Digital Assets Briefing
Für Olivier Kessler war der Bitcoin nur der Anfang. Der Direktor des Liberalen Instituts sieht inzwischen bessere Lösungen – und er stört sich am fast-religiösen Wahn vieler «Bitcoin-Maxis».
14. Februar 2025 • Werner Grundlehner

«Der Bitcoin ist korrumpiert», schrieb jüngst Olivier Kessler, der Direktor des Liberalen Instituts, in einem Blog. Von einer tollen Idee mit revolutionärem Potential für digitales Geld, habe sich der Bitcoin hin zu einem reinen Wertaufbewahrungsmittel, das man Halten (HODLN) solle, gewandelt – anstatt es für tägliche Transaktionen auszugeben. Die digitale Währung sei zu langsam und zu teuer, deshalb habe sie sich kaum irgendwo als Zahlungsmittel durchgesetzt.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Der nächste Krypto-ETF in den Startlöchern


Die breite Masse gehe leer aus und müsse auf Layer-2-Lösungen wie Lightning ausweichen, wobei die Anwender wieder von zentralisierten Custodian-Anbietern abhängig würden, die der «Bitcoin-Erfinder» Satoshi Nakamoto eigentlich ausschalten wollte. Das Ganze mutiert gemäss Kessler dadurch zu einer Art Bankensystem 2.0. Das Dezentralitätsversprechen sei mehrheitlich dahin. Tippinpoint wollte von Olivier Kessler wissen, was schiefgelaufen ist und welches die bessere Lösung wäre.

Herr Kessler, Sie schlagen vor, statt Bitcoin effizienteres digitales Geld wie Kaspa zu verwenden. Was sind die Vorteile dieser Open-Source-Lösung? Kommt dieses Zahlungsmittel punkto Verbreitung und Sicherheit an Bitcoin heran?

Erstmal möchte ich klarstellen, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, das Zahlungsmittel seiner Wahl zu verwenden, ohne dass der Staat hier irgendwelche Vorschriften macht. Ich bin nicht gegen Bitcoin – und wer Bitcoin verwenden möchte, soll dies gerne tun. Ich war auch viele Jahre lang ein grosser Bitcoin-Fan, genauer gesagt: ein Fan von der Vision des Bitcoin-Gründers Satoshi Nakamoto, ein «elektronisches Peer-to-Peer Cash System» zu schaffen – wie es im Bitcoin Whitepaper heisst –, weil das staatliche Geldmonopol und die dazwischengeschalteten Mittelsmänner viel Unheil über die Welt bringen.

Würden Sie sich heute nicht mehr als Bitcoin-Fan bezeichnen?

Doch, ich bin nach wie vor ein Anhänger der Vision von Satoshi und Bitcoin war ein erster genialer Schritt dorthin. Die Technologie der Blockchain hat viele Probleme des staatlichen Fiat-Geldsystems gelöst. Aber Bitcoin ist eben noch nicht perfekt. Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial an entscheidenden Stellen wie der Transaktionsgeschwindigkeit und der Überweisungsgebühren.

An welchem Punkt wurde die Grundidee des Bitcoins korrumpiert, was hätte anders laufen müssen?

In der Tat haben neue Fakten und Entwicklungen in mir Zweifel geweckt. Eigenartig war zum Beispiel das Festhalten an künstlich tiefer Blockgrösse, was die Transaktionen langsamer macht und die Transaktionsgebühren explodieren lässt. Das war von Satoshi eindeutig nicht so vorgesehen. Es muss der Fairness halber aber auch klar gesagt werden, dass grössere Blöcke das Problem nicht vollständig aus der Welt geschaffen hätten, wie es Promotoren von Bitcoin Cash behaupten, das ja mit grösseren Blöcken daherkommt. Auch das Auftauchen von Fakten, die darauf hindeuten, dass Bitcoin von Innen korrumpiert worden sein könnte – und zwar von Gegnern der Vision von Satoshi – haben meine Aufmerksamkeit erregt.

Sind Anbieter von Bitcoin-ETF, Krypto-Börsen wie Coinbase und strategische Reserven durch Staaten ebenfalls Teil dieser «Verletzung der Idee»?

Nein, das ist damit nicht gemeint. Es sind vielmehr mutmassliche geheimdienstliche Interventionen, das fragwürdige Gebaren der Bitcoin Core Developer und hinterhältige Angriffe auf alle, die in Bitcoin nicht nur ein Wertaufbewahrungsmittel, sondern auch ein Zahlungsmittel sehen. Mit unsäglichen Massnahmen und Manipulation wurde das öffentliche Narrativ von Bitcoin von einem Zahlungsmittel in ein Wertaufbewahrungsmittel umfunktioniert – zum Frust der ursprünglichen Bitcoiner. Wer Genaueres erfahren will, dem empfehle ich das Buch «Hijacking Bitcoin» von Roger Ver. Doch der entscheidende Punkt ist dieser: Bitcoin eignet sich auch in seiner ursprünglich angedachten Form nicht als Zahlungsmittel. Dass lediglich alle 10 Minuten ein Block geschürft wird, macht Bitcoin für Alltagstransaktionen, wo es schnell gehen muss, unbrauchbar. Jeder, der den Kryptowährungsmarkt in den letzten Jahren genauer beobachtet hatte, hat jedoch festgestellt, dass es hier zu revolutionären Durchbrüchen gekommen ist, die die bekannten Probleme von Bitcoin lösen.

Sie sprechen von Kaspa?

Ganz genau. Kaspa ist ein neues Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Vision Satoshis optimal in die Realität umzusetzen. Es basiert daher auch auf den gleichen Prinzipien wie Bitcoin: es ist Open-Source (transparent), Proof-of-Work (sicher und dezentral), wurde fair lanciert (keine vorgängig an Investoren verteilte Coins). Kaspa macht sich aber einer Reihe von technologischen Durchbrüchen zunutze, welche zusammengenommen das leidige Blockchain-Trilemma gelöst haben. Kaspa ist das erste Kryptogeld, das wie Bitcoin sicher und dezentral, aber im Unterschied zu Bitcoin schnell und kostengünstig ist. Ich kann nur jedem empfehlen, sich ernsthaft mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Es ist eine riesige Chance für die Freiheit, weil jetzt ein ernsthafter Herausforderer zum Fiatgeld zur Verfügung steht, der in allen Belangen besser ist als Fiat.

Ist es denn schlecht, wenn sich zuerst ein breit akzeptiertes Ökosystem bildet und die Verwendung als Zahlungsmittel als nächster Schritt folgt?

Nein, dagegen ist nichts einzuwenden. Hauptsache, die Leute benutzen das Zahlungsmittel freiwillig. Dann stimmt meistens auch die Qualität, weil fast niemand freiwillig ein schlechtes Geld wählen würde.

Stören Sie sich ebenfalls an der religiösen Überzeugung der Bitcoin-Verfechter, den Bitcoin-Maxis?

Ich kann Bitcoin Maximalisten auf der einen Seite verstehen, weil es in der Vergangenheit schon so viele Versprechen von alternativen Coins gab, die behaupteten, besser als Bitcoin zu sein. Das mag punkto Geschwindigkeit und Transaktionsgebühren zwar richtig gewesen sein. Jedoch opferten dafür alle mir bekannten Alternativen die Sicherheit oder die Dezentralität oder beides zusammen, indem sie z.B. ein «Proof-of-Stake»-Verfahren gewählt haben. Ich kann daher die Abwehrhaltung von Bitcoin Maxis verstehen und finde es gut, dass sie der Vision von Satoshi die Stange halten wollen.

Das tönt ziemlich versöhnlich…

Doch es gibt auch regelrechte Fanatiker unter den «Bitcoin Maxis», die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen und blind auf jede Konkurrenz einhacken, ohne sie genauer zu studieren. Solche Leute erweisen der Freiheitsidee keinen Dienst. Jede Alternative wie auch Kaspa wird mit dem Totschlagbegriff «Shitcoin» niedergeknüppelt, ohne sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Der Fanatismus, mit welchem ein spezifischer Coin wie Bitcoin verteidigt wird, erinnert teilweise stark an kollektivistische Stammesgesellschaften, religiöse Rituale und obskure Kulte. Es scheint, als ob man den ursprünglichen Grund für die Notwendigkeit von Kryptowährungen vergessen hat: Nämlich, eine möglichst gute Alternative zum dysfunktionalen Geldsystem zur Verfügung zu stellen. Ich halte es so: Ich bin weder ein Bitcoin-Maxi, noch ein Kaspa-Maxi. Ich bin ein Freedom-Maxi und unterstütze gerne jedes Geld, das mehr Freiheit und Wohlstand in der Welt ermöglicht.

Ein tiefes Vertrauen durch Bitcoin-Maxis und die Verwendung als Wertaufbewahrungsmittel sind doch eine Grundvoraussetzung für eine Währung, oder nicht?

Ludwig von Mises, der grosse Geldtheoretiker der Österreichischen Schule, kam zum Schluss, dass Geld in erster Linie ein Tauschmittel ist. Die Wertaufbewahrungsfunktion, wie auch die Recheneinheitsfunktion, würden lediglich aus dieser Tauschmittelfunktion folgen. Insofern ist primär nicht die Wertaufbewahrungsfunktion entscheidend, sondern die Tauschmittelfunktion. Damit etwas ein Wertaufbewahrungsmittel werden kann, muss man es also tauschen können. Das ist zwar bei Bitcoin der Fall, aber eben nur sehr langsam und teuer. Jetzt, wo technologisch eine weit fortschrittlichere Lösung wie Kaspa verfügbar ist, das genauso sicher und dezentral wie Bitcoin aber noch viel schneller ist, ist zu erwarten, dass ein langsamer Wechsel auf das schnellere Pferd stattfinden wird, auch wenn dieser Wechsel viele Jahre dauern kann, bis die Botschaft bei allen angekommen ist.


Kann eine Alternative Währung etabliert werden, ohne dass etablierte Parteien wie Notenbanken, Vermögensverwalter etc. integriert werden?

Zentralbanken sind zur Etablierung eines neuen Geldes nicht nötig. Gold und Silber wurden z.B. auch nicht von Zentralbanken geschaffen und eingeführt. Zentralbanken sind vielmehr die schädlichen planwirtschaftlichen Zentralbehörden des Geldsozialismus, den jeder Freiheitsfreund bekämpfen sollte, indem er sich für den freien Geldwettbewerb und gegen das staatliche Geldmonopol einsetzt, so wie das aktuell Javier Milei in Argentinien versucht. Viel Leid auf dieser Welt könnte dadurch gelindert werden.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Der nächste Krypto-ETF in den Startlöchern

Der digitale Vermögensverwalter Grayscale hat den ersten Antrag für einen Cardano-Spot-ETF bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC eingereicht. Der kotierte Indexfonds bildet den Kassakurs des Cardano-Coins ab. Die im Jahr 2017 lancierte Cardano ist eine der führenden Smart-Contract-Blockchains. Mit einer Marktkapitalisierung von aktuell 29 Milliarden Dollar rangiert sie auf Platz neun der grössten Blockchains. Die Nachricht von Crayscale hat den Wert um über 10 Prozent nach oben getrieben. Die erfolgreiche Lancierung von mehreren Bitcoin-ETF Anfangs des vergangenen Jahres, die mittlerweile über 100 Milliarden Dollar eingesammelt haben, hat eine Flut von weiteren ETF-Anträgen nach sich gezogen. Ethereum ETF haben bereits das Okay für den Vertrieb erhalten. Anträge für ETF auf Solana, Ripple, Lite- sowie Meme-Coins und nun eben Cardano sind hängig. Die Spezialität von Cardano ist, dass die Governance der Blockchain schrittweise den Token-Inhabern übertragen wird. Die Blockchain ist in die letzte Stufe dieser Übergabe eingetreten.

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