Digital Assets Briefing
Die junge Vermögensklasse ist volatil und deshalb anfällig auf übertriebene Stimmungen wie Euphorie, Defätismus, Argwohn und Gier. +++ Dazu: Die zehn (vermeintlich) reichsten Krypto-Individuen +++ Hohe Erwartungen an Ethereum-Upgrade.
5. Dezember 2025 • Werner Grundlehner

Was lernen wir in der jüngsten Bitcoin-Korrektur? – Dass vieles extrem ist bei diesem Asset: Die Gier, die Kursauschläge, die Meinungsumschwünge und die Einschätzung in der breiten Masse. Mit dem Rückschlag von über 126'000 auf fast 80'000 Dollar verloren viele Marktkommentatoren ihren erst jüngst gefundenen Glauben an die Kryptowährung wieder. In Finanzmedien, die vor kurzem darüber berichteten, dass der Bitcoin nun definitiv unter den Vermögenswerten angekommen sei, schwenkten um in Krisenmodus und schimpften über den Coin ohne inneren Wert und werweissten, ob der Bitcoin bald gegen Null tendieren werde.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Die zehn (vermeintlich) reichsten Krypto-Individuen
• Hohe Erwartungen an Ethereum-Upgrade


Alte Bitcoin-Hasen können darüber nur müde lächeln. Wissen sie doch (auch wenn sie anderes erhoffen), dass in den bisherigen Zyklen auf einen raschen Anstieg auf ein neues Höchst ein derber Rückschlag folgt. Vor dem letzten Kryptowinter korrigierte der Bitcon nach einem Höchst im November 2021 um 75 Prozent und bewegte sich über Monate kaum mehr nach oben. In der langfristigen Tendenz schreibt der Bitcoin-Kurs aber eine Kurve, die stark oszillierend von links unten nach rechts oben läuft. Und es zeichnet sich ab, dass über die Zeit die Ausschläge und die Dauer der Rückschläge abnimmt.

Stimmungsumschwung in den USA

Nach der jüngsten Korrektur gibt es (wie bereits zuvor) Anzeichen, dass der Bitcoin erwachsen und damit weniger sprunghaft wird. Das gilt vor allem in den USA, wo der Bitcoin in der Finanzanlage eine immer grössere Rolle spielt – und das erst viel kürzer als in Europa. Das hat – wie hier bereits mehrfach beschrieben – mit der aktuellen Administration zu tun, die seit Januar 2025 am Ruder ist und die Krypto-feindliche Biden-Regierung abgelöst hat.

Diese Woche – als am Markt ziemlicher Blues herrschte – wurde bekannt, dass die Vanguard Group den Kunden den Handel mit kotierten Indexfonds (ETF) erlaubt, die in Bitcoin, Ethereum, Ripple und Solana investiert sind. Dieser Entscheid des weltweit zweitgrössten Vermögensverwalters beendet die im Januar 2024 von Vanguard verhängte Blockade gegen Kryptoinvestments. Über 50 Millionen Brokerage-Kunden erhalten damit Zugang zu regulierten Kryptoprodukten. Allein in den ersten 30 Minuten der «Marktöffnung» hat Vanguard ein Handelsvolumen von über einer Milliarde Dollar bei Bitcoin-ETF verursacht. Im gesamten November verzeichneten Bitcoin-Spot-ETF Nettoabflüsse von 3,5 Milliarden Dollar.

Finanzriesen ändern Meinung

«Der Bitcoin-ETF-Kurswechsel von Vanguard läutet eine neue Ära für die institutionelle Akzeptanz von Kryptowährungen ein. Wir sehen diesen Kurswechsel und den Einstieg in den Bitcoin-ETF-Markt als eines der deutlichsten Anzeichen dafür, dass digitale Vermögenswerte den Sprung in den Mainstream-Finanzmarkt geschafft haben», schreibt Gracy Chen, CEO der Kryptobörse Bitget. Dieser Schritt stehe für einen strukturellen Wandel: eine breitere institutionelle Akzeptanz, eine erhöhte Liquidität und eine stärkere Grundlage für langfristige Preisstabilität.

Auch in dieser Woche wurde bekannt, dass die Berater der Bank of America ihren Kunden ab Januar 2026 einen Bitcoin-Anteil von bis zu 4 Prozent im Portfolio empfehlen werden. Mit einem verwalteten Vermögen von fast 2 Billionen Dollar ergibt das ein theoretisches Bitcoin-Exposure von 80 Milliarden Dollar – wobei nicht alle 15'000 Kundenberater und erst recht nicht alle Kunden dieses Maximalexposure wählen werden.

Eine Einnahmequelle für Vermögensverwalter

Nach dem steilen Anstieg des Bitcoinwertes auf über 126'000 Dollar hatten viele Marktbeobachter gefragt, wo noch mehr Kapital herkommen solle, um einen weiteren Kursanstieg zu unterfüttern und die hohen Bitcoin-Prognosen vieler Krypto-Strategen wahr werden zu lassen. Die Vorstösse von Vanguard und Bank of America zeigen, dass es noch viele Verkaufskanäle zu erschliessen und noch viele Private und institutionelle Investoren gibt, die mit Kryptowährungen noch keine Berührungspunkte haben.

Viele Finanzinstitute werden aus reinem Eigeninteresse Bitcoin-Produkte promoten – nicht nur um neue Kundenvermögen anzuziehen. Blackrock hat erst kürzlich bekanntgegeben, dass der Bitcoin-ETF der gewinnbringendste Indexfonds ist, den das Unternehmen je auf den Markt gebracht hat.

Weiterhin kein Zahlungsmittel

Die Krypto-Jünger haben sich die Stimmung durch den Rückschlag nicht verderben lassen – vielleicht sind die Kursziele etwas zurückgekommen. Joshua Krüger, Head of Growth bei der dEURO Association, sieht den Bitcoin nach einer kurzen Katerpause Ende 2026 auf 150’000 bis 175’000 Dollar. «Institutionelle Investoren sind längst im Markt, die regulatorischen Leitplanken werden klarer, und die früher fast religiös gefeierten Vier-Jahres-Zyklen haben sich spürbar abgeschwächt», schreibt er.

Wird der Bitcoin 2026 massentauglicher, fragt Krüger. Ja, aber nicht an der Supermarktkasse, antwortet er gleich selbst. Es sei deutlich wahrscheinlicher, dass Bitcoin bis 2026 seine Rolle als digitaler Wertspeicher weiter ausbaue, als dass er zum alltäglichen Zahlungsmittel werde. «Für den täglichen Einkauf ist Bitcoin schlicht zu volatil. Hier werden sich Stablecoins eher durchsetzen, denn sie sind preisstabil und sofort abrechenbar», schreibt er weiter. Spannend werde es aber auf staatlicher Ebene: Wenn man in den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits Steuern in Bitcoin zahlen können, zeige das, wohin die Reise gehe.

Strategy leidet

Die jüngste Bitcoin-Krise hat auch die sogenannten Treasury-Unternehmen in die Bredouille gebracht – allen voran Strategy von Michael Saylor. Das Unternehmen hatte im vergangenen Rally 650'000 Bitcoins in der Bilanz angehäuft und war Vorbild für andere Unternehmen und ein Schwergewicht der Krypto-Branche geworden. Weil aber Strategy viele Coins mit Fremdkapital erworben hat, führte der Bitcoin-Einbruch zur Angst vor einem Teufelskreis aus Margin Calls und weiter sinkenden Bitcoin-Notierungen.

Der Aktienkurs von Strategy ist von 260 auf 170 Dollar gefallen, hat sich jüngst aber wieder etwas aufgerappelt. Einerseits weil sich der Bitcoin stabilisierte und andererseits, weil das Unternehmen die Schaffung einer Dollar-Reserve von 1,44 Milliarden Dollar bekanntgegeben hat. Mit diesen Mitteln will Strategy die fortlaufenden Dividendenzahlungen von Vorzugsaktien sowie Zinszahlungen auf ausstehende Verbindlichkeiten sicherstellen.

Vieles läuft ausserhalb der Börsen

Wieso grosse Transaktionen von Institutionellen, zwar Schlagzeilen machen, aber nicht unbedingt den Bitcoin-Kurs unmittelbar beeinflussen, erklärt Anfang Dezember Stephanie Morgenroth auf der Website «Miss Crypto». Zum Beispiel wenn es heisse, «Fonds XY kauft Bitcoin für 500 Millionen Dollar». Käme diese Order an eine Krypto-Börse würde die Notierung stark beeinflusst. Doch solche Transaktionen laufen grösstenteils OTC (Over the Counter, ausserhalb von Börsen). OTC-Bestände kommen aus dem Mining, von Treasuries und Frühinvestoren. Diese Bestände sind vorgehaltene Coin-Reserven, die OTC-Händler bereits besitzen oder kurzfristig beschaffen können, um Grosskunden direkt zu beliefern. Diese OTC-Bestände funktionieren wie ein Liquiditätspuffer und es entsteht kein unmittlerbarer Kaufdruck – der offene Markt bleibt dabei oft unangetastet. «Erst wenn OTC-Bestände knapp werden, steigt der sichtbare Kaufdruck», schreibt Morgenroth.

Unterstützung für den Bitcoin-Preis könnten zukünftig Layer-2-Anwendungen für den Bitcoin, wie Lightning Network für schnelle und günstige Mikrozahlungen, Stacks und Rootstock für Smart Contracts und dezentrale Anwendungen ermöglichen oder Dovi und Merlin Chain, die auf Skalierung setzen. Diese Layer erweitern die Ur-Kryptowährung um zahlreiche Anwendungen und machen die Bitcoin-Blockchain zu einern Plattform, wie es etwa Ethereum und Solana sind. Die jüngste Layer-2-Anwendung ist Bitcoin-Hyper und sie löst bereit im Pre-Sale eine grosse Nachfrage aus. Das Projekt, das Geschwindigkeit auf Solana-Niveau mit Sicherheit auf Bitcoin-Niveau verbindet, eröffnet eine neue Nachfragelinie, die die Preise antreiben könnte, weil der Bitcoin für eine breite Palette von Hybridanwendungen nutzbar wird.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Die zehn (vermeintlich) reichsten Krypto-Individuen

Im «Digital Assets Briefing» von vergangener Woche ging es um das Verhalten der Bitcoin-Wale. Die On-Chain-Analyseplattform Arkham Intelligence hat nun ein Ranking der zehn vermögendsten Krypto-Individuen erstellt, deren Bestände einem persönlichen Wallet zugeordnet werden können – Sammelwallets von Börsen, Hedge-Funds und Staaten finden sich hier keine. Die Werte stammen von Mitte November. Viele der «Reichen» haben jedoch keinen Zugriff mehr auf ihr Guthaben: Die Selbstverwahrung ist auch für Profis riskant. Das ist die Liste.

1. Satoshi Nakamoto – rund 115 Milliarden Dollar. Der unbekannte Bitcoin-Schöpfer hält gemäss Arkham sein Guthaben verteilt auf Zehntausende Adressen, die seit 15 Jahren praktisch inaktiv sind. Aktuell gibt es Medienberichte, dass Analysten Hinweise gefunden hätten, dass Twitter-Gründer Jack Dorsey Satoshi sei.

2. Justin Sun – rund 1,95 Milliarden Dollar. Sun ist der Gründer von Tron, CEO von BitTorrent und Betreiber mehrerer Krypto-Börsen. Das Vermögen setzt sich aus gestakten Ether, Tron-Token, Bitcoin und Stablecoins zusammen.

3. Rain Lohmus – rund 890 Millionen Dollar. Der estnische Mitgründer der LHV Bank, war 2014 früh beim Ethereum-ICO dabei und kaufte günstig 250’000 Ether. Lohmus hat aber den Zugang zu seinem Wallet verloren.

4. Vitalik Buterin – rund 870 Millionen Dollar. Der Grossteil des Vermögens des Ethereum-Gründers besteht wenig überraschend aus Ether.

5. James Howells – rund 838 Millionen Dollar. Der Waliser verkörpert wohl die berühmteste Bitcoin-Verlust-Geschichte. 2013 warf er seinen Laptop mit 8000 Bitcoin auf den Müll. Jahrelang versuchte Howell die Mülldeponie zu durchsuchen – ohne Erfolg. Angeblich hat er seine Bemühungen nun eingestellt.

6. Stefan Thomas – rund 734 Millionen Dollar. Der Entwickler erhielt 7002 Bitcoin für ein früh produziertes Erklärvideo. Die Private Keys lagerte er auf einem IronKey-Hardware-Wallet – und verlor das Passwort.

7. Clifton Collins– rund 629 Millionen Dollar. Der irischer Cannabis-Dealer, steckte 2011 und 2012 Erlöse aus dem Drogenhandel in Bitcoin und sammelte rund 6’000 Bitcoin. Er notierte seine Private Keys auf einem Blatt Papier und versteckte es in einer Angelrute. Nach der Verhaftung ging die Angelrute verloren.

8. Owen Gunden – rund 561 Millionen Dollar. Der Trader Owen Gunden war auf Mt. Gox und Tradehill aktiv und baute in den Anfangsjahren von Bitcoin Position auf. Später wechselte er in institutionelle Rollen, etwa als Board Member von Derivateplattformen. Seit Ende Oktober hat Gunden 11’000 Bitcoin verkauft.

9. Shixing «DiscusFish» Mao – rund 275 Millionen Dollar. Er ist Mitgründer des Mining-Pools F2Pool und CEO des Custody-Anbieters Cobo. Sein Vermögen stammt aus dem Aufbau von Mining- und Infrastrukturprojekten.

10. Patricio Worthalter – rund 226 Millionen Dollar. Er initiierte das Proof of Attendance Protocol, das in vielen Ethereum-Anwendungen Standard ist.


Hohe Erwartungen an Ethereum-Upgrade

Es ist bereits das zweite grosse Upgrade von Ethereum im laufenden Jahr. Seit Mittwochabend ist «Fusaka» live und bringt eine deutlich höhere Datenkapazität, reduzierte Transaktionskosten und eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit mit sich. Die Ethereum Foundation erklärte, dass Fusaka Ethereum einen Schritt näher an die Bereitstellung von «nahezu sofortigen Transaktionen» bringe, wobei die erhöhte Geschwindigkeit gleichsam zu einer nahtloseren Benutzererfahrung führe. Nodes müssen deutlich weniger Daten herunterladen und hochladen, sodass sie Informationen schneller verarbeiten können und Layer -2-Anwendungen effizienter mit dem Ethereum-Mainnet interagieren können. Vorab bestätigte Transaktionen ermöglichen eine reduzierte Transaktionslatenz – von Minuten auf Millisekunden. Marktbeobachter gehen auch davon aus, dass das Upgrade zu einem wichtigen Katalysator für den schwächelnden Kurs werden könnte. Das «Pectra»-Update in diesem Jahr hat zu einem Wertanstieg von fast 60 Prozent geführt.

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