Digital Assets Briefing
Die Krypto-Industrie boomt und mit ihr der Wert des Crypto Valleys. Doch sind die enormen Bewertungen, die das «Tal» ausweist, halbwegs realistisch? Wir haben nachgefragt. Dazu: Erster Krypto-ETF wird bereits übernommen +++ Die Top 10 der wichtigsten Krypto-Twitter.
19. Januar 2024 • Werner Grundlehner

Die Krypto-Industrie boomt und mit ihr der Wert des Crypto Valleys, beziehungsweise der Marktwert von Stiftungen, Blockchains und Firmen, die das «Tal» ausmachen. Dass digitale Assets an Wert gewonnen haben, würden wohl die wenigsten anzweifeln. Ob die Bewertung der Krypto-Industrie in der Schweiz wirklich so hoch ist, wie die Branche meldet, steht auf einem anderen Blatt.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Erster Krypto-ETF wird bereits übernommen
• Das sind die zehn wichtigsten Krypto-Twitter



Die bereits neunte Ausgabe des «CV VC Top 50 Report» ist am Mittwoch am WEF in Davos präsientiert worden. Die Bewertung der 50 grössten Crypto-Valley-Firmen hat sich gemäss Report im vergangenen Jahr auf 383 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Der Wertzuwachs beträgt 106%.

CV VC (Crypto Valley Venture Capital) ist eine Schweizer Blockchain-Wagniskapitalgesellschaft, die Startkapital und Beschleunigungsprogramme für Blockchain-Startups bereitstellt. Gleichzeitig ist es ein inoffizieller Branchenverband für die Industrie und das Valley, das mittlerweile nicht mehr nur das Tal um Zug umfasst, sondern die gesamte Schweiz und Liechtenstein. Gemäss CV VC gehören 1290 Organisationen zur Blockchain-Branche – 1224 in der Schweiz und 66 in Liechtenstein. Mit 512 Gesellschaften ist die Region um Zug mit der Ethereum-, der Cardano-, der Solana- und der Tezos-Stiftung, dem Krypto-Broker Bitcoin Suisse und der Krypto-Bank Amina (ehemals Seba) weiterhin das Herz des Valleys.

Das Crypto Valley ist dabei nicht nur eine zufällige Bezeichnung für ein Gebiet, das durch Landesgrenzen definiert ist. «Die Vertreter kennen sich untereinander, man tauscht sich an Anlässen aus und es gibt eine gemeinsame Rechtsgrundlage», sagt Ruch. CV VC ist einerseits ein Risikokapitalgeber, aber mit der Tochter CV Labs auch eine Organisation, die das Ökosystem verbinden will. «Man will alle Stakeholder zusammenbringen und möglichst neutral sein», sagt Mathias Ruch, CEO und Gründer von CV VC.

Nach wie vor gibt der Bitcoin Wachstumsgeschwindigkeit und Fantasie im Kryptosektor vor. Am Beispiel der Bitcoin-Blockchain zeigt sich aber auch, wie schwierig es ist, eine dezentrale Organisation zu bewerten. Der Wert von rund 840 Milliarden Dollar, den alle Bitcoins momentan zusammen auf die Waage bringen, kann in dieser dezentralen Organisation niemand für sich allein beanspruchen, ausser die Besitzer der Coins selbst. Handelsplätze, Custodians, Asset Manager generieren dagegen Erträge aus der «Arbeit» mit den Coins.

Organisationen mit eigenen Währungen dominieren

Es ist erfreulich, dass die junge Industrie Erfolge verbuchen kann, doch scheint die Bewertung mehr als sportlich zu sein. «Es gibt hier kein richtig oder falsch, es sind die verfügbaren Zahlen», sagt Mathias Ruch. Um die Zahlen einzuordnen, hat tippinpoint mehrere Experten befragt, die in der Industrie arbeiten oder diese beobachten. Diese Fachleute wollten namentlich nicht genannt werden.

Ethereum würde in einem Börsengang nicht 280 Milliarden (der Wert der Token am 31.12) lösen, sagt ein Experte. Er würde für die Bewertung nicht die Summe der ausstehenden Ether heranziehen. Der Experte räumt aber ein, dass «es wirklich schwierig sei, den Marktwert sonst irgendwie zu messen». Nach seiner Ansicht könnte man Faktoren wie Netzwerk einbeziehen, doch auch das wäre schwierig. «Um Ethereum zu bewerten, müsste man am ehesten ein Discounted-Cashflow-Modell heranziehen und die künftigen Gebühren, die das Netzwerk generieren wird, abdiskontieren».

Möglichkeiten der Blockchain-Bewertung

Die Gebühren seien nach Meinung des Experten eine gute greifbare Messgrösse – etwa mit dem Umsatz in einem Unternehmen zu vergleichen – und zeigten die wirtschaftliche Aktivität. Das würde einen Wert ergeben, den man auch mit traditionellen Assets vergleichen könnte. «Im Kryptospace hat es meines Erachtens viele solcher übertriebenen Bewertungen». Er führt den Tokenisierungsexperten Aktionariat an, den er «eine super Sache findet». Doch eine Bewertung von 18 Millionen Franken für eine kleine Firma, die Verluste schreibe, sei nicht angemessen.

Der Bericht habe die bestmögliche Bewertung der Blockchains herangegzogen, sagt dazu Ruch: «In einem Markt, in dem die Informationen gleich verteilt sind, werden die Möglichkeiten des Protokolls im Wert der Coins abgebildet». Je nach Dezentralität gehöre das Projekt mehr oder weniger der Stiftung.

Blockhain-Plattformen werden in der Schweiz oft von Stiftungen betrieben, diese besitzen aber nicht den Wert der Blockchain-Marktkapitalisierung, dieser liegt bei den einzelnen Besitzern der Coins. Eine Bewertung von Kryptowährungen und deren Blockchain-Ökosystemen lässt sich laut Lehre aus einer Analyse von Marktpotenzial, Wettbewerb, Technologie, Team, Tokenomics, Netzwerkeffekte und Marktdaten ableiten. Anders als bei Aktien können Kryptowährungen und deren Protokolle nicht wie klassische Unternehmen beispielsweise durch Kennzahlen zur Produktivität bewertet werden.

Der Markt entscheidet

Doch es gibt auch Verfechter der gewählten Methode. «Ethereum ist an der Börse und genau diese 280 Milliarden Dollar wert», sagt ein Krypto-Experte. Es sei zwar keine klassische Börse, aber jeder einzelne Ether-Token könne gehandelt werden und der Preis bilde sich am Markt. Der Ansatz sei durchaus legitim, weil es keine besseren Alternativen gebe, pflichtet ihm eine Kollegin bei. «Als problematisch sehe ich eher die Annahme, dass die Marktpreise für Krypto-Assets als fundamentaler Wert angesehen werden», fügt sie an.

Auch die Bewertung der Blockchain-Firmen (ohne eigene Kryptowährung) erscheint im Report ziemlich fantasievoll. Die Bekannteste dürfte hier 21Shares sein, die mit 2 Milliarden Franken bewertet wird. Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen zusammen mit dem Partner Ark Invest die Zulassung für einen Bitcoin-Spot-ETF in den USA erhalten. Dieser Umstand wird im Bericht aber noch nicht berücksichtigt. Der Marktwert von 21Shares ist fast gleich hoch, wie die Summe der verwalteten Vermögen (2,3 Mrd. Dollar). Würde man etwa bei der UBS den gleichen Bewertungsmassstab anlegen, würde die Grossbank einen Marktkapitalisierung von über 5000 Milliarden Dollar aufweisen.

Neugeld oder Kurswachstum?

«Bei 21Shares werden Wachstumsfantasien eingepreist», sagt ein Marktbeobachter. Wichtiger wäre es, die Einnahmen zu kennen, wenn man von Nettogebühren um die 1 Prozent ausgeht, käme man auf einen Umsatz von 25 bis 30 Millionen. Dann wird das Unternehmen noch etwas mit Lending und Staking einnehmen. Aber auch so bleibt ein Wert/Umsatz-Verhältnis von über 50. Das ist auch in Start-up-Gefilden sehr hoch. Gemäss Experte interessieren bei solchen Bewertungen insbesondere die Neugeldzuflüsse: «Denn oft – auch im traditionellen Banking – machen die Kursgewinne den Löwenanteil am Wachstum der Assets under Management aus und die Inflows sind gar nicht so gross».

«Wir verwendeten für die Bewertung die letzte öffentliche Finanzierungsrunde», erläutert der CV-VC-CEO da Vorgehen. Vielleicht habe es in der Zwischenzeit eine weitere private Kapitalaufnahme zu anderen Konditionen gegeben – das wüssten die Autoren nicht.

Der «CV VC Top 50 Report» gibt dem interessierten Leser eine gute Übersicht über die Branche – teilweise aber auch etwas einen falschen Eindruck, denn einige Unternehmen haben nicht viel mehr als einen Briefkasten in der Schweiz und die Wertschöpfung findet nicht im Land statt. Aber der Marketingeffekt des Berichts ist unbestritten.

Wer hoch fliegt…

«Berichte wie der CV-VC-Top-50 stossen hauptsächlich in der Industrie auf Interesse. Diese Leute können die Erkenntnisse gut kritisch reflektieren und einschätzen», sagt ein Hochschuldozent. Man solle sich einfach immer bewusst sein, dass Bewertungen von Krypto-Assets mit Vorsicht zu geniessen seien, da die Bewertungsmodelle für traditionelle Anlagen für die meisten digitalen Assets nicht funktionierten.

Dieser Artikel soll nicht die Leistungen und Errungenschaften des Crypto Valleys und den dort beheimateten Unternehmen schmälern. Vielmehr soll etwas Realität Einzug halten – heisse Luft gibt es in der Branche schon genug. Denn wenn etwas zu hoch steigt, kann es auch umso tiefer fallen – und dementsprechend Enttäuschung und Kritik auslösen. Zudem geht es der Branche – ausserhalb der Kryptowährungen – nicht so blendend, wie der Bericht vermuten lassen würde. Anbieter wie Bitcoin Suisse oder Crypto Finance haben jüngst Spar- und Umstrukturierungsmassnahmen angekündigt.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Erster Krypto-ETF wird bereits übernommen

Die britische CoinShares International, mit Sitz in Jersey, hat zwei Tage nach dem SEC-Okay für Bitcoin-Spot-ETF bekannt gegeben, dass sie eine Option auf die Übernahme von Valkyrie Funds ausgeübt hat. Dieser Schritt war nach Angaben des Unternehmens eine direkte Folge der Entscheidung der SEC. Die CoinShares-Aktien, die in Stockholm an der Nordic Nasdaq kotiert sind, haben seit der Ankündigung fast 3 Prozent eingebüsst. Durch die Akquisition wird das Angebot der Briten um digitale Vermögenswerte in den USA erweitert. Valkyyrie ist einer der elf ETF-Anbieter, deren Antrag von der US-Regulierungsbehörde genehmigt wurde. Mit der Übernahme übernimmt CoinShares das verwaltete Valkyrie-Vermögen von rund 110 Millionen Dollar, das sich auf den Valkyrie Bitcoin and Ether Strategy ETF, den Valkyrie Bitcoin Miners ETF und den neu notierten Valkyrie Bitcoin Fund verteilt. CoinShares verwaltet bereits selbst 4,5 Milliarden Dollar an Vermögenswerten in börsengehandelten Krypto-Produkten.



Das sind die zehn wichtigsten Krypto-Twitter

Obwohl X (früher Twitter) nach der Übernahme durch Elon Musk oft in der Kritik stand und viele einflussreiche Persönlichkeiten ihren Rückzug von der Plattform ankündigten – was meistens bei der Ankündigung blieb – ist der Kurznachrichtendienst eine wichtige Informationsquelle für Tech- und Krypto-Interessierte. Hier kommt eine Auflistung der wichtigsten «Krypto-Influencer» auf X – und nein, Satoshi Nakamoto findet sich nicht darunter.

Platz 1: Changpeng Zhao CZ
@cz_binance / 8,9 Mio. Follower
Der Chinese hat mit der Gründung der mittlerweile weltgrössen Krypto-Börse Binance die Branche geprägt wie kein Zweiter. Sein Imperium, das mit BNB auch die viertgrösste Krypto-Währung umfasst, hat aber nach zahlreichen Vorwürfen und Anklagen durch die US-Behörden Risse bekommen.

Platz 2: Jack Dorsey
@jack / 6,4 Mio. Follower
Obwohl sich der ehemalige Twitter-Chef nur noch gelegentlich auf Social-Media äussert, schaffer er es auf das Podest. Im Jahr 2021 lancierte er die «langweilige» Twitter-Alternative Bluesky, die aber noch nicht richtig abheben konnte. Im vergangenen Jahr hat Dorsey 10 Millionen Dollar gespendet, um Bitcoin zur «natürlichen Währung des Internets» zu machen.

Platz 3: Vitalik Buterin
@vitalikButerin / 5 Mio. Follower
Der kanadisch-russische Software-Entwickler ist «Mister Ethereum». Er gilt als Genie und hat 2013 federführend die Ethereum-Plattform entwickelt. Nach wie vor gilt er als Instanz in Fragen rund um den Kryptospace. Obwohl er als ehemaliger Redakteur des «Bitcoin Magazine» den Ausdruck des «Bitcoin-Maximalismus» prägte, hält er logischerweise wenig von der Überzeugung, dass der Bitcoin die einzige Kryptowährung von Wert sei.

Platz 4: Michael Saylor
@saylor / 3,2 Mio. Follower
Saylor steht für die Bitcoin-Adoption auf Unternehmensseite. Der Gründer von MicroStrategy, eines Anbieters von Business Intelligence, hat mit seinem Unternhmen 189’150 Bitcoin erworben – 0,9 Prozent des Gesamtbestandes.

Platz 5: Cathie Wood
@CathieDWood / 1,6 Mio. Follower
Wenn Cathie Wood Vermögenstransaktionen tätigt, macht das Schlagzeilen. Die Engagements sind gross, riskant und technologielastig. Die Gründerin des Investmentfonds Ark Invest ist eine starke Befürworterin von Kryptowährungen, davon zeugt etwa ihr Engagement in der Kryptobörse Coinbase. Zuletzt hat sie mit 21Shares einen Bitcoin-Spot-ETF lanciert.

Platz 6: Chamath Palihapitiya
@chamath / 1,6 Mio. Follower
Der Wagniskapitalgeber investiert über seine Venture-Capital-Firma Social Capital in verschiedenste Tech-Unternehmen mit sozialem Fokus. Darunter befindes sich etwa das Urban-Planning-Tool UrbanFootprint. Auch zu Kryptowährungen äussert sich Chamath regelmässig.

Platz 7: Marc Andreessen
@pmarca / 1,3 Mio. Follower
Andreessen ist kein klassischer Krypto-Influencer. Als Gründer des Wagniskapitalgebers Andreessen Horowitz (a16z) kommentiert er aber regelmässig Utopien und Innovationen im Tech-Bereich – zuletzt mit dem «Techno-Optimist Manifesto».

Platz 8: Brian Armstrong
@brian_armstrong / 1,3 Mio. Follower
Er gilt als Urgestein des Kryptospace. Schon im Jahr 2010 traf man ihn auf Bitcoin-Meetups in San Francisco. Mit der Gründung von Coinbase 2011 schickte er eine der erstenBitcoin-Handelsplätze ins Rennen.

Platz 9: Sam Bankman-Fried
@SBF_FTX / 1 Mio. Follower
Der rechtskräftig verurteilte Krypto-Betrüger SBF bindet immer noch eine grosse Followerschaft an sich. Das ist umso erstaunlicher, weil Bankman-Fried zuletzt im Januar 2023 einen Post, auf der von Elon Musk gesteuerten Plattform, abgesetzt hat.

Platz 10: Barry Silbert
@BarrySilbert / 0,8 Mio. Follower
Der einflussreichsten Krypto-Influencer und Unternehmer lenkt mit der Digital Currency Group (DCG) einen der wichtigsten Krypto-Konzerne. Unter seinem Dach finden sich Marken wie Grayscale (Bitcoin-Asset-Management), BitGo (Bitcoin-Verwahrung), BitPay (Krypto-Zahlungsdienstleister), Blockstream (Bitcoin-Softwareentwickler) und Coindesk (Newsplattform).

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