Langes Enforcement-Verfahren
Die Nachbeben des Benko-Schocks spürt Julius Bär nicht nur in den Zahlen, sondern auch ganz praktisch: Die Bank kann keine Aktienrückkäufe tätigen und muss ihr neues Bonussystem von der Finma absegnen lassen.
23. Juli 2025 • Beat Schmid

Stefan Bollinger lässt sich nichts anmerken. Doch sein Frust über die Finma dürfte tief sitzen. Nach dem Debakel mit René Benko haben die Berner Aufseher die Bank ins Visier genommen. Obschon Julius Bär umfassend auf das Desaster reagiert hat – der Kredite wurden vollständig abgeschrieben, es kam zu zahlreichen Abgängen in der Chefetage und im Verwaltungsrat, das Private-Debt-Buch wird heruntergefahren – griff die Finma zu ihrer schärfsten Waffe und eröffnete ein Enforcement-Verfahren.

Analysten und Medienvertreter hofften am Dienstag bei der Präsentation der Halbjahreszahlen auf mehr Klarheit zum Stand des Verfahrens. Doch CEO Stefan Bollinger konnte keine neuen Informationen liefern. Das Interesse des Marktes ist deshalb so gross, weil die Finma unter anderem der Bank verboten hat, Aktienrückkäufe durchzuführen. Dies geschah mit Blick auf mögliche zusätzliche Eigenkapitalanforderungen. «Leider kann ich Ihnen keinen genauen Zeitplan nennen, da ich keinen habe», erklärte Bollinger auf die Frage eines Analysten in einer Telefonkonferenz, ob mit den Jahresergebnissen eine Aktualisierung der Kapitalpläne zu erwarten sei.

Doch nicht nur bei Kapitalrückführungen steht die Finma auf der Bremse. Auch bei vergleichsweise einfachen operativen Themen wollen die Aufseher in Bern mitreden. Der neue CEO hatte beim Strategie-Update Anfang Juni ein neues Entschädigungssystem für Kundenberater angekündigt. Dieses soll vermehrt Anreize schaffen, neue Kundinnen und Kunden zu akquirieren – im Gegensatz zum bisherigen Modell, das primär erfahrene Berater belohnte, auch wenn diese kaum mehr Neugeschäft brachten. Das neue Modell sei weit fortgeschritten, sagte Bollinger. Es müsse jedoch noch von der Finma bewilligt und vom Verwaltungsrat verabschiedet werden. Keine Informationen dazu, wann das sein wird.

Bei einer Pleite einfach Pleite

Die Börse reagierte am Dienstag negativ auf die Zahlen der Privatbank. Der Kurs sank zeitweise um 4,5 Prozent, erholte sich dann aber wieder. Als Grund dafür wird die anhaltende Unklarheit genannt, wann und in welchem Umfang Julius Bär wieder Aktien zurückkaufen darf.

Der Abschluss des Enforcement-Verfahrens ist weiterhin nicht absehbar – obwohl der Benko-Fall mittlerweile über eineinhalb Jahre zurückliegt. Die daraus resultierende Unsicherheit belastet den Aktienkurs und verunsichert Kundinnen und Kunden. Für eine Bank sind das toxische Rahmenbedingungen – eine Bank nota bene, die nicht systemrelevant ist und bei einer Pleite einfach Pleite gehen würde, ohne dass der Staat eingreifen würde. Die Aufseher in Bern scheinen diese Kollateralschäden bewusst in Kauf zu nehmen.

MEHR ZUM THEMA


Julius Bär verfehlt Ziele und verliert Substanz

Bank-CEO Stefan Bollinger hat ein schwieriges erstes Halbjahr hinter sich. Der Reingewinn sank um 35 Prozent. Das Zinsengeschäft implodiert.
22. Juli 2025

Flugwetter bei der Finma - drei Schlüsselabgänge innert weniger Monate

Die Finanzmarktaufsicht steht vor der grössten Kompetenzerweiterung ihrer Geschichte – doch intern verliert sie derzeit an Stabilität. Drei gewichtige Führungspersonen haben ihren Abgang angekündigt oder bereits vollzogen.
21. Juli 2025

Julius Bär baut das Vergütungsmodell um und verschreckt damit erfahrene Banker

Die Zürcher Privatbank zieht zu wenig neue Kundengelder an. Das hat stark mit dem bestehenden Bonusmodell zu tun, das vor allem erfahrene Kundenberater kaum zum Wachstum motiviert.
26. Juni 2025

Was am Enforcement-Verfahren gegen Julius Bär seltsam ist

Die Finma geht mit der schärfsten Waffe gegen die Privatbank vor. Schiesst die Behörde übers Ziel hinaus?
18. Februar 2025