Im Actionklassiker «Stirb langsam» liefert sich Bruce Willis eine epische Schiesserei mit einer Gangsterbande. Seine Waffe, eine Beretta 92, wurde von der gleichnamigen Waffenschmiede aus Gardone Val Trompia (IT) produziert. Die Fabbrica d’Armi Pietro Beretta soll eine der Interessentinnen sein, die ein Angebot für die Schweizer Munitionsfabrik Ruag Ammotec eingereicht haben, wie von Personen zu erfahren war, die in die Verhandlungen involviert sind.
Bei den anderen Offertstellern handelt es sich gemäss diesen Kreisen um weniger bekannte Firmen, die nur Waffen-Insidern ein Begriff sein dürften: Nammo, Czechoslovak Group und CZ Group.
Nammo, die Munition und Infanteriewaffen herstellt und ihren Sitz über 100 Kilometer nördlich von Oslo hat, wird zu 50 Prozent vom norwegischen Staat kontrolliert. Das Unternehmen betreibt in der Schweiz eine Produktionsstätte für Mörserzündkapseln, die sich in Hérémence (VS) befindet.
Bei Czechoslovak Group und CZ Group handelt es sich um zwei tschechische Konzerne, die beide ihren Hauptsitz in Prag haben. Die Czechoslovak Group ist ein Mischkonzern, der im Flughafeninfrastruktur-Geschäft aktiv ist und Löschfahrzeuge und Radaranlagen produziert. Mit einer Tochtergesellschaft ist sie auch im Rüstungsgeschäft tätig und verkauft neben Armeefahrzeugen und Waffen eine breite Munitionspalette für Handfeuerwaffen und Artilleriekanonen.
Die CZ Group aus Prag wiederum ist eine reine Waffenproduzentin. Die Gruppe übernahm letztes Jahr die geschichtsträchtige US-amerikanische Colt's Manufacturing Company aus Connecticut, die mit dem legendären Colt-Revolver vielleicht die ikonischste aller Handfeuerwaffen produziert. Colt ist heute noch Lieferant für die Armeen der USA und Kanada.
Wird Schweizer Munitionsproduktion nach 435 Jahren ins Ausland verkauft?
CZ Group ist das einzige börsenkotierte Unternehmen, das sich um die Schweizer Munitionsfabrik bemüht. Die anderen befinden sich in Privatbesitz oder werden wie im Fall von Nammo vom Staat kontrolliert. Beretta ist als Holding organisiert und wird seit der Gründung im Jahre 1526 von der gleichen Familie kontrolliert, den Berettas. Aktuell führt Franco Gussalli Beretta den Konzern.
Eine fast so lange Geschichte wie Beretta kann die Schweizer Ruag Ammotec vorweisen. Die Ursprünge gehen zurück auf die Pulvermühle Steffisburg, die 1586 gegründet wurde.
Und jetzt also soll die Pulvermühle Steffisburg, oder eben Ruag Ammotec, nach über 400 Jahren ins Ausland verkauft werden, wie es aufgrund der eingegangenen Offerten anzunehmen ist. Gemäss Recherchen soll die Preisspanne zwischen 350 und 400 Millionen Franken liegen.
Beretta betreibt ein Joint-Venture mit Katar
Die grosse Frage, die sich die Eidgenossenschaft als Eigner der Ruag stellen muss: An wen soll der Geschäftsbereich verkauft werden? Er könnte es sich einfach machen und das Angebot mit dem höchsten Preis berücksichtigen. Bei einer Munitionsfabrik stellen sich aber noch andere Fragen. Nicht einfach das lukrativste Angebot sollte gewinnen, sondern das beste.
Schliesslich verkauft der Bund hier nicht irgendeine Schraubenfabrik, sondern einen relevanten Teil des staatlichen Rüstungskonzerns, der unter anderem Produkte herstellt, die unter der Bezeichnung «The Sniper’s Choice» in einschlägigen Waffen-Shops verkauft werden, also hochpräzise Scharfschützenmunition.
Gute Karten soll die italienische Beretta haben, wie aus Verhandlungskreisen zu hören ist. Wenn der Deal mit den Italienern über die Bühne geht, dann wird die Schweizer Munitionsfabrik an ein Unternehmen veräussert, das nicht nur teure Jagdgewehre und die passende Mode dazu verkauft, sondern auch ein wenig transparentes Rüstungsgeschäft mit dem Namen Beretta Defence Technologies (BDT) betreibt.
BDT stellt ein umfassendes Produktsortiment für Kampftruppen und Spezialeinheiten her. Im Katalog befinden sich spezielle Laserzielvorrichtungen, Nachtsichtgeräte und Zielfernrohre, aber auch Pumpguns, Karabiner und Scharfschützengewehre sowie die passende Munition dazu.
Potenziell heikel ist auch: 2018 ist die BDT ein Joint-Venture mit Barzan Holdings, einem Rüstungskonzern aus Katar, eingegangen. Das Ziel des Gemeinschaftsunternehmens ist es, leichte High-Tech-Waffen für die Streitkräfte des Wüstenstaates zu entwickeln und zu produzieren. Wie geht die Schweiz damit um, wenn Munition aus Thun über Italien nach Katar gelangen sollte?
Verkauf politisch umstritten
Der Verkauf der Munitionssparte ist politisch umstritten. Seit der Bundesrat beschlossen hat, Ruag Ammotec zu verkaufen, steigt im Parlament der Druck. Im Herbst beugte sich Ständerat über das Geschäft. Er hat es knapp abgelehnt, den Verkauf zu stoppen. Die vorberatende Kommission hatte dies noch befürwortet.
Diese stützte eine Motion von Werner Salzmann (SVP/BE), die sich dafür einsetzte, den nationalen Produktionsstandort für Kleinkalibermunition zu erhalten, um die Versorgungssicherheit der Armee und Polizei zu gewährleisten. Die Munitionssparte sollte in Schweizer Hand bleiben. Doch wie es ausschaut, befindet sich kein Schweizer Investor unter den Bietern.
CZ Group, Czechoslovak Group liessen Anfragen unbeantwortet. Der Beretta-Konzern verfügt über keine Medienstelle. E-Mail-Anfragen an CEO Pietro Beretta wurden blockiert. Letzten November berichteten italienische Medien, dass sich die Waffenschmiede für die Schweizer Munitionsfabrik interessieren würde. Damals wurde ein Preis von 360 Millionen Euro genannt.
Nammo schreibt, dass man zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme abgeben möchte. Ruag International erklärt: «Der Schweizer Bundesrat hat sich für den Verkauf der Ruag Ammotec mit Auflagen entschieden, namentlich zur Herkunft des Käufers oder zur Sicherung des Standorts Thun. Über den Stand der Verhandlungen geben wir wie in solchen Verfahren üblich keine Auskunft.»
Der Artikel wurde um die Stellungnahmen von Ruag International und Nammo ergänzt.