Stefan Bollinger lässt sich nichts anmerken. Doch sein Frust über die Finma dürfte tief sitzen. Nach dem Debakel mit René Benko haben die Berner Aufseher die Bank ins Visier genommen. Obschon Julius Bär umfassend auf das Desaster reagiert hat – der Kredite wurden vollständig abgeschrieben, es kam zu zahlreichen Abgängen in der Chefetage und im Verwaltungsrat, das Private-Debt-Buch wird heruntergefahren – griff die Finma zu ihrer schärfsten Waffe und eröffnete ein Enforcement-Verfahren.
Analysten und Medienvertreter hofften am Dienstag bei der Präsentation der Halbjahreszahlen auf mehr Klarheit zum Stand des Verfahrens. Doch CEO Stefan Bollinger konnte keine neuen Informationen liefern. Das Interesse des Marktes ist deshalb so gross, weil die Finma unter anderem der Bank verboten hat, Aktienrückkäufe durchzuführen. Dies geschah mit Blick auf mögliche zusätzliche Eigenkapitalanforderungen. «Leider kann ich Ihnen keinen genauen Zeitplan nennen, da ich keinen habe», erklärte Bollinger auf die Frage eines Analysten in einer Telefonkonferenz, ob mit den Jahresergebnissen eine Aktualisierung der Kapitalpläne zu erwarten sei.
Doch nicht nur bei Kapitalrückführungen steht die Finma auf der Bremse. Auch bei vergleichsweise einfachen operativen Themen wollen die Aufseher in Bern mitreden. Der neue CEO hatte beim Strategie-Update Anfang Juni ein neues Entschädigungssystem für Kundenberater angekündigt. Dieses soll vermehrt Anreize schaffen, neue Kundinnen und Kunden zu akquirieren – im Gegensatz zum bisherigen Modell, das primär erfahrene Berater belohnte, auch wenn diese kaum mehr Neugeschäft brachten. Das neue Modell sei weit fortgeschritten, sagte Bollinger. Es müsse jedoch noch von der Finma bewilligt und vom Verwaltungsrat verabschiedet werden. Keine Informationen dazu, wann das sein wird.
Bei einer Pleite einfach Pleite
Die Börse reagierte am Dienstag negativ auf die Zahlen der Privatbank. Der Kurs sank zeitweise um 4,5 Prozent, erholte sich dann aber wieder. Als Grund dafür wird die anhaltende Unklarheit genannt, wann und in welchem Umfang Julius Bär wieder Aktien zurückkaufen darf.
Der Abschluss des Enforcement-Verfahrens ist weiterhin nicht absehbar – obwohl der Benko-Fall mittlerweile über eineinhalb Jahre zurückliegt. Die daraus resultierende Unsicherheit belastet den Aktienkurs und verunsichert Kundinnen und Kunden. Für eine Bank sind das toxische Rahmenbedingungen – eine Bank nota bene, die nicht systemrelevant ist und bei einer Pleite einfach Pleite gehen würde, ohne dass der Staat eingreifen würde. Die Aufseher in Bern scheinen diese Kollateralschäden bewusst in Kauf zu nehmen.