Franken fällt unter Parität
Der harte Franken freut die Reiselustigen – und treibt Sorgenfalten auf Stirn von Finanzpolitikerinnen und -politikern. Die SNB kommt in einen politischen Sturm.
30. Juni 2022 • Beat Schmid

Der Franken wird nach dem Zinsschritt der Nationalbank härter und härter. Gestern ist er gegenüber dem Euro erstmals unter Parität gefallen. Auch gegenüber dem Dollar wird der Franken immer härter. Das dämpft die Inflation in der Schweiz und freut alle, die nächstens ihre Ferien im Ausland verbringen werden. Doch Vertreter von Bund und Kantonen dürften die Entwicklung mit grossen Sorgen verfolgen.

Die riesigen Reserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) schmelzen dahin wie ein Gelato in der Mittagshitze. Die Verluste im zweiten Quartal, das heute zu Ende geht, könnten die Grenze von 50 Milliarden Franken durchbrechen. Die wichtigsten Gründe dafür sind neben dem harten Franken die steigenden Zinsen sowie die fallenden Obligationen und Aktienkurse. Diese Mischung reisst ein riesiges Loch in die Bilanz der SNB, die in den letzten Jahren auf 1000 Milliarden Franken angeschwollen ist.

Ein leicht härterer Franken verursacht riesige Verluste

Bereits im ersten Quartal schrieb die Notenbank mit 33 Milliarden Franken einen enorm hohen Verlust. Auf den Fremdwährungspositionen betrug er über 36 Milliarden Franken. Meyrick Chapman, ein früherer Anleihenstratege der UBS und Portfoliomanager von Elliott Management, schätzte den Verlust per Ende Mai auf 75 Milliarden Franken. In einem Worst-Case-Szenario rechnete er mit einem Fehlbetrag von 120 Milliarden Franken.

Vor einer Woche schätzte die NZZ das Halbjahresminus auf 80 Milliarden Franken. Seither ist der Franken aber nochmals stärker geworden. Es braucht nur kleine Bewegungen, um grosse Verluste zu generieren. Verteuert sich der Franken nur um 1 Prozent, resultiert bei einer Bilanzgrösse von 1000 Milliarden Franken ein Verlust von 10 Milliarden. Die Fremdwährungen der Nationalbank bestehen zu einem grossen Teil aus Anlagen, die in Euros und Dollar gehalten werden. In Franken umgerechnet, verlieren sie folglich an Wert.

Ausschüttungsreserven könnten sich in Luft auflösen

Wie hoch der Halbjahresverlust auch immer ausfallen wird, schon jetzt ist klar, dass die Reserven für die Ausschüttungen an Bund und Kantone massiv dezimiert werden. Per Ende Jahr betrugen die Reserven 102,5 Milliarden Franken. Werden sich die Märkte im zweiten Halbjahr nicht stark erholen, dürfte die zur Verteilung vorgesehen Geldtöpfe so stark geschrumpft sein, dass vielleicht nur noch eine minimale Ausschüttung von 2 Milliarden Franken möglich ist (maximal beträgt die Summe 6 Milliarden Franken. Sie konnte für letztes Jahr ausgezahlt werden).

Doch auch die 2 Milliarden sind nicht sicher. “Möglicherweise werden wir nichts ausschütten können”, sagt eine SNB-Quelle. Auch offiziell versucht die Nationalbank seit Wochen, die Öffentlichkeit auf härtere Zeiten einzustimmen. An der letzten Generalversammlung sagte Bankratspräsidentin Janom Steiner, dass ein gut dotierter Puffer im Interesse des Landes sei, andernfalls steige die Wahrscheinlichkeit, dass “Phasen ohne Gewinnausschüttung eintreten, die zudem von längerer Dauer sein können”.

Ende März warnte Thomas Jordan vor den Begehrlichkeiten der Politik. «Der Sinn der SNB ist nicht Gewinne auszuschütten, das Ziel ist Preisstabilität», sagte er in den Samstagsrundschau von SRF. Und erteilte den Ideen, Einnahmen der Nationalbank für die Finanzierung der AHV einzusetzen, eine Abfuhr.

Ende Juli wird die SNB die Zahlen für das zweite Quartal veröffentlichen. Spätestens dann wird Direktionspräsident Thomas Jordan und seine Crew sich bohrenden Fragen stellen müssen.

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