Kundengelder nicht sicher. Wirklich?
Reto Schiltknecht fällt mit markigen Aussagen zur Krise der Credit Suisse auf. Doch mit seinen Äusserungen zu einem Kollaps der Einlagensicherung ging er möglicherweise zu weit.
15. Juni 2023 • Beat Schmid

Reto Schiltknecht ist ein umtriebiger Ex-Finma-Kadermann. In den letzten Monaten hat er kaum eine Gelegenheit ausgelassen, seine Meinung zur Krise der Credit Suisse kundzutun. Er trat im Club von SRF auf, sprach auf einem Tamedia-Podium, gab Interviews in Zeitungen und am Radio.

Zuletzt äusserte er sich in der «NZZ am Sonntag». Dort verbreitete er Angst und Schrecken. Ist das Geld auf der Bank noch sicher? Die Antwort des ehemaligen Kadermannes überrascht: Er wage zu bezweifeln, dass die Kundinnen und Kunden der CS bei einem Konkurs der Bank nichts zu befürchten gehabt hätten.
«Ein Konkurs der CS hätte die Schweizer Einlagensicherung mit grosser Wahrscheinlichkeit überfordert», sagte er. Die Höhe der gesicherten Einlagen der CS sei nicht öffentlich. Klar ist aber, dass sie ein Mehrfaches der knapp 9 Milliarden Franken betragen, die von der Einlagensicherung gedeckt sind.

Überhaupt sei die Einlagensicherung nicht sicher. Die Sicherungssumme betrage «gerade einmal» 1,8 Prozent aller gesicherten Einlagen in der Grössenordnung von 500 Milliarden Franken in der Schweiz. «Das ist eine enorme Diskrepanz.»

Wie kommt Schiltknecht zu dieser Aussage?

Ist es nicht so, dass das Too-big-to-fail-Regime gerade vorsieht, dass systemrelevante Banken gar nicht in Konkurs gehen können? Beziehungsweise jene Teile einer Bank, die von der schweizerischen Einlagensicherung gedeckt wären, nicht in Konkurs gehen können? Schiltknecht unterschlägt, dass die Abwicklung einer systemrelevanten Bank nach dem Too-big-to-fail-Regime die Einlagensicherung also gar nicht tangieren würde.

Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» machte Schiltknecht nicht nur fragwürdige Aussagen zum Konkurs einer Grossbank. Er kritisierte auch seinen ehemaligen Arbeitgeber scharf. «Im Rückblick muss man sagen, dass die Finma mehr Einfluss auf das Management hätte nehmen müssen.» Die Finma «hätte die Möglichkeit gehabt, ein Gespräch mit dem Verwaltungsratspräsidenten anzusetzen, ihre Sicht zu schildern und die klare Erwartung zu formulieren, dass Personen mit überzeugendem Leistungsausweis und Bankerfahrung eingesetzt werden».

«Stattdessen konzentrierte man sich auf möglichst hohe Boni und Gehälter»

Schiltknecht kritisierte auch das Führungspersonal der CS mit teilweise herablassenden Worten. So bezeichnete er die Ernennung von Tidjane Thiam als «kapitalen Fehler». «Er hatte keine Bankerfahrung und passte kulturell nicht zur CS.» Thiam habe «ein Küchenkabinett von Vertrauten» um sich geschart und es «nicht geschafft, eine tragfähige Strategie zu entwickeln». «Stattdessen konzentrierte man sich auf möglichst hohe Boni und Gehälter. Der Verwaltungsrat verpasste es, dieses Treiben zu unterbinden.» Auch Thomas Gottstein fuhr er an den Karren: Bei ihm «war fraglich, ob die Erfahrung und die notwendigen Fähigkeiten vorhanden waren».

Von 2010 bis 2021 war Schiltknecht bei der Finanzmarktaufsicht für die Umsetzung des Too-big-to-fail-Regimes bei systemrelevanten Banken in der Schweiz zuständig. Er betreute also auch die CS in diesem Bereich. In seinen Einflussbereich fiel auch die Einlagensicherung Esisuisse. Die eigentlich aufsichtsrechtliche Überwachung der Credit Suisse befand sich jedoch nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Seit seinem Weggang arbeitet er als «Senior Advisor» bei der Beratungsfirma GWP, die Finanzdienstleister in Regulierungsfragen berät.

Tippinpoint wollte Schiltknecht zu seinen Äusserungen befragen und schickte ihm einen Fragenkatalog. Es kam zu einem Telefongespräch, doch Schiltknecht wollte seine Aussagen nicht veröffentlicht sehen und brach das Gespräch ab.

Was sagt die Finma selbst dazu? Die Behörde kommentiere Aussagen von ehemaligen Mitarbeitenden «nicht öffentlich», sagt ein Sprecher. Es stehe ehemaligen Mitarbeitenden der Finma aber frei, ihre persönliche Meinung öffentlich kundzutun.

Auch die Aussage zur Einlagensicherung will der Sprecher nicht kommentieren. Er fügt aber an: «Es ist zutreffend, dass das TBTF-Regime vorsieht, dass die Bereiche der Banken mit systemrelevanten Funktionen auch im Konkursfall der Gruppe unterbruchsfrei weiter geführt werden können.»

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