Digital Assets Briefing
…das suggerieren zumindest der Bitcoin-Kurs und viele Berichte aus der Kryptobranche. Der Einfluss der Wahlen auf die Urkryptowährung ist beträchtlich. Dazu: Schweizer Tokenisierungspionier gibt auf +++ Tokenisierung könnte Bankruns entschärfen.
25. Oktober 2024 • Werner Grundlehner

Der Titel ist absurd. Aber wer sich in den vergangenen Wochen in Blockchain-Foren und Krypto-Newslettern umschaute, bekam den Eindruck, dass die US-Präsidentschaftswahl ein ganzer wichtiger Faktor – und Kurstreiber – für Bitcoin & Co. sein wird. Und dass die Notierungen nach einem Sieg von Donald Trump durch die Decke gehen würden.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Schweizer Tokenisierungspionier gibt auf
• Stablecoins weiter auf dem Vormarsch
• Tokenisierung könnte Bankruns entschärfen


Die Notierung des Bitcoins hat in den vergangenen Tagen kräftig zugelegt und zwischenzeitlich annähernd die Marke von 70’000 Dollar wieder erklommen. Die meistgehörte Begründung für die Kursavance ist dabei jeweils der «Optimismus bezüglich den US-Präsidentschaftswahlen». Im Klartext heisst dies, dass die Chancen des ehemaligen Präsidenten und Kandidaten für die Republikaner, Donald Trump, die Wahl zu gewinnen, in den vergangenen Tagen gestiegen sind.

Beide Kandidaten werden zu Krypto-Fans

Im Wissen, dass gerade junge Männer in Amerika ein grosses Interesse am Bitcoin zeigen, haben in den vergangenen Monaten beide Kandidaten ihre Liebe zu Kryptowährungen entdeckt. Donald Trump gilt dabei als deutlich Krypto-freundlicher als die demokratische Kandidatin Kamala Harris. Der Markt scheint dabei den Opportunismus und die raschen Meinungswechsel von Trump auszublenden.

Weil die Kryptobranche im Finanzsektor stetig an Gewicht gewinnt – Stichwort ETF, Defi und Stablecoins –, ist es aber keine gewagte Prognose festzuhalten, dass das noch junge Thema Krypto in den US-Wahlen noch nie eine grössere Rolle als in diesem Jahr hatte. Und auch das Marktinteresse lässt sich einfach begründen: Bereits in den vergangenen Jahren hat sich das Rennen für das oberste US-Amt als positiven Treiber für den Bitcoin erwiesen.

Hohe Zuflüsse in Anlage-Produkte

«Die US-Wahlen lösen einen Bitcoin-Bullrun aus», schrieb vor wenigen Tagen der Krypto-Dienstleister CoinShares. In der vergangenen Woche seien 2,2 Milliarden Dollar in digitale Investmentprodukte geflossen. Auf Nachfrage präzisiert Max Shannon, Research Associate bei CoinShares, die Zuversicht, die sich von einem Trump-Sieg nährt: «Den Demokraten nimmt man wegen ihrer bisherigen Haltung zu diesem Thema die Pro-Krypto Rhetorik nicht ab».

Kritisch beäugt werden demnach der vorgeschlagene sogenannte DAME-Steuersatz von 30 Prozent auf den Stromverbrauch von Minern, der im Kongress gescheitert ist, das Vorgehen der Biden-Administration in der «Operation Chokepoint 2.0» mit Senatorin Warren, Finanzministerin Yellen und dem SEC-Vorsitzendem Gensler, aber auch Harris' Pläne Trumps Steuersenkungen rückgängig zu machen und die Kapitalertragssteuer zu erhöhen. Das könnte gemäss Shannon die Krypto-Preise negativ beeinflussen und die Marktliquidität verringern.

Unklare Position der Demokraten

Die demokratische Position zu wichtigen Themen wie der Broker-Regel und anderen Krypto-Steuerrichtlinien bleibe bislang unklar, so der CoinShare-Experte. «Allerdings hat Harris sich nicht öffentlich gegen den Vorschlag der demokratischen Kongressabgeordneten Maxine Waters ausgesprochen, die die Regulierung von Stablecoins unterstützt», relativiert Shannon. Das könne man als positives Signal für die Branche werten. Diese Toleranz könne sich auch auf andere Gesetze wie den FIT21-Entwurf ausdehnen. Dieser Gesetzesentwurf regelt die Verantwortlichkeiten zwischen Börsenaufsicht SEC und der CFTC (Commodity Futures Trading Commission) in der Kryptoregulierung klar.

Trump und Vance hätten im Gegensatz dazu ein echtes Pro-Krypto-Narrativ ausgebaut, erklärt Shannon. Laut Finanzangaben für 2022 hielt Vance zwischen 100’000 und 250’000 Dollar in Krypto auf Coinbase. Der Kandidat für das Vizepräsidentenamt habe bereits Vorschläge ausgearbeitet, die die Überwachung des Kryptosektors durch die beiden führenden Regulierungsbehörden in Washington grundlegend verändern würden. Trump und Vance hätte sich öffentlich für den FIT21-Entwurf zur Reform der Marktstruktur ausgesprochen sowie für das Ende von «Operation Chokepoint 2.0». Zudem hat Trump die Einführung von Stablecoins in Aussicht gestellt, um die Dominanz des US-Dollars international zu stärken.

«Obwohl viele im Markt Krypto als Trump-Trade betrachten, scheint die Entwicklung der Branche unabhängig vom Wahlausgang in die gleiche positive Richtung zu gehen. Krypto scheint sich in den USA zu einem überparteilichen Thema zu entwickeln, und es gab bereits mehrere positive Entwicklungen an der politischen und regulatorischen Front unter der aktuellen Regierung, z. B. parteiübergreifende Unterstützung für Gesetzesentwürfe, No-Action-Letter der SEC und prominente Demokraten, die Krypto unterstützen», sagt Katalin Tischhauser, Head of Investment Research bei der Sygnum Bank.

Die meisten Umfragen, wie etwa von «Wettplattformen» RealClearPolitics, Polymarket und Kalshi, zeigen Trump im Rennen um das Präsidentenamt in Führung. Dennoch sollte man sich des inhärenten Krypto-Bias und der möglichen Verzerrung durch «Wale» auf Wettmärkten bewusst sein, sagt Max Shannon. Auf Wettmärkten wie Polymarket oder Kalshi können Trader aggressive Positionen aufbauen oder auf verschiedenen Plattformen Arbitrage betreiben und die Quoten verzerren. Traditionelle Umfragen haben jedoch ebenfalls ihre eigenen Fehlermargen, die in ihrer Methodologie, Stichprobengrösse, Zusammensetzungen und exogene Faktoren begründet sind.

Ein Währungspaar von vielen

«Die Politik kann das Bitcoin-Protokoll nicht verändern, aber sie kann den Preis von Bitcoin, ausgedrückt in Fiat-Währungen, beeinflussen», erklärt Tischhauser. Die Beziehung sei die gleiche wie bei Währungspaaren – die Bank of England kontrolliere den Dollar nicht, aber ihre Politik könne den Dollar/Pfund-Kurs beeinflussen. Auf diese Weise ist der Preis von Bitcoin in Dollar gemäss Sygnum-Strategin in gewisser Weise mit einem Währungspaar vergleichbar. Auch Zentralbanken, die Bitcoin-Reserven aufbauten, hätten einen ähnlichen Einfluss auf den Bitcoin-Preis, wie ihre Goldreserven auf den Goldpreis haben können.

In allen Lobpreisungen auf einen Wahlsieg des richtigen «Bitcoin-Präsidenten» gilt es jeweils auch das Kleingedruckte, besser gesagt das Ende von Berichten und Studien, zu lesen. Hier relativieren die Experten dann meist den nachhaltigen Einfluss der US-Wahlen und sehen darin einen Event von eher kurzfristiger Volatilität. Langfristig ist die Makro-Lage um einiges entscheidender.

USA bestimmt nicht, ist aber bestimmend

Zudem handelt es sich beim Ganzen – wie bei vielen Einschätzungen an den Finanzmärkten – um eine US-fokussierte Nabelschau. Bei dezentralen Systemen wie dem Bitcoin ist das aber nur bedingt angebracht. Die Kryptowährungen sind globale, dezentrale Systeme und kein Element der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Mehrzahl der Bitcoin-Interessierten wird einen Kauf oder Verkauf nicht davon abhängig machen, wer in den USA im Oval Office residiert.

Katalin Tischhauser wendet hier ein, dass die USA bereits das Krypto-Risikokapital, den Handel und die Investitionen dominieren würden, weshalb der Markt dem Land so viel Aufmerksamkeit schenke. «Eine klare Regulierung in den USA würde diese Dominanz zweifelsohne beschleunigen – ebenso wie beispielsweise die vorgeschlagene Einrichtung einer Bitcoin-Reserve».

Was die Akzeptanz der Anlageklasse bei den Anlegern betreffe, so ist gemäss Sygnum-Strategin die Klarheit der Vorschriften der wichtigste Faktor – institutionelle Anleger würden dafür bezahlt, dass sie Markt- und nicht Regulierungsrisiken eingehen und letztere im Allgemeinen vermeiden. In dieser Hinsicht könnten die oben erwähnten positiven Schritte in Bezug auf die Klarheit der US-Regulierung die Übernahme durch institutionelle Anleger weiter beschleunigen, fügt sie an.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Schweizer Tokenisierungspionier gibt auf

Überall in der Krypto-Branche wird davon gesprochen, dass die Tokenisierung von Real World Assets (RWA) das nächste «grosse Ding» werde. In der Schweiz funktioniert es aber mit der Tokenisierung von KMU-Anteilen (noch) nicht. Der Tokensierungsexperte Daura AG wird per Ende November die Geschäftstätigkeit einstellen. «Es ist schizophren, alle sagen, dass die tokenisierte Aktie die Zukunft ist, trotzdem wagt sich kaum jemand vor», sagt Peter Schnürer, CEO von Daura. Nur vereinzelte KMU entschlossen sich dazu, ihr Eigenkapital digitalisieren zu lassen. Es fehlten grosse «Leuchtturm-Projekte». Zudem mangelt es an weiteren Teilen für ein effizientes Ökosystem.

In einem Brief an die Aktien-Emittenten schreibt das Unternehmen: «Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass digitale Aktien langfristig die bevorzugte Form der Unternehmensanteile sein werden. Dennoch mussten wir feststellen, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis damit nachhaltig Gewinne erzielt werden können.» Angeblich laufen noch Gespräche mit einem potenziellen Käufer. Diese scheinen jedoch nicht innerhalb nützlicher Frist abgeschlossen werden zu können.

Auch der Konkurrent Aktionariat AG bekundet Mühe. Vor wenigen Wochen gab das Unternehmen eine Neuausrichtung bekannt. In Zukunft will das Unternehmen Blockchain-affinen Kunden erstklassige technische Tools zur Verfügung stellen.


Stablecoins weiter auf dem Vormarsch

Der US-Zahlungsdienstleister Stripe kauft für 1,1 Milliarden Dollar das Stablecoin-Startup Bridge. Für die Branche ist es ein Deal der Superlative. Einerseits handelt es sich um Stripes bislang grösste Akquisition, andererseits ist es der grösste Verkauf eines Krypto-Unternehmens überhaupt. Bridge hat vor weniger als zwei Monaten eine Finanzierungsrunde über 40 Millionen Dollar abgeschlossen. Stripe rollte vor zwei Wochen die neue Dienstleistung «Pay with Crypto» aus – seitdem können Unternehmen in den USA den Kunden Zahlungen per Stablecoin anbieten. Das ist ein weiterer entscheidender Vorstoss von Stablecoins in den Zahlungsverkehr.

Bereits im August des vergangenen Jahres hatte der Bezahldienst Paypal die eigene Kryptowährung «Paypal USD» lanciert. Der Stablecoin kann zum Preis von einem Dollar je Einheit gekauft und in die US-Währung umgetauscht werden. Paypal hatte dabei vor allem das Zinsdifferenzgeschäft im Auge – welches mittlerweile schon wieder weniger attraktiv aussieht. Die eingetauschten Fiat-Dollars investiert das Unternehmen teilweise in kurzlaufende US-Staatsanleihen. Die Rendite abzüglich der Verwaltungskosten ist der Gewinn von Paypal.


Tokenisierung könnte Bankruns entschärfen

Gemäss einem aktuellen Bericht (PDF) des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) hat die Zunahme von Projekten und Experimenten auf regulierten Finanzmärkten die Bedeutung der Tokenisierung auch für Zentralbanken erhöht. Im Bericht werden die Konzepte im Zusammenhang mit digitalen Token und programmierbaren Plattformen dargelegt. Token-Vereinbarungen könnten die bestehenden Marktstrukturen verändern, indem sie eine plattformbasierte Intermediation über den gesamten Lebenszyklus von Finanzanlagen ermöglichen.

Der Bericht zeigt unter anderem, dass Banken mit Vermögenswerten von annähernd 1000 Milliarden Dollar, etwa Credit Suisse, Silicon Valley Bank und Signature Bank im Jahr 2023 wegen dem Rückzug von Kundengeldern vor schwerwiegenden Liquiditätsproblemen und am Rande des Zusammenbruchs standen. Eine Lösung hätten dabei Blockchain-basierte Finanzlösungen sein können. Im Gegensatz zu vielen traditionellen Assets, die in einer Krise nur schwer liquidiert werden können, bietet die Blockchain Transparenz in Echtzeit und ein besseres Liquiditätsmanagement.

Durch die Tokenisierung von Vermögenswerten, wie Immobilien oder Finanzinstrumente, könnten Banken illiquide Vermögenswerte in handelbare digitale Token umwandeln. Die BIS weist im Bericht aber darauf hin, dass die Tokenisierung zwar zahlreiche Vorteile für das Finanzsystem und die Wirtschaft im Allgemeinen bieten könne, dabei müssten aber auch die Kosten und Risiken berücksichtigt werden.

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