Credit Suisse
Die Aktien der Grossbank verloren gestern bereits zum siebten Mal in Folge. Jetzt legen Analysten mit neuen Einschätzungen den Finger auf wunde Punkte.
21. Dezember 2022 • Beat Schmid

Die Aktien der Credit Suisse sanken gestern auf 2.73 Franken – es war der siebte Negativtag in Folge. Getrieben waren die Kursverluste von zwei neuen, skeptischen Analysteneinschätzungen. Bloomberg berichtete zuerst über die neuen Research Reports.

Andrew Coombs von der Citigroup sagte in einer Notiz, dass er “wenig überzeugt” sei von der Strategie der Grossbank. Er begründete dies mit der “mangelnden Klarsicht und den jüngsten Entwicklungen des Unternehmens”.

Die Grossbank gab am 27. Oktober ihre neue Strategie bekannt, die eine Fokussierung auf das Vermögensverwaltungsgeschäft und den Schweizer Heimmarkt beinhaltet. Doch wichtige Angaben zur ebenfalls angekündigten Verkleinerung beziehungsweise Abspaltung der Investmentbank lässt die Grossbank bis heute vermissen. Details zum Verkauf des Verbriefungsgeschäfts, die Schaffung und Herauslösung der CS First Boston – hier herrscht Stochern im Nebel.

Wie gross wird die Kundenfluktuation sein?

Sorgen bereiten auch die sich häufenden Meldungen über Kündigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Abgänge gibt es nicht nur im Investmentbanking, sondern auch im Wealth Management, also im künftigen Kerngeschäft der Credit Suisse. In normalen Zeiten müsste man sich über diese Entwicklung nicht allzu grosse Sogen machen. Oftmals gelingt es den abtrünnigen Bankern nämlich nicht, viele Kunden an den neuen Ort “mitzunehmen”.

Die sogenannte Client Attrition Rate, also die Kundenfluktuationsrate, beträgt im Normalfall vielleicht 10 Prozent. In der aktuell schwierigen Lage, in der sich die CS befindet, könnte die Client Attrition viel höher ausfallen. Die Bank hat in den ersten sechs Wochen des vierten Quartals über 80 Milliarden Franken Kundengelder verloren. Die Bankchefs sagen, der Aderlass habe gestoppt werden können. Wie es effektiv aussieht, wird man spätestens Anfang Februar mit der Publikation der Jahreszahlen erfahren.

Coombs von Citigroup erwartet, dass die Credit Suisse im Jahr 2023 aufgrund von Restrukturierungskosten “einen hohen Verlust” schreiben wird, bevor sie im Jahr 2024 wieder die Gewinnschwelle erreicht. Er setzt ein Kursziel von 3.89 Franken für die Aktie. Er gibt eine Buy/High-Risk-Empfehlung ab.

Ebenfalls eine Wiederaufnahme der Abdeckung meldete die Royal Bank of Canada (RBC). Bankenanalystin Anke Reingen begrüsst zwar das “entschiedene Handeln” der CS-Führung und sie “honoriere” auch die Bemühungen in Richtung Kostenkontrolle. Damit tönt sie leicht optimistischer als ihr Kollege von der Citigroup. Dennoch sieht sie kaum Spielraum für den Aktienkurs. Sie macht das Kursziel bei 3.50 Franken fest.

“CS-Aktie ist eine Option”

Ein vermögender Privatinvestor sagte gestern gegenüber Tippinpoint, dass er kürzlich “ein paar Tausend CS-Aktien” gekauft habe. Wenn die Titel steigen, dann mache einen schönen Gewinn, wenn sie weiter fallen, sei der Verlust verkraftbar. “Für mich hat die CS den Charakter einer Option”, sagte er. Mit Optionen können Investoren für wenig Geld auf steigende Aktienkurse wetten.

Deutlich optimistischer schätzte jüngst Bundesrat Ueli Maurer die Lage bei der Grossbank ein. “Ich bin der Meinung, dass die CS die Kurve schaffen wird”, sagte er in einem Radiointerview. “Man muss sie jetzt einfach ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen.” Es wird ein frommer Wunsch des Finanzministers bleiben.

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