Der Bund hat die Qual der Wahl. Er muss sich in den nächsten Wochen entscheiden, wem er Ruag Ammotec verkaufen möchte. Gemäss Recherchen kann er zwischen vier Angeboten auswählen. Gemäss eines Ruag-Sprechers ist der Verkauf mit Auflagen verbunden, «namentlich zur Herkunft oder zur Sicherung des Standortes in Thun».
Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann setzt sich dafür ein, dass die Fabrik in Schweizer Händen bleibt. Für den Fall, dass dies nun doch nicht geschieht, müsste «vertraglich geregelt werden, dass die Firma strategisch mit einer Mehrheit von Schweizer Verwaltungsräten geführt wird und der Produktionsstandort Schweiz nicht angetastet werden darf», sagt er auf Anfrage.
Die Versorgung der Armee und der Polizei mit Munition müsse stets gewährleistet sein und die Lieferungen der Geheimhaltung unterliegen, fordert Salzmann. Zudem solle der Bund die Munitionsreserven nochmals massiv ausbauen.
Ruag Ammotec ist nicht Postfinance oder Swisscom
Versorgungssicherheit ist zweifellos ein zentraler Aspekt. Diese zu fordern, ist völlig legitim. Trotzdem greift es zu kurz, wenn der Bundesrat bei der Wahl des Käufers nur auf Herkunft und Versorgungssicherheit achtet.
Das Herkunftskriterium spielt ohnehin kaum eine Rolle, weil drei Interessenten ihren Sitz in einem EU-Land haben. Der vierte, Nammo, kommt aus Norwegen, das wie die Schweiz kein EU-Mitgliedsland ist. Kein Offertsteller kommt aus China oder Kuba oder Kasachstan, den man ausschliessen müsste.
Was der Bundesrat unterschätzt: Er verkauft nicht die Postfinance oder seine Swisscom-Beteiligung. Der Bund verkauft mit Ruag Ammotec das wohl toxischste Asset, das sich in seinem Besitz befindet.
Warum toxisch? Weil eine Munitionsfabrik kein Asset ist, um das sich Investoren aus der ganzen Welt reissen. Weil Waffenproduzenten oder Munitionsfabrikanten in Investorenkreisen als verpönt gelten. Und weil viele Anlegerinnen und Anleger Investitionen in Waffenfirmen kategorisch ausschliessen. Ruag Ammotec befindet sich auf der gleichen Stufe wie Tabakkonzerne – auf der untersten.
Was geschieht, wenn sich herausstellen sollte, dass der Käufer die Logistik nicht im Griff hat und Munition aus Schweizer Produktion über verschlungene Pfade in Kriegsgebiete gelangt? Der Aufschrei wäre gross.
Auf welcher Grundlage soll der Bund entschieden?
Einen Vorteil könnte die CZ Group aus Tschechien besitzen, da sie als einziges Unternehmen an der Börse gelistet ist und somit eine gewisse Kontrolle über das Aktionariat besteht. Sie muss gegenüber der Öffentlichkeit mehr preisgeben als privat gehaltene Unternehmen oder solche im Staatsbesitz.
Allerdings verfügen auch die anderen Bewerber zum Teil über umfassende Rechenschaftsberichte. Die norwegische Nammo etwa ist zwar nicht börsenkotiert, doch das Unternehmen gibt detailliert darüber Auskunft, in welche Märkte die Waffenausfuhren gehen. So ist in Nammos Sustainability-Report nachzulesen, dass die Firma auch Kriegsmaterial in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Indien exportiert. Kein anderer Bewerber macht präzisere Angaben.
Dass Nachhaltigkeitsberichte den Unternehmen bisweilen als Feigenblatt dienen, beweist Beretta. Der Geschäftszweig Beretta Defence Technologies wird im Sustainability-Report nicht thematisiert. Das Joint-Venture mit dem Wüstenstaat Katar ist mit keinem Wort erwähnt. Der Nachhaltigkeitsbericht des italienischen Waffenfabrikanten gleicht einer schön gestalteten Imagebroschüre.
Dem besten Anbieter den Zuschlag zu geben, ist keine leichte Aufgabe. Gerade auch dann, wenn der Bund nicht nur auf Herkunft und Versorgungssicherheit achtet, sondern auch Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Was übrigens nicht nur nice to have ist. Er ist gemäss Bundesverfassung dazu verpflichtet.