Beat Röthlisberger kennt das Geschäft. Der Chef von Postfinance hat sich sein ganzes Berufsleben lang mit Firmenfinanzierungen beschäftigt. Zuerst bei der UBS, dann bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Seit letztem Sommer steht er an der Spitze von Postfinance, der Finanztochter des gelben Riesen.
Vor einer Woche hat er eine brisante Aussage gemacht, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. An einer Konferenz in Zürich liess er die Finanzcommunity wissen: «Postfinance hat die Fähigkeiten und die Mittel, bei der Unternehmensfinanzierung die Lücke zu schliessen, welche die CS hinterlassen hat. Die Mittel, die wir heute in ausländische Obligationen investieren müssen, könnten wir dem Werkplatz Schweiz zur Verfügung stellen, damit hier Wertschöpfung mit Schweizer Spargelder entsteht. Wir wären rasch dazu in der Lage.»
Ein Blick in die Bilanz und eine Nachfrage bei der Medienstelle der Postfinance zeigt: Es geht um richtig viel Geld. Insgesamt 25 Milliarden Franken investiert der staatlich kontrollierte Finanzkonzern in ausländische Obligationen. Das entspricht einem grossen Teil der Spargelder, die Kundinnen und Kunden bei Postfinance deponiert haben. Doch im Gegensatz zu allen anderen Banken ist es Postfinance verboten, diese Gelder als Hypotheken oder eben als Firmenkredite zu vergeben.
«Im KMU-Finanzierungsmarkt relevanter werden»
Banker Röthlisberger zeigt sich überzeugt, dass Postfinance über die nötigen Fähigkeiten im Firmenkreditgeschäft verfügt: «Angesichts des hohen Marktanteils bei KMU-Kunden und der ausgewiesenen Kompetenz als Marktführerin im Zahlungsverkehr ist Postfinance prädestiniert, im Schweizer KMU-Finanzierungsmarkt relevanter zu werden», schreibt er nach seinem Auftritt an der Konferenz in den sozialen Medien.
Röthlisberger ist überzeugt, damit einen Beitrag für das Unternehmertum und die Schweizer Volkswirtschaft zu leisten. «KMU könnten auch künftig Zugang zu preislich vernünftigen Finanzierungen erhalten.» Das ist derzeit in Frage gestellt. Seit dem Zusammenbruch der Credit Suisse spielt der Wettbewerb nicht mehr so wie früher. Unternehmer klagen über eine Ausweitung der Margen bei den Banken, wie tippinpoint mehrfach berichtete.
Es wäre aber zu einfach, die Schuld allein bei der UBS zu suchen. Auch andere Kreditgeber haben im Windschatten der grössten Schweizer Bank ihre Margen stark ausgeweitet. Im Zuge sinkender Zinsen dürften sie dies in Zukunft noch stärker tun. Vor allem bei mittelgrossen Finanzierungen spielt der Wettbewerb nicht mehr. Kaum eine Bank will in diesem Segment wachsen. Die mächtige Zürcher Kantonalbank etwa hat andere Prioritäten, als Kapital für Unternehmenskredite bereitzustellen. Die Staatsbank will lieber das Geschäft mit reichen Privatkunden oder das Asset Management ausbauen, wie Chef Urs Baumann an der Bilanzmedienkonferenz vom Freitag sagte. Postfinance könnte tatsächlich für mehr Wettbewerb sorgen.
Firmenkredite ja, Hypotheken für Privatkunden nein
Das grosse Problem: Um das zu tun, müsste zuerst Artikel 2 Absatz 3 des Postorganisationsgesetzes gestrichen werden. Darin steht, dass die Post «keine Kredite und Hypotheken an Dritte vergeben» darf. In der Vergangenheit scheiterten alle politischen Vorstösse, Postfinance von dieser Fessel zu befreien. Zuletzt im Herbst 2022, als beide Kammern des Parlaments beschlossen, nicht auf die vom Bundesrat beantragte Aufhebung des Kreditvergabeverbots einzutreten. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Credit Suisse bereits im Sterben lag.
Als die Grossbank wenige Monate später unterging, hatte niemand mehr den Mut, das Thema auf die Traktandenliste zu setzen. Dabei wäre der Zeitpunkt ideal gewesen. Denn gegen eine partielle Aufhebung – Firmenkredite ja, Hypotheken für Privatkunden nein – hätten sich angesichts der umgepflügten Bankenlandschaft wohl auch bürgerliche Politiker kaum wehren können.
Natürlich käme eine Lockerung des Kreditverbots auch der Postfinance selbst zugute. Die Posttochter kämpft – wie der ganze Konzern – seit Jahren mit tiefgreifenden strukturellen Problemen. Sie muss die Verluste aus dem Rückgang der Überweisungen am Postschalter verkraften und kann im Zinsgeschäft kaum profitieren. Gleichzeitig musste sie als systemrelevante Bank höhere Kapitalpuffer aufbauen. Die Folge sind seit Jahren sinkende Gewinne. Im ersten Halbjahr schrumpfte der Gewinn auf 64 Millionen Franken.
Dies ist umso brisanter, als Postfinance trotz aller Schwierigkeiten nach wie vor der wichtigste Gewinnlieferant des Postkonzerns ist. Doch wie reagierte die Postführung? Der scheidende Konzernchef Roberto Cirillo hat sich nie für seinen Finanzarm interessiert. «Es ist kein Geheimnis, dass Cirillo und der langjährige Postfinance-Chef Hansruedi Köng das Heu nicht auf der gleichen Bühne hatten», sagt ein Insider.
Das zeigte sich auch daran, dass Cirillo – anders als seine Vorgänger – nicht selbst im Verwaltungsrat der Postfinance Einsitz nahm, sondern stattdessen Nicole Burth entsandte. Burth ist bei der Post für den umstrittenen Bereich Kommunikationsdienste zuständig. Unter ihrer Führung hat die Post zahlreiche Firmen aufgekauft und ist immer weiter in Bereiche vorgedrungen, die von der Privatwirtschaft bestritten werden.
Nicole Burths Verlustgeschäfte
Dabei verdient die Post nicht mal Geld damit. Im letzten Jahr hat Burth einen Verlust von 72 Millionen Franken eingefahren – bei einem Umsatz von 157 Millionen Franken. Der durch die wilden Zukäufe entstandene Goodwill beläuft sich auf besorgniserregende 531 Millionen Franken. Der Post-Insider sagt es so: «Statt in unrentable Firmen hätte die Post das Geld lieber Postfinance gegeben, die es gewinnbringend hätte anlegen können.»
Post-Präsident Christian Levrat will demnächst einen neuen Konzernchef oder eine neue Konzernchefin präsentieren. Bleibt zu hoffen, dass der oder die Neue auch etwas von Bankgeschäften versteht.