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Der weltweit grösste Stablecoin ist eng mit Lugano verbunden. Auch durch den mutmasslichen Wohnsitz eines milliardenschweren Mitgründers. Doch wo Tether seine Steuern auf den Gewinnen von 6,2 Milliarden Dollar abliefert, bleibt unklar.
6. Januar 2025 • Werner Grundlehner

Hier geht es nicht um die Kryptowährungen Ethereum, Near, Polkadot, Dfinity oder Tezos, die den Stiftungssitz in Zug im Crypto Valley haben. Sondern um Tether, den weltgrössten Stablecoin und der Nummer drei im gesamten Kryptomarkt.

In der Diskussion mit David Yermack, langjähriger Krypto-Experte und Professor an der Stern School of Business der New York University, zeigt sich dieser beim Thema Schweiz weniger vom Crypto Valley um Zug beeindruckt, sondern mehr vom Umstand, dass sich der Sitz von Tether in Lugano befinde. «Das habe ich so gar nicht wahrgenommen, bis ich in die Schweiz gekommen bin», sagte er im tippinpoint-Interview.

In Schwellenländern beliebt

Tether (USDT) ist mit einer Marktkapitalisierung von aktuell nahezu 140 Milliarden Dollar der grösste Stablecoin im Krypto-Markt. Gemessen am täglichen Handelsvolumen von durchschnittlich rund 100 Milliarden Dollar schlägt die Kryptowährung, die den US-Dollar eins-zu-eins abbildet, den Bitcoin deutlich. Gerade in Schwellenländern sind Dollar-Stablecoins wie Tether und USDC gefragter als Bitcoin, Ethereum & Co.

Die Bürger wollen sich vor der Inflation der Landeswährung schützen, schrecken aber vor der Volatilität anderer Kryptowährungen zurück. Tether hat die Marktdominanz in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut, obwohl immer wieder Kritik und Zweifel an der Hinterlegung mit Dollar-Vermögenswerten aufkamen. Die Marktkapitalisierung übertrifft den zweitgrössten Stablecoin USDC (Dollar-Coin) von Circle annähernd um 100 Milliarden.

Anfangs auf Bitcoin-Blockchain

Die Geschichte von Tether geht auf eine frühe Währung zurück, die auf der Bitcoin-Blockchain aufbaute und Mastercoin hiess. Zwei Tether-Gründer, Brock Pierce und Craig Sellars, waren an der Mastercoin Foundation beteiligt und brachten 2014 gemeinsam mit Reeve Collins den direkten Vorgänger von Tether auf den Markt, den Realcoin. Das Projekt Realcoin mit Sitz in Santa Monica, Kalifornien, gab mit dem Omni Layer Protocol im Oktober 2014 seinen ersten Token auf der Bitcoin-Blockchain heraus und benannte diesen kurz darauf in Tether um. In der Anfangszeit waren drei Varianten von Stablcoins im Umlauf: Dollar-Tether, Euro-Tether und Yen-Tether, von denen der Dollar-Tether am beliebtesten wurde.

Im Jahr 2015 startete der Tether-Handel auf der Kryptobörse Bitfinex. Seither ist die Kryptowährung eng mit der Exchange verbunden. Die rechtlichen und unternehmerischen Strukturen sowie die Beziehungen sind nicht vollständig transparent. Vielfach wird Bitfinex auch als «Mutterkonzern» von Tether bezeichnet.

Begonnen hatte Tether wie erwähnt auf Bitcoin-Basis. Doch es folgten weitere Versionen auf Ethereum mit einem ERC 20-Token sowie weiteren Varianten auf kleineren Blockchains. Ab dem Jahr 2019 wurden immer mehr Tether auf Ethereum ausgestellt, was bei der zweitgrössten Blockchain anfangs zu Überlastungsproblemen führte.

Im Visier der Behörden

Tether ist in seiner Unternehmensgeschichte immer wieder von den Aufsichtsbehörden untersucht und manchmal auch sanktioniert wurde, weil Zweifel daran aufkamen, ob der Token-Umlauf tatsächlich durch Dollarreserven gedeckt sei. Im Oktober 2021 wurde Tether von der US Commodity Futures Trading Commission mit einer Geldstrafe von 41 Millionen Dollar belegt, weil zwischen 2016 und 2018 angeblich nicht genügend Währungsreserven vorhanden waren.

Wenig vertrauenserweckend ist auch die Firmenstruktur: Die auf den Britischen Jungferninseln gegründete Tether Holdings Limited ist die oberste Muttergesellschaft und besitzt 100 Prozent von iFinex Inc. und Tether Limited Inc. iFinex Inc. ist wiederum die Muttergesellschaft von Tether Limited Inc. und ausserdem Eigentümerin von Bitfinex. Tether Limited Inc. wurde 2014 in Hongkong gegründet, betreibt die Tether-Plattform und emittiert die Tether-Token.

Was soll schweizerisch sein?

Aber wieso soll das Unternehmen schweizerisch sein? – Weil wichtige Personen und Funktionen hier «zu Hause» sind. Anfang März 2022 unterschrieben der Stablecoin-Emittent Tether und die Stadt Lugano ein «Memorandum of Understanding» mit einer Befristung von vier Jahren. Der Stablecoin-Anbieter und die Stadt Lugano lancierten damit die Initiative «Plan B». Das Projekt ist als öffentlich-private Partnerschaft konzipiert. In der Tessiner Hauptstadt können die Bürger mit Bitcoin, Tether und dem Luganeser-Coin LVGA bezahlen.

Tether betreibt dazu einen Validierungsknoten in der stadteigenen Blockchain. «Die Kooperation mit Tether ist eine Win-Win-Situation für uns. Wie es nach den vier Jahren weitergeht, wird sich noch zeigen – die ersten zwei Jahre waren vielversprechend», sagt Pietro Poretti, Direktor für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Lugano. Poretti führt aus, dass die Vereinbarung mit Tether mehrere Stossrichtungen umfasst. So soll das Verständnis für Blockchain, Bitcoin und Stablecoins bei Unternehmen und in der Bevölkerung durch Lehrgänge, Veranstaltungen und Kooperationen gefördert werden. Seit der Ankündigung des Plans ist Tether de facto zum Projektleiter der Krypto-Fähigkeiten von Lugano geworden.

Lugano liege im Zentrum von Europa, nahe bei Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich und vielen grossen Flughäfen, begründet Paolo Ardoino, CEO von Tether und Chief Technologie Officer von Bitfinex die Kooperation mit der Stadt mit 62'000 Einwohnern. Lugano ist nicht das erste Mal, dass Tether mit staatlichen Institutionen kooperiert. Das Unternehmen spielt eine Schlüsselrolle bei der Einführung von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador. Das Unternehmen ist auch der Emittent der sogenannten «Vulkan-Anleihen», die durch Bitcoin-Investitionen abgesichert werden. Die Einführung der Anleihen hat sich seit ihrer Ankündigung im November immer wieder verzögert, aber Tether rechnet damit, dass das Gesetz, das den Weg für die Emission ebnet, bald verabschiedet wird.

Dass Lugano der halboffizielle Sitz von Tether ist, liegt auch an Giancarlo Devasini, einem im Jahr 1964 in Turin geborenen Schönheits-Chirurgen. Der mit Kryptowährungen zum Milliardär wurde. Die Bilanz führt ihn mit einem Vermögen von 7 bis 8 Milliarden Franken in der Liste der 300 reichsten Schweizer. Das Vermögen des 60-jährigen basiert zum grössten Teil auf seiner 47-prozentigen Beteiligung an Tether.

Nach wenigen Jahren in der Schönheitsindustrie wechselte Devasini in die Kryptowelt. Er war Mitgründer des Start-ups Bitfinex. Das Unternehmen ist eine der ältesten noch aktiven Kryptobörsen und richtet sich vor allem an professionelle Händler. 2014 startete Devasini mit weiteren Mitgründern Tether. Devasinis genauer Aufenthaltsort ist unklar. Die «Bilanz» schreibt aber: «Laut gerichtlichen Quellen ist der Wohnsitz des Italieners in der Schweiz: In einer notariellen Urkunde, die im Juni 2023 beim Handelsgericht in Nizza hinterlegt wurde, ist eine Adresse in Lugano angegeben»

Nach Lugano gezogen

Im September berichtete der Wirtschaftsnachrichtendienst «Bloomberg», dass der deutsche Milliardär Christian Angermayer, der für Tether zahlreiche Investitionen eingefädelt hat – etwa die Beteiligung von über 600 Millionen am Bitcoin-Miner Northern Data –, sei aufgrund von Änderungen bei der Besteuerung von Offshore-Vermögen von Grossbritannien nach Lugano umgezogen. Bloomberg berichtet, dass Angermayer als «non-dom» galt, während er im Vereinigten Königreich lebte, was bedeutet, dass sein ständiger Wohnsitz oder «Domizil» ausserhalb des Landes lag. Dadurch konnte der Milliardär bis zu 15 Jahre lang vermeiden, im Vereinigten Königreich Steuern auf sein Einkommen und seine Einkünfte aus dem Ausland zu zahlen. Unter der neuen britischen Regierung ist das nicht mehr möglich.

Tether emittiert auch einen Token der mit Gold und nicht mit Dollar hinterlegt ist – den XAUT (Tether Gold). Der XAUT hat eine Marktkapitalisierung von 570 Millionen Dollar und ist durch physisches, in der Schweiz gelagertes Gold gedeckt.

Milliardengewinne fallen an

Im Jahr 2023 erwirtschaftete Tether einen Gewinn von 6,2 Milliarden Dollar, der durch die Zinsen auf den hinterlegten Sicherheiten generiert wurde. Dass es bei der offiziellen Sitzwahl von Tether um mehr geht als um einen Imagegewinn, führt Luzius Meisser, Verwaltungsrat von Bitcoin Suisse, jüngst an einem Anlass in Zug aus: «Wenn Tether in der Schweiz Steuern zahlen würde, wäre das Budgetdefizit des Bundes kein Thema» . Falls das Unternehmen in der Schweiz auf Bundesebene eine Steuer von 8,5 Prozent zahlen würde, könnte man damit die veranschlagte Lücke von 700 Millionen im Bundesbudget 2025 füllen, so Meisser.

Doch neben Steuereinkünften würde sich unser Land auch eine Flut an negativen oder kritischen Berichten zum bisher wenig transparenten Unternehmen Tether einhandeln.

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