Digital Assets Briefing
Das Konzept von MicroStrategy wird kopiert – aber ist das von Vorteil für die Unternehmen und den Bitcoin? +++ Dazu: Das Mining geht in die Cloud – gehen Investoren mit?
4. April 2025 • Werner Grundlehner

Ein Gedankenspiel: Der angeschlagene Solarmodul-Produzent Meyer Burger gibt Wandelanleihen aus und kauft mit den neuen Mitteln Gold. Gold ist im Aufwärtstrend und Meyer Burger hat endlich wieder eine Perspektive. Dank eines Hebels (Finanzierung über Fremdkapital) kann das krisengeschüttelte Unternehmen überproportional von der sowieso schon haussierenden Kursbewegung profitieren. Sowohl dem Aktienkurs von Meyer Burger als auch der Notierung von Gold ist diese Strategie zuträglich. Wie gesagt: Das ist nur ein Fantasiegebilde.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Das Mining geht in die Cloud – gehen Investoren mit?



Aber für einige US-Unternehmen ist ein derartiges Vorgehen zum Rettungsanker geworden. Statt Gold kaufen sie jedoch Bitcoin. Der Vorreiter ist Strategy (ehemals MicroStrategy), das Unternehmen von Michael Sailor. Der Erfolg lockt Nachahmer an – zuletzt GameStop. Denn der Unternehmenswert von Strategy ist dank dem neuen Unternehmenszweck im vergangenen Jahr quasi explodiert.

Bei steigenden Preisen wird gewandelt

Anfang dieser Woche gab der US-Videospielehändler GameStop im Rahmen seiner Quartalszahlen bekannt, dass das Unternehmen Bitcoin in seine Währungsreserven aufnehmen werde. Die Aktien legten darauf im tiefen zweistelligen Bereich zu. Künftig will GameStop einen Teil der Einnahmen aus Anleiheemissionen und Kapitalerhöhungen nutzen, um damit in die Kryptowährung zu investieren. Wenige Tage später verkündete GameStop, dass das Unternehmen sich bereits 1,5 Milliarden Dollar über Wandelanleihen beschafft habe. Diese Wandelanleihen sind nicht verzinst, die Investoren setzen darauf, dass die Papiere bei steigendem Aktienkurs in GameStop-Valoren gewandelt werden können.

Die Strategie kann sehr erfolgreich sein, wie Microstrategy im vergangenen Jahr gezeigt hat. Die Bitcoin-Notierung legte 2024 mehr als 100 Prozent zu. Im laufenden Jahr hat die älteste Kryptowährung über 20 Prozent auf ihren im Januar erreichten Höchstwert eingebüsst. In seiner jungen Geschichte hat der Bitcoin schon mehrfach über die Hälfte seines Wertes eingebüsst. Für Unternehmen, die Milliarden in Kryptos als Währungsreserve halten, kann das riskant oder gar lebensbedrohlich sein.

Wieso keine Zweckgesellschaften?

Die Frage ist auch, wieso Unternehmen, die ursprünglich einen anderen Geschäftszweck verfolgten, zu Kryptospekulanten werden. Wäre es nicht transparenter, wenn für solche durchaus berechtigten Bitcoin-Investitionen eigene Zweckgesellschaften gegründet würden, die in den Kryptomarkt investierten. Das würde für Aussenstehende auch die Analyse und die Abschätzung des Risikos vereinfachen. Haben die Bitcoins in diesem Fall den Zweck, das Überleben eines nicht lebensfähigen Geschäftsmodells zu sichern?

Strategy hält mittlerweile mehr als eine halbe Million Bitcoins in seiner Bilanz und kontrolliert damit 2,5 Prozent des gesamten Bitcoin-Angebots. Diese massive Position im Wert von über 40 Milliarden Dollar macht das US-Softwareunternehmen zum fremdfinanzierten «Bitcoin-Verstärker». In den vergangenen Monaten hat sich der Strategy-Aktienkurs um das Zwei- bis Vierfache der Bitcoin-Wertveränderung bewegt. Von der Investment-Website «Seeking Alpha» wird Strategy als «Bitcoin-ETF auf Steroiden» beschrieben, der durch Unternehmensbeteiligungen und den cleveren Einsatz von Schulden verstärkt wird.

GameStop hat bereits einen Ruf

MicroStrategy hat zu Beginn der Bitcoin-Strategie eingeräumt, dass mit dem ursprünglichen Software-Geschäft kaum noch Wachstum möglich ist. Das eine Videospielhändler wie GameStop in Schwierigkeiten steckt, ist angesichts der Veränderungen des Gaming-Geschäfts wenig erstaunlich. GameStop geriet zu Beginn des Jahres 2021 in die Schlagzeilen, nachdem Hedge Funds exzessiv auf eine Pleite des Unternehmens gewettet hatten.

Der Einstieg des Investors Ryan Cohen sorgte für einen Stimmungsumschwung an der Börse. Über Onlineforen wie «Wall Street Bets» auf der Plattform Reddit verabredeten sich junge Privatanleger zu Käufen der GameStop-Aktie und feuerten sich zu immer weiteren Investitionen an. Dadurch stieg die Aktie um mehrere Hundert Prozent an. Die Hedge Funds machten dadurch mit ihren Wetten auf fallende Kurse zeitweise milliardenschwere Verluste.

Dominic Weibel, Head of Research bei Bitcoin Suisse ordnet die GameStop-Initiative global ein: «Nach Metaplanet in Japan, Matador in Kanada, Semler Scientific und Strategy reiht sich GameStop in einen rasanten Wandel der Eigentümerstruktur von Bitcoin ein. Institutionelle Akteure von Unternehmen über Pensionsfonds bis hin zu Staatsfonds gehen zunehmend proaktiv und entschlossen auf Bitcoin-Einkaufstour».

Der Bitcoin wird Corporate

Allein im Jahr 2023 hätten öffentliche Unternehmen ihre Bitcoin-Bestände um rund 80 Prozent erhöht, was eine deutliche Verschiebung von spekulativen hin zu strategischen Überlegungen impliziere. Parallel dazu zeichne sich eine zunehmend dynamische Rolle staatlicher Akteure ab, wie zahlreiche Gesetzesinitiativen zur strategischen Integration von Bitcoin zeigten. Staatsfonds, etwa Abu Dhabis Engagement in Bitcoin-ETF, verdeutlichen gemäss Weibel zusätzlich, wie souveräne Akteure diesen Trend weiter befeuern. Diese breit angelegten institutionellen und staatlichen Depots reduzierten als Resultat die verfügbaren Bitcoin-Bestände erheblich.

«Dass insbesondere strukturschwache Unternehmen wie GameStop diesen Schritt wagen, ist wenig überraschend und folgt einer durchaus nachvollziehbaren ökonomischen Logik. So begünstigen ihre Risiko-Ertrags-Profile spekulative, aber potenziell transformative Investitionen» fügt der Bitcoin-Suisse-Stratege an. Historisch betrachtet eröffne Bitcoin hier aufgrund seiner volatilen, jedoch langfristig beeindruckenden Wertentwicklung enorme Chancen insbesondere im Hinblick auf die Wertpapierentwicklung von Unternehmen, die bereits alloziert hätten. Diese Dynamik sei bereits bei staatlicher Adoption zu beobachten gewesen, die initial ebenfalls von kleinen, wirtschaftlich schwächeren Ländern wie El Salvador vorangetrieben wurde, bevor nun zunehmend kapitalstärkere Staaten den Schritt wagen würden.

Mehr Komplexität und mehr Risiken

Weibel räumt ein, dass gewisse Risiken bestehen: «GameStop wäre nach Umsetzung der Pläne der viertgrösste Bitcoin-Halter unter börsennotierten Gesellschaften. Gerade das fremdkapitalfinanzierte Modell von Strategy oder nun GameStop birgt jedoch zusätzliche Komplexität in der Anlage sowie Risiken für den Anleger». Weiter sei in unvorteilhaften Szenarien zusätzlicher Verkaufsdruck auf den Bitcoin nicht auszuschliessen, der signifikant ausfallen könne, halte Strategy doch bereits über 2,5 Prozent des Gesamtangebots von Bitcoin. Durch diese hybriden Anlagen, teils Unternehmen teils Bitcoin, entsteht laut Weibel eine (un)erwünschte Verflechtung von Risiken, deren kompetente Handhabung sichergestellt sein sollte.

«Natürlich kommen mit Leverage und Derivaten weitere Gefahren für die Anleger ins Spiel – vor allem für die Aktionäre der entsprechenden Firmen», sagt Joël Kai Lenz, Manager bei der Bitcoin-App Relai. Jedoch sei hier auf die Deckung in Bitcoin eine Safety Margin eingebaut, mit verschiedenen Strike-Preisen, welche dem Anleger die Wahl liessen, in Aktien zu wechseln oder im Bond zu bleiben. Bei GameStop ist die Geschichte gemäss Lenz etwas anders, da der CEO nach neuen Lösungen suche und er mit der digitalen Transformation bereits eine gewisse Akzeptanz erreicht habe. Die Lehre aus den bisherigen Bitcoin-Bärenmärkten sei, dass der Rückschlag jedes Mal weniger heftig ausfalle und die Grenze, an der GameStop Bitcoin liquidieren müsse, wohl nicht erreicht werde.

Für Kapitalstruktur ineffizient

Bereits hat sich die Lehre der GameStop-Transaktion angenommen. David Krause, Emeritus Professor für Finanzen, an der Marquette Universität von Milwaukee, verfasste diese Woche ein Arbeitspapier mit dem Titel: «GameStop's Bitcoin Strategy: An Analysis of Irrationality and Market Efficiency». In der Zusammenfassung hält Krause fest: «Die Entscheidung von GameStop, Wandelanleihen auszugeben, um in Bitcoin zu investieren, scheint eher von spekulativen Gefühlen als von soliden finanziellen Grundsätzen geleitet zu sein. Die Strategie ist aus Sicht der Kapitalstruktur ineffizient, erhöht das finanzielle Risiko, ist strategisch unpassend und kann im Management Zielkonflikte auslösen».

Aus der Sicht des Anlegers sei die Strategie überflüssig, erhöhe das Risiko, sei von Verhaltensvorurteilen beeinflusst und werde von der Fundamentalanalyse nicht unterstützt. Dieses irrationale Verhalten stellt gemäss Krause die traditionellen Finanztheorien in Frage und habe erhebliche Auswirkungen auf die Markteffizienz und die Unternehmensführung, was auf einen möglichen Zusammenbruch der rationalen Entscheidungsfindung auf den Finanzmärkten hindeute. «Die beobachtete Marktreaktion, die durch einen erheblichen Ausverkauf gekennzeichnet war, unterstreicht die Risiken, die mit solchen spekulativen Transaktionen verbunden sind, und das Potenzial einer erheblichen Wertvernichtung, wenn Unternehmensstrategien von etablierten Finanznormen abweichen», schreibt der Professor. Die GameStop-Aktien sind Mitte Woche von über 28 auf rund 22 Dollar abgestürzt – was aber im angespannten Börsenumfeld zahlreiche Ursachen haben kann.

Der Professor regt an, dass die langfristigen Folgen spekulativer Unternehmensstrategien untersucht werden sollten, insbesondere solche, die durch den Einfluss sozialer Medien angetrieben werden. Studien könnten die Korrelation zwischen der Stimmung in den sozialen Medien und der Volatilität der Aktienkurse untersuchen und die Vorhersagekraft des Online-Diskurses bei der Antizipation von Marktreaktionen auf unkonventionelle Unternehmensentscheidungen analysieren.

Was würde Satoshi sagen?

Fazit: Es wäre durchaus wünschenswert, wenn statt angeschlagene stabile Unternehmen wie Microsoft (wie Aktionäre an der Generalversammlung ohne Erfolg vorschlugen) einen Teil der immensen Cash-Bestände in Bitcoin diversifizieren würden. Mit Unternehmen wie Strategy oder GameStop, die einen beträchtlichen Teil ihrer Reserven in Bitcoin anlegen, steigt das Risiko, dass einzelne angeschlagene Gesellschaften in einem Kryptowinter scheitern und damit viel Negativimage am Bitcoin hängen bliebe.

«Im Sinne von Satoshi Nakamotos ursprünglicher Vision fördert diese Entwicklung zunächst die globale Adoption», sagt Weibel zu den jüngsten Unternehmensvorstösse. Und da Bitcoin von Satoshi als dezentrales, autarkes Netzwerk konzipiert worden sei, sei eine Einflussnahme oder gar Verhinderung dieses Trends ohnehin nicht möglich, was recht präzise einer autonomen Währung entspreche, die von keiner Instanz kontrolliert werden könne.

Ähnlich argumentiert auch der Relai-Manager: «Das Schöne an Bitcoin ist, dass es keine Grenzen oder Einschränkungen gibt. Es ist ein neutrales Investment für alle, welche es verwenden wollen». Die Grundidee von Satoshi sei ein Peer-to-Peer Bargeld gewesen. «Aber eine Entdeckung kann sich ja weiterentwickeln», findet Lenz. Und bis Bitcoin Zahlungsgeld sei, dauere es noch lange.

Inwiefern allfällige Probleme bei diesen Unternehmen durch Leverage und Risiko dem Bitcoin schaden, bleibt gemäss Lenz abzuwarten. Für jedes negative Beispiel gebe es immer wieder zwei positive – er würde da etwa Blackrock anführen. Der Bitcoin habe in der Vergangenheit stets bewiesen, dass er sich nach Rückschlägen erhole. Der Bitcoin sei eben für jeden offen und zugängig – da habe es auch einmal «krumme» Nutzer oder Firmen darunter.




Short cuts: News aus der digitalen Welt


Das Mining geht in die Cloud – gehen Investoren mit?

Es scheint der neuste Trend bei Krypto zu sein – das Cloud Mining. Das Postfach wird gerade mit vielen Mails von Unternehmen gefüllt, deren Namen dem Autor bisher nicht begegneten. Findige Anbieter haben mit Cloud Mining eine Lösung gefunden, wie auch Private weiter vom Mining profitieren können. Im Bereich Kryptowährungen können sich die Besitzer von Coins an der Validation der Transaktionen beteiligen und somit eine wichtige Funktion im Netzwerk übernehmen. Das konkrete Vorgehen hängt vom verwendeten Konsens-Protokoll ab. Während man beim Proof-of-Work Transaktionen via Mining validiert, geht es beim Proof-of-Stake um das Staking. Das profitable Mining war in den vergangenen Jahren für Privatpersonen kaum mehr zugänglich.

Bitcoin ist die bekannteste Krypto-Währung mit Proof-of-Work-Validierung – aber nicht die einzige. Auch Litecoin, Dash, Zcash und Monero vertrauen auf diese Art der Prüfung. Der Miner muss zur Validierung von Transaktionen komplexe, kryptografische Aufgaben mit Rechenleistung lösen, um die Belohnung in Form neuer Coins zu erhalten. Die Miner konfigurieren dafür spezielle Hardware. Moderne Mining-Geräte sind in der Anschaffung kostenintensiv, zugleich sind ständige Aktualisierungen erforderlich – da die Komplexität der zu lösenden Rechenaufgaben kontinuierlich steigt. Cloud-Mining-Anbieter bieten Privatinvestoren die Möglichkeit, sich über die Cloud am Mining zu beteiligen, ohne selbst Mining Hardware zu besitzen. In der Regel entrichtet der Investor eine monatliche Gebühr, im Gegenzug erhält er die Coin-Rewards direkt anteilig auf das Wallet, das er bei der Anmeldung angibt.

Der Krypto-Consultant Marc Steiner meint zur Branche: «Es gibt zig Anbieter, aber auch viele schwarze Schafe. Ein Engagement dürfte sich nur in den wenigsten Fällen lohnen». Zudem muss man gemäss Steiner wegen der Steuern aufpassen. Wer Mining betreibe, werde als gewerbsmässiger Händler eingestuft. Diese Gefahr besteht also auch beim Cloud Mining.

Der Krypto-Dienstleister Bitpanda rät seinen Kunden bei der Auswahl von Cloud-Mining-Anbietern auf folgende Punkte zu achten. Erstens Reputation und Transparenz: Seriöse Anbieter legen Informationen über ihr Geschäft und ihre Vertragskondition offen, zudem sollten sich Bewertungen und Kundenberichte finden lassen. Zweitens Vertragsbedingungen: Die Laufzeit des Vertrages, Kostenstruktur und die Bedingungen zur Auszahlung müssen sorgfältig geprüft werden, damit nicht unerwartete Klauseln die Mining-Erträge reduzieren. Drittens Kostenstruktur: Anfängliche Investitionen und wiederkehrende Gebühren wie Wartung und Strom sollten klar aufgelistet sein. Viertens Kundensupport: Ein schnell reagierender Kundensupport ist entscheidend, insbesondere wenn Probleme oder Fragen auftreten. Fünftens Betrugsrisiko: Ein seriöser Anbieter wird niemals garantierte Renditen versprechen oder vage über die genutzte Mining-Infrastruktur sein. Sechstens Rendite: Die erwartete Rendite verschiedener Anbieter vergleichen. Aber aufgepasst: Hohe Renditeversprechen können ein Hinweis auf Betrug sein.

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