Auffällige Transaktion
Kurz vor Veröffentlichung der “Suisse Secrets”-Enthüllungen kam es zu auffällig grossen Absicherungsgeschäften. Waren Insider am Werk?
1. März 2022 • Beat Schmid

Am 17. Februar kam es zu einer ungewöhnlichen grossen Transaktion von Put-Optionen. Wie aus Handelsdaten der Terminbörse Eurex hervorgeht, kaufte jemand 10’000 Put-Kontrakte, die zur Veräusserung von einer Million CS-Aktien berechtigen. Der Verfall der Optionen ist auf den 17. März festgelegt. Der Ausübungspreis liegt bei neun Franken.

Eine Put-Option ist ein Vertrag, der dem Käufer oder der Käuferin das Recht einräumt, einen Vermögenswert zu einem bestimmten Preis und Ausübungszeitpunkt zu verkaufen. Wer auf einen sinkenden CS-Kurs spekulieren wollte, konnte mit dem Erwerb der Optionen viel Geld verdienen. Da die Aktien nach dem 17. Februar tatsächlich gefallen sind, verdoppelte sich der Wert der Put-Optionen. Dem Käufer winkt ein Gewinn von mehreren hunderttausend Franken.

Auffällig ist der Zeitpunkt der Transaktion. Der 17. Februar war ein Donnerstag. Nur gerade drei Tage später, am Sonntagabend, berichteten die Medien über das grosse Datenleck bei der Credit Suisse. Der Börsenblog der “Schweiz am Wochenende” bringt den Options-Kauf in Zusammenhang mit den "Suisse Secrets"-Recherchen der Journalisten. Die Optionen seien “mit Raffinesse ausgesucht” worden, heisst es.

Was ist davon zu halten? Wusste jemand von den Recherchen und dem Zeitpunkt der Publikation und wollte schnell Kasse machen? Ausschliessen kann man das nicht. Es braucht keine Börsenkenntnisse, um zu wissen, dass die ohnehin gebeutelte CS-Aktie nach Börseneröffnung am Montag weiter fallen würde.

Fakt ist, von der Recherche wussten sehr viele Leute, insgesamt waren 47 Redaktionen und weit über 100 Journalisten rund um den Globus involviert. Auch etliche Leute bei der CS wussten Bescheid. In einem am Sonntagsabend verschickten Statement schreibt die Bank, dass sie in dieser Sache bereits drei Wochen zuvor von den Journalisten kontaktiert worden sei.

Mehrere hundert Personen waren eingeweiht

Insgesamt dürften also mehrere Hundert Personen eingeweiht gewesen sein. Daher ist es möglich, dass jemand dieses Insiderwissen ausgenutzt hat. Ein Beweis dafür sind die auffälligen Optionsgeschäfte natürlich nicht. Doch zumindest besteht ein Verdacht, ein hinreichender sogar, dem die Börsenaufsicht nachgehen müsste. Nur sie hat die Möglichkeiten, der Sache auf den Grund zu gehen.

Selten fliegen Insider-Geschäfte mit Optionen auf. 2017 wurde ein Holcim-Insider gebüsst, weil er sich im Vorfeld der Fusion mit Lafarge mit Optionen eingedeckt hatte. Berühmt ist zudem ein Fall aus den Nullerjahren: Der damalige Swisscom-Verwaltungsratspräsident sicherte seine Aktienpositionen mit Put-Optionen ab, nachdem intern bekannt wurde, dass der Bund seine Beteiligung herunterfahren würde. Die damalige Finanzmarktaufsicht kam dem Manager auf die Schliche.

Keine Aktienverkäufe des CS-Managements

Wie Tippinpoint letzte Woche berichtete, stellt sich die Frage, ob die Credit Suisse nicht viel früher die Öffentlichkeit über das Datenleck hätte informieren müssen. Schliesslich machte die Aktie nach der Veröffentlichung der Berichte einen Taucher, zeitweise um mehr als sieben Prozent.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die CS nach Bekanntgabe der Quartalszahlen keine Management-Transaktionen der Börse meldete. Geschäftsleitungsmitglieder und Verwaltungsräte hatten demnach keine Aktien verkauft, wie sie das üblicherweise tun. Bei der UBS und Julius Bär gab es eine Reihe von Veräusserungen nach Bekanntgabe der Zahlen.

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