denn die Investoren wechseln hohe Beträge von USDT zurück in «richtige» Dollar, ohne dass der Emittent ins Wanken gerät. Die Berichterstattung zur finanziellen Lage des Unternehmens bleibt aber dürftig. 2023 tritt der damalige CEO Giancarlo Devasini zurück und übergibt Ardoino.

Von der «Bilanz» wird Devasini, der 47 Prozent an Tether hält, sogar in der Liste der 300 reichsten Schweizer mit einem Vermögen von 7 bis 8 Milliarden Franken geführt. Das Vermögen des Italieners Adoino wird mit 19 Milliarden Dollar veranschlagt. Die privaten Stablecoins sind Gewinnmaschinen. Sie erzielen Erträge auf den hinterlegten Sicherheiten und zahlen als «Währung» keine Zinsen. Tether weist für das Jahr 2024 einen Profit von 13 Milliarden Dollar aus. Mittlerweile gibt es erste Stablecoins wie den USDS, die Teile des Gewinns an langfristige Nutzer ausschütten.

Auf Du mit der US-Regierung

Der Aufstieg von Tether ins Zentrum der Macht dauert eigentlich nicht zehn Jahre, sondern nur ein Jahr. Er beginnt mit dem Wahlsieg von Donald Trump und seinem Versprechen, die Kryptowährungen zu fördern. Mittlerweile pflegen nicht nur die Familie Trump, sondern auch Handelsminister Howard Lutnick sowie Finanzminister Scott Bessent gute Beziehungen zu Tether.

Doch der riesige Dollar-Recycling-Prozess, der den USA helfen soll, sich umzuschulden, ist nicht die ursprüngliche Bestimmung von Stablecoins. Der wertstabile Dollar auf der Blockchain wurde als Hilfsmittel für den Kryptohandel und für Transaktionen in Länder mit wenig stabilen Währungen vorgesehen. Weil der Wert nicht schwankt – zumindest nicht im Vergleich zur Referenzwährung – eignet sich ein Stablecoin nicht zur Spekulation.

Doch wenn Trader täglich mehrmals Bitcoin und andere Kryptowährungen verkaufen und kaufen, wechseln sie die Gutschriften in Stablecoins. Auszahlungen in realen Dollars auf Bankkonten würden mehrere Tage in Anspruch nehmen und Kryptobörsen ohne Banklizenz dürfen Dollar nicht über längere Zeit verwahren. Also kaufen diese Trader bei Emittenten wie Ether Stablecoins und transferieren sie auf Kryptobörsen. Das ist wie in einem Spielcasino, beim Eintritt wechselt man sein Geld in Chips und spielt mit diesen über einen gewissen Zeitraum an verschiedenen Tischen und Slotmachines. Beim Verlassen wechselt man die Chips wieder zurück.

Tether diversifiziert in Gold

Die Teilnahme an der grossen Dollar-Umschuldung verspricht viel Potenzial. Die derzeitige Marktkapitalisierung der Stablecoins liegt bei ungefähr 250 Milliarden Dollar oder 7 Prozent des gesamten Kryptomarkts. Würden die Stablecoins China als Käufer von US-Schulden komplett ersetzen, würde sich das Stablecoin-Volumen auf 750 Milliarden Dollar verdreifachen. Was angesichts der vergangenen Wachstumsgeschwindigkeit nicht so abwegig erscheint.

Diese Ablösung bisheriger Gläubiger würde aber bedingen, dass alle Stablecoin-Anbieter ihre Einlagen in US-Staatsanleihen investieren. Gegenüber der gigantischen US-Staatsschuld von über 37 Billionen Dollar sind das aber weiterhin Peanuts. Es ist offensichtlich, dass die US-Überschuldung durch solche «Umbuchungen» nicht gelöst werden kann. Einen Bärendienst hat jüngst die Familie-Trump der Glaubwürdigkeit der Stablecoins erwiesen. Mit der Einführung eines eigenen Tokens (World Liberty Financial) profitiert das Präsidentenumfeld ziemlich unverhohlen von diesem Geschäftsmodell.

Selbst Tether scheint jedoch am Vorhaben zu zweifeln. Vor kurzem wurde bekannt, dass das Unternehmen in Goldminen investiert hat. Anfang Jahr teilte der Stablecoin-Emittent zudem mit, dass er für 8 Milliarden Gold gekauft habe und dieses in einem Schweizer Tresor lagere. Tether emittiert zwar auch einen Token, der mit Gold und nicht mit Dollar hinterlegt ist – dieser Stablecoin (Kürzel XAUT) weist aber eine Marktkapitalisierung von deutlich unter einer Milliarde auf. Das Unternehmen beginnt also zu diversifizieren und scheint seine US-Abhängigkeit wieder reduzieren zu wollen.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Bitcoin-Treasury vor härteren Zeiten

Lange Zeit konnten Unternehmen mit Krypto-Beständen in ihren Bilanzen einfach Geld verdienen. Diese Zeiten dürften vorbei sein, nachdem die Nasdaq angekündigt hat, solche Unternehmen kritischer zu betrachten. Eine Analyse der Kryptobörse Coinbase kommt zum Schluss, die Goldgräberstimmung für diese «Treasury-Unternehmen» sei vorbei. Der Markt sei an einem «kritischen Wendepunkt» angelangt. Einfach nur die erfolgreiche Strategie von Vorreitern wie Strategy zu kopieren, reiche nicht mehr aus. «Die Tage des leichten Geldes und der garantierten Prämien auf den Nettoinventarwert sind vorbei», schreiben die Coinbase-Analysten. In der neuen «Player-versus-Player-Phase» seien nur noch die Unternehmen erfolgreich, die mit strategischer Finesse, perfektem Timing und klaren Alleinstellungsmerkmalen überzeugen könnten. Für Kryptowährungen wie Bitcoin kann diese Entwicklung gemäss Analyse zum Segen werden. Denn der verschärfte Wettbewerb bedeute, dass mehr kapitalkräftige Unternehmen um eine begrenzte Menge an Coins buhlen würden und so die Nachfrage anheizen.


SEC vereinfacht Krypto ETF-Zulassung

Die US-Börsenaufsicht SEC hat Richtlinien verabschiedet, die die Genehmigung von Spot-Krypto-ETF in den USA beschleunigen könnten. Dabei würde nicht mehr jeder Antrag einzeln geprüft. Diese Standards würden den Prozess gemäss Regel 6c-11 straffen und die Genehmigungsfristen, die in der Vergangenheit mehrere Monate gedauert haben, erheblich verkürzen. Mit der Genehmigung dieser allgemeinen Notierungsstandards würde das SEC sicherstellen, dass die US-Kapitalmärkte weltweit der beste Ort für bahnbrechende Innovationen im Bereich digitaler Vermögenswerte bleiben, erklärte Paul Atkins, Vorsitzender der SEC. Diese Vereinfachung des Marktzutritts erfolgt zu einem Zeitpunkt, da eine Vielfalt von Anträgen bei der SEC auf einen Entscheid wartet – darunter ETF zu Solana, Ripple, Litecoin, Dogecoin, Avalanche, Chainlink und andere. James Seyffart, ETF-Analyst bei Bloomberg, sagte dazu «Das ist das Krypto-ETP-Framework, auf das wir gewartet haben». Er rechnet damit, dass in den kommenden Wochen und Monaten eine Welle von Krypto-Anlageprodukten in den USA auf den Markt kommen wird.

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