Sustainable Finance
Lange hat die Finanzbranche gehofft, Greenwashing durch Selbstregulierung in den Griff zu bekommen. Jetzt beerdigt das federführende Finanzdepartement diesen Prozess. Die Finanzbranche reagiert enttäuscht und warnt vor einem «Swiss Finish».
18. Oktober 2023 • Beat Schmid

Wie kann Greenwashing im Finanzsektor erkannt und verhindert werden? Seit Jahren diskutieren Konsumentenschutzorganisationen, Politik und Finanzbranche über ein griffiges Instrumentarium zur Bekämpfung von Täuschungen bei nachhaltigen Finanzanlagen. Die Schweizer Finanzbranche hat bereits vor über einem Jahr mit Empfehlungen und einer freiwilligen Selbstregulierung begonnen, Greenwashing einen Riegel vorzuschieben.

Spätestens seit Herbst 2022 wurde aber immer klarer, dass die Politik früher oder später das Heft in die Hand nehmen wird. So kündigte der Bundesrat im Dezember 2022 an, sich Gedanken über die Bekämpfung von Greenwashing zu machen und bis Ende September 2023 das weitere Vorgehen vorzuschlagen.

Wie Tippinpoint erfahren hat, ist es nächste Woche soweit. Am kommenden Mittwoch will der Bundesrat seine Vorstellungen präsentieren, wie er Greenwashing in der Schweiz regulieren will. Eine Selbstregulierung, wie sie die Finanzbranche anstrebt, ist dabei vom Tisch. Dem Vernehmen nach will der Bundesrat eine gesetzliche Regelung von Greenwashing vorschlagen.

Regulierung auf dem Verordnungsweg

Konkret soll die Greenwashing-Regelung über eine Verordnung verankert werden. Dies geht aus mehreren mit dem Dossier vertrauten Quellen hervor. Eine Regelung auf dem Verordnungsweg hat den Vorteil, dass die neuen Bestimmungen relativ schnell umgesetzt werden können, da keine Gesetzesanpassungen nötig sind, die langwierige politische Prozesse nach sich ziehen können.

Ein Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) will die Pläne inhaltlich nicht kommentieren. Er verweist auf die oben erwähnte Stellungnahme des Bundesrates vom vergangenen Jahr und das darin skizzierte Vorgehen. «Dieser Vorgang hat aufgrund vertiefender Abklärungen eine leichte Verzögerung», schreibt der EDF-Sprecher in seiner Stellungnahme.

Für die Finanzbranche ist eine gesetzliche Regelung eigentlich der Worst Case, den man unbedingt vermeiden wollte. Die Bankiervereinigung sowie die Asset Management Association Switzerland (AMAS) und der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) haben viel Energie in die Entwicklung ihrer Selbstregulierungen gesteckt.

AMAS: «Gesetzliche Regulierung nicht notwendig»

In einer Stellungnahme schreibt die Bankiervereinigung: «Wir unterstützen den Bundesrat in seinem Bestreben, die Schweiz als führenden Standort für nachhaltige Finanzen zu festigen. Greenwashing lehnen wir entschieden ab». Und weiter: Aufgrund der hohen Dynamik im Bereich Sustainable Finance «sehen wir Selbstregulierungen als optimales Instrument», um die Prävention von Greenwashing umzusetzen.

Der Asset-Manager-Verband AMAS schreibt: «Anders als eine gesetzliche Regulierung ist die Selbstregulierung rasch und flexibel umsetzbar, sie ist praxisnah und geniesst in der Industrie eine hohe Akzeptanz, was ihre breite Anwendung beweist.» Zusammen mit den Selbstregulierungen der Bankiervereinigung und des SVV könne eine «finanzmarktübergreifende Koordination, Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit» erreicht werden.

Die AMAS hat klare Erwartungen an die Landesregierung: «Falls sich der Bundesrat für eine gesetzliche Regulierung entscheidet, erwartet die AMAS, dass diese alle Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz und alle Kategorien von Finanzprodukten abdeckt». Von einer schweizerischen Regulierung erwartet die AMAS zudem, dass sie «mit den internationalen Regulierungen und deren dynamischer Entwicklung kompatibel ist und ein ‘Swiss Finish’ vermieden wird».

Finma machte sich für eine gesetzliche Regelung stark

Dass sich die Politik in die heikle Greenwashing-Problematik einschaltet, zeichnete sich bereits vor über einem Jahr ab. Der inzwischen zurückgetretene Finma-Direktor Urban Angehrn zeigte sich an der letztjährigen AMAS-Jahrestagung skeptisch gegenüber dem Instrument der Selbstregulierung: «Wir begrüssen die von den Branchenvertretern erarbeiteten freiwilligen Selbstregulierungen sehr». Diese würden in die richtige Richtung zielen. «Ergänzend braucht es aus unserer Sicht aber einen gesetzlichen Rahmen, der für alle Bereiche der Finanzindustrie gilt und aufsichtsrechtlich durchsetzbar ist», sagte Angehrn.

Auch Johanna Preisig, die inzwischen ebenfalls zurückgetretene Leiterin des Geschäftsbereichs Strategische Grundlagen bei der Finma, sprach sich für eine gesetzliche Regelung aus. An der Building-Bridges-Konferenz 2022 sagte sie, dass Regulierungen im Bereich der sogenannten «vorvertraglichen Transparenz» eine grosse Wirkung hätten. Die Offenlegungspflichten in Prospekten, Verträgen, aber auch in Jahres- oder Halbjahresberichten sollten verschärft werden. Selbstregulierungen der Branche gingen in die richtige Richtung, seien aber «kein Ersatz für staatliche Regeln».

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