Parfümfirmen unter Verdacht
Das Genfer Aroma- und Duftstoff-Unternehmen wird überhäuft mit Nachhaltigkeits- und Business-Ethik-Preisen. Schlecht dazu passt der Verdacht, gegen das Kartellrecht verstossen zu haben.
8. März 2023 • Beat Schmid

Die Weko habe Anhaltspunkte, dass mehrere Duftstoff-Unternehmen gegen das Kartellrecht verstossen haben. “Es besteht der Verdacht, dass sie ihre Preispolitik koordinierten, ihre Konkurrentinnen daran hinderten, bestimmte Kundinnen zu beliefern, und die Herstellung gewisser Duftstoffe beschränkten”, schreibt die Wettbewerbskommission (Weko).

Die Behörde nennt auch die Namen der Firmen: Firmenich International SA (Genf), Givaudan SA (Genf), International Flavors & Fragrances Inc. (USA) und Symrise AG (Deutschland). An verschiedenen Standorten seien Hausdurchsuchungen durchgeführt worden, die in Abstimmung mit den Wettbewerbsbehörden der EU-Kommission, der USA und Grossbritanniens durchgeführt wurden.

Diese vier Unternehmen beherrschen den Markt für Duftstoffe nahezu vollständig. Gemäss einer früheren Untersuchung liefern sie beispielsweise den Inhalt für etwa 90 Prozent aller Parfüms. Firmenich etwa steht hinter den Blockbuster-Fragrances Black Opium von YSL, Gucci Flora, Acqua di Gio oder CK One und vielen mehr.

Patrick Firmenich sitzt im UBS-Verwaltungsrat

Zwar steht die Untersuchung erst am Anfang – und generell gilt für alle Involvierten die Unschuldsvermutung –, doch der Imageschaden ist beträchtlich. Auf dem völlig falschen Fuss dürfte das Verfahren die Genfer Firmenich erwischt haben. Das Familienunternehmen, das eine Fusion mit der niederländischen Royal DSM anstrebt, gilt als eines der bestgeführten Unternehmen der Schweiz.

Im Bereich der Nachhaltigkeit und der ethischen Unternehmensführung ist Firmenich ein Vorzeigebetrieb. Die Firma glänzt in praktisch allen Disziplinen: Im ESG-Ranking von Sustainalytics kommt sie auf Platz 37 von weltweit 15’000 analysierten Unternehmen.

Von Ecovadis erhielt Firmenich den “Platinum Award”, den nur Betriebe erhalten, die zum besten Prozent der Welt gehören. Ethisphere zählte Firmenich 2022 zu den “World’s Most Ethical Companies” – eine Auszeichnung, die weltweit nur 136 Firmen bekommen haben.

EY kürte 2020 den langjährigen Firmenchef und jetzigen Verwaltungsratspräsidenten Patrick Firmenich zum “Entrepreneur of the Year”. Der Unternehmer sitzt auch im Verwaltungsrat der Grossbank UBS. In der Kurzbiografie heisst es dort, er habe eine “ehrgeizige Nachhaltigkeitsstrategie” entwickelt, “sodass der Konzern führend in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Umweltleistung ist”.

“Ethik ist eine Geisteshaltung”

“Unser Ziel ist es, über die Einhaltung von Vorschriften hinauszugehen und ein solides globales Programm für Unternehmensethik anzubieten, das noch einen Schritt weiter geht”, heisst es im jüngsten Sustainability-Bericht von Firmenich. “Ethik ist eine Geisteshaltung; sie bestimmt, wie wir Geschäfte machen und wie wir miteinander umgehen. Ethik ist ein Teil unserer Werte und der Schlüssel zu unserer führenden ESG-Leistung.”

Kann die Untersuchung den Deal mit Royal DSM gefährden? Davon ist nicht auszugehen. Die Aktionäre haben erst im Januar grünes Licht für die 21-Milliarden-Transaktion gegeben. Dennoch dürfte für sie die Untersuchung eine grosse Enttäuschung sein. Einige Aktionäre dürften sich fragen, ob sie zu viel für die Schweizer Firma bezahlt haben.

Offenbar sind Investoren zunehmend bereit, für ein nachhaltiges Unternehmen tiefer in die Tasche zu greifen. Eine Anfang Jahr publizierte Befragung von KPMG ergab, dass ESG-Überlegungen inzwischen auch in Due-Diligence-Prozesse einfliessen. Die Hälfte der Befragten wäre sogar bereit, einen Nachhaltigkeits-Zuschlag von 1 bis 5 Prozent zu bezahlen, 15 Prozent würden 5 bis 10 Prozent extra zahlen. 3 Prozent würden einen Aufpreis von mehr als 10 Prozent auf den Tisch legen, falls ESG-Kriterien erfüllt sind.

Die Aktien der Royal DSM sind heute Morgen mit einem Abschlag von über 2 Prozent in den Tag gestartet.

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