Letzten Sonntag gegen 21 Uhr landete eine Gulfstream 650 auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Die Maschine kam von Moskau und gehört dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch. Gemäss Flighttracker-Informationen war die Maschine zuvor rund eine Woche in der Türkei stationiert, bevor sie via Moskau nach Israel flog.
Auch eine Boeing 787 Dreamliner, die ebenfalls dem schwerreichen Russen gehört, konnte getrackt werden. Gemäss israelischen Medienberichten ist seit Ausbruch der Kriegshandlungen eine ungewöhnlich hohe Zahl von Privatjets aus Moskau in Israel gelandet.
Abramowitsch besitzt wie auch andere Oligarchen nicht nur einen russischen Pass, sondern auch einen israelischen. Nach der Annexion der Krim und den damals verhängten Sanktionen nutzen viele Russen mit jüdischem Familienhintergrund diese Gelegenheit. Gemäss israelischen Medienberichten haben inzwischen etwa 40 Oligarchen einen israelischen Pass. Abramowitsch besitzt zusätzlich noch einen portugiesischen.
Abramowitsch gilt als reichster Mann Israels
Abramowitsch, der den FC Chelsea besitzt und Anteile am Stahl- und Minenkonzern Evraz hält, hat sich 2018 in Israel niedergelassen. Mit einem Vermögen von über zehn Milliarden Dollar gilt er als reichster Israeli. Er besitzt mehrere Grundstücke, unter anderem ein grosses Anwesen im noblen Neve-Tzedek-Viertel, das er dem Mann von Schauspielerin Gal Gadot abkaufte.
Andere jüdisch-russische Oligarchen wie die Banker Mikhail Fridman, Petr Awen, German Khan sowie der in der Schweiz aktive Viktor Vekselberg sind geschäftlich ebenfalls eng mit Israel verbunden. Und sie stehen wie Abramowitsch auf den Sanktionslisten des Westens. Sie alle haben enge Verbindungen zu Wladimir Putin.
Israel hat die Sanktionen des Westens nicht übernommen
Das Land hat im Gegensatz zu den vielen westlichen Staaten bisher keine Sanktionen gegen Russen verhängt und auch keine Gelder eingefroren. Die Regierung hat bis jetzt nicht klar Stellung gegen Russland bezogen. Der israelische Premierminister Naftali Bennett sieht sich als Vermittler der Kriegsparteien.
Wegen Abramowitsch und anderer reicher Doppelbürger herrscht nun Nervosität in Israel. Victoria Nuland, Unterstaatssekretärin im US-Aussenministerium, hat im israelischen Fernsehen davor gewarnt, “dreckiges Geld” von Russen anzunehmen und die Regierung aufgefordert, sich den Sanktionen anzuschliessen. Aussenminister Yair Lapid entgegnete darauf, dass Israel keine Umgehungsmöglichkeiten für Sanktionen bieten werde.
Unklar ist, wie viel Geld von Oligarchen und anderen vermögenden Russen von der Schweiz nach Israel verschoben wurde. Die Schweiz erliess am 4. März um 18 Uhr breitflächige Sanktionen gegen Russen. In der EU wurden diese bereits am 28. Februar eingeführt. Die Tage dazwischen wurden gemäss Kennern der Szene genutzt, um Gelder aus dem Land zu schaffen. In welchem Umfang ist allerdings völlig unklar.
Keine verlässlichen Zahlen über das Russland-Exposure
Überhaupt gibt es bisher kaum verlässliche Zahlen über das Exposure des Schweizer Finanzplatzes gegenüber russischen Kunden. Der Präsident der schweizerischen Bankiervereinigung, Marcel Rohner, schätzte die Zahl diese Woche an einer Veranstaltung auf 150 bis 200 Milliarden Franken.
Das wären vier Prozent total in der Schweiz grenzüberschreitend angelegten Gelder – eine nicht unbedeutende Summe. Wie viel davon von sanktionierten Russen stammt, ist nicht bekannt. Der grösste Teil der Vermögen dürfte Personen der russischen Oberschicht gehören, die nicht auf den Sanktionslisten stehen.
Die “Luzerner Zeitung” schrieb diese Woche, dass die scharfen Sanktionsmassnahmen die Schweizer Banken noch teurer zu stehen kommen könnten. Seit dem 4. März treffen die Sanktionen nebst den bekannten Oligarchen auch andere russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oder in Russland wohnhafte Personen, die ein Vermögen von mehr als 100’000 Franken auf einer Schweizer Bank deponiert haben.
Die Gelder bleiben für die Kontoinhaber zwar verfügbar, aber ein Ausbau des Geschäfts ist verboten. Die Banken sind angehalten, die Konto-Bestände mit Russland-Bezug bis zum 3. Juni dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu melden. Erst dann dürfte Klarheit herrschen, wie viel Geld Russen in der Schweiz angelegt haben. Aber auch dürfte weiterhin um dunklen bleiben, wohin Russen-Gelder vor Verhängung der Sanktionen verschoben wurden.