Unter den Zürcher Headhuntern hatte es zuletzt ein Gerangel gegeben, wer das Mandat für die CEO-Suche bei Julius Bär an sich reissen könnte. Dem Vernehmen nach hat Platzhirsch Egon Zehnder das Rennen gemacht, wie zwei Quellen im Gespräch sagen. Offiziell verifizieren lässt sich diese Information nicht. Die Executive-Search-Szene gibt sich gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen wie ein Grab.
Auf den Shortlists stehen mehrere bekannte Namen. Der Kandidat mit den besten Chancen soll Claudio de Sanctis sein, derzeit Chef der sogenannten Privatkundenbank bei der Deutschen Bank. In dieser Einheit ist das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank in Deutschland, das internationale Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden sowie das Wealth Management gebündelt. De Sanctis wurde im Juli in diese Position gehievt und erhielt einen Sitz im Konzernleitung.
Er ist seit gut fünf Jahren bei der Deutschen Bank und war unter anderem für kurze Zeit Chef der Deutschen Bank (Schweiz) AG. Vor seinem Wechsel zum Frankfurter Finanzinstitut war er während knapp sechs Jahren Europachef des Private Banking der Credit Suisse. Während dieser Zeit arbeitete er eng mit Romeo Lacher zusammen, dem heutigen Verwaltungsratspräsidenten von Julius Bär. Von 2006 bis 2013 war er Managing Director bei der UBS.
Mit Ecken und Kanten und blitzgescheit
De Sanctis gilt als blitzgescheit – auf Linkedin hat er angegeben, dass er seinen Bachelor in Philosophie magna cum laude mit der Note 110 abgeschlossen hat. Gleichzeitig ist er aber auch nicht unbedingt pflegeleicht im Umgang.
Im Herbst 2023 kam es bei der Deutschen Bank zum Eklat. In einer digitalen Townhall-Veranstaltung mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll er gesagt haben, die Postbank-Beschäftigten müssten sich zuletzt wie die Kinder gefühlt haben, die im Ersten Weltkrieg «völlig allein» und «ohne Verbindung zum Hauptquartier» in den Schützengräben ausgeharrt hätten. Die «Kids» seien bombardiert worden und hätten trotzdem weiterkämpfen müssen.
Die Deutsche Bank hat Probleme mit ihrer Privatkundentochter Postbank. Ein IT-Chaos mit Kundendaten hat dazu geführt, dass die Finanzaufsicht Bafin einen Sonderbeauftragten in die Bank geschickt hat, der überwachen soll, dass das Institut die Einschränkungen im Kundenservice bei der Postbank und der DSL Bank schnell und vollständig beseitigt. Betroffen von den Problemen ist das Privatkundengeschäft von Claudio de Sanctis.
Ende Februar war bekannt geworden, dass der Verwaltungsrat der Deutschen Bank beschlossen hatte, wegen der Probleme bei der Postbank die Boni mehrerer Topmanager zu kürzen, darunter CEO Christian Sewing und Claudio de Sanctis.
In Zumikon zu Hause
Für de Sanctis wäre eine Rückkehr zu einer Schweizer Bank mit keinem grossen logistischen Aufwand verbunden. Sein Lebensmittelpunkt liegt in der Zürcher Vorortsgemeinde Zumikon, wo er laut Handelsregister noch immer gemeldet ist. In Zumikon befindet sich auch die Privatschule Inter-Community School Zürich (ICS), wo er als Stiftungsrat tätig ist. Zudem ist er Präsident des Verwaltungsrates der Deutschen Bank (Schweiz) AG.
Ein Sprecher der Deutsche Bank in Frankfurt liess die Anfrage unbeantwortet, ob de Sanctis für den Posten bei Julius Bär zur Verfügung stehe. Auch von Julius Bär gab es keine Stellungnahme.
Die Privatbank hat entschieden, einen externen Nachfolger für den zurückgetretenen CEO Philipp Rickenbacher zu suchen. Die Bank musste wegen fauler Kredite im Zusammenhang mit dem bankrotten Immobilienimperium von René Benko über 600 Millionen Franken abschreiben.